# taz.de -- Kölner Stichwahl: Stolz in der Niederlage
> Berivan Aymaz wollte in Köln die erste grüne OB einer Millionenstadt
> werden – und scheitert knapp. Bei der Wahlparty gibt es dafür
> verschiedene Erklärungen.
IMG Bild: Trotz Niederlage: Berivan Aymaz sieht mit Stolz auf den Wahlkampf zurück
Köln taz | Als Berivan Aymaz kurz nach 18 Uhr den großen Saal der Kölner
Festhalle Gürzenich betritt, brandet Applaus auf. „Berivan, Berivan!“,
rufen Parteimitglieder und Unterstützer:innen lautstark. Immer wieder
wird Aymaz in Umarmungen gezogen, spricht mit Gästen, lächelt, hört zu. Ihr
Ziel liegt jedoch zunächst am anderen Ende des Raumes: ihre Mutter. Nach
einer Umarmung, Wangenküssen und ein paar Tränen, die hastig fortgewischt
werden, setzt Aymaz ihren Rundgang durch den Saal fort.
Zu diesem Zeitpunkt sind noch keine Wahlergebnisse bekannt. Die Stimmung
ist optimistisch. Es wird gelacht, getrunken und diskutiert. Aymaz bewegt
sich durch die Menge, tritt jedoch nicht direkt ans Mikrofon. Erst rund
anderthalb Stunden später steht die Grünen-Politikerin schließlich auf der
Bühne – zu dem Zeitpunkt ist klar: Berivan Aymaz hat die Stichwahl zur
Kölner Oberbürgermeisterin verloren. „Heute ist nicht der Abend, an dem wir
den Sieg feiern. Aber es ist ein Abend, an dem wir verdammt stolz sein
können“, beginnt sie ihre Rede.
Ein Wahlsieg von [1][Berivan Aymaz] wäre ein bedeutender Erfolg für die
Grünen gewesen: Sie hätte nicht nur die erste grüne Oberbürgermeisterin
einer deutschen Millionenstadt werden können, sondern auch die erste mit
Migrationsgeschichte. Die 53-Jährige wurde in der osttürkischen Provinz
Bingöl geboren und lebt seit ihrer Kindheit in Deutschland. Sie ist derzeit
Vizepräsidentin des nordrhein-westfälischen Landtags und gilt innerhalb
ihrer Partei als Vertreterin des linken Flügels.
Vor zwei Wochen hatten die Grünen die Kommunalwahl in Köln mit 28 Prozent
der Stimmen klar gewonnen. In der Stichwahl trat ihre Kandidatin
[2][Berivan Aymaz] gegen den SPD-Bewerber Torsten Burmester an, dessen
Partei im ersten Wahlgang lediglich 21 Prozent erreicht hatte. Angesichts
dieses Vorsprungs hofften viele der Gäste am Wahlabend auf einen klaren
Sieg für Aymaz.
## Beide Kandidat:innen setzten auf Wohnraumpolitik
Burmester, 58, blickt auf eine lange Karriere in der Verwaltung und
Sportpolitik zurück. In den 1990er-Jahren arbeitete er eng mit dem
damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder zusammen, zuletzt stand er von
2022 bis 2024 an der Spitze des Deutschen Olympischen Sportbundes. Mit
seinem Wahlsieg stellen die Sozialdemokraten erstmals seit rund einem
Jahrzehnt wieder den Oberbürgermeister in Köln. Die bisherige Amtsinhaberin
Henriette Reker (parteilos) war nicht erneut angetreten.
Die Themen im Wahlkampf: besserer Nahverkehr, mehr Klimaschutz und mehr
Sicherheit im öffentlichen Raum. Im Zentrum standen für beide
Kandidat:innen jedoch vor allem bezahlbare Wohnungen. Sowohl Berivan
Aymaz als auch Torsten Burmester machten das Thema Wohnraumpolitik zum Kern
ihrer Kampagnen.
Aymaz kündigte eine „Offensive für sozialen Wohnraum“ an – unter anderem
durch die verstärkte Nutzung von Erbbaurecht und die Förderung von
Wohnungsbaugenossenschaften. Burmester hingegen setzt auf eine neue
städtische Wohnungsgesellschaft und versprach, jährlich 6.000 neue
Wohnungen zu schaffen.
## Ja zu Grünflächen, Nein zum Tunnel
Deutliche Unterschiede zeigten sich bei zwei umstrittenen Großprojekten in
Köln: Aymaz lehnt die [3][Bebauung der Sportplätze auf der Gleueler Wiese
ab] – Burmester befürwortet sie. Auch beim geplanten Stadtbahn-Tunnel in
der Innenstadt gehen die Positionen auseinander: Während Burmester sich für
den Tunnel ausspricht, stellt sich Aymaz klar dagegen.
Für die Wählerin Birgit Hallerbach war vor allem der Umgang mit den Kölner
Grünflächen ein Grund, Berivan Aymaz ihre Stimme zu geben. „Es macht keinen
Sinn, dass das überhaupt zur Diskussion steht. Das ist eine
Eliten-Förderung – und dafür wird Natur aufgegeben“, sagt sie mit Blick auf
die geplante Bebauung der Gleueler Wiese. Am frühen Abend hofft sie noch,
dass „die Außenbezirke die richtige Wahl treffen“.
## Wahlempfehlungen der CDU und AfD für Burmester
Als die ersten Ergebnisse über die Handybildschirme in der Festhalle
flimmern, liegt SPD-Kandidat Torsten Burmester mit fast 20 Prozent vorne.
Dennoch bleibt die Stimmung zunächst hoffnungsvoll. „Ich habe mir
angewöhnt, nicht mehr zu scrollen“, sagt Sven Lehmann, direkt gewählter
Bundestagsabgeordneter aus Köln. Denn: Zuerst werden traditionell die
Stimmen aus den Außenbezirken ausgezählt – die Ergebnisse aus der
Innenstadt folgen später. Dort hofft Lehmann auf ein anderes Bild. Auch
andere Parteimitglieder und Unterstützerinnen setzen auf die Stimmen aus
der Innenstadt. Aus den Vierteln, in denen [4][viele Studierende,
Akademiker:innen und Gutverdienende wohnen.]
Zwischenzeitlich holen die Grünen tatsächlich auf, liegen nur ein paar
Prozentpunkte hinter dem SPD-Kandidaten. Doch am Ende bleibt es dabei:
Torsten Burmester gewinnt die Wahl mit 53,5 Prozent der Stimmen, Berivan
Aymaz kommt auf 46,5 Prozent.
„Ich bin traurig“, sagt Süreyya Yükse. „Alle reden von Integration, aber
wenn es ernst wird, will sie keiner wählen.“ Yükse spielt auf die
rassistischen Anfeindungen im Wahlkampf an. Dass es eine Kandidatin mit
Migrationsgeschichte so weit geschafft habe, mache vielen Mut, sagt sie,
aber: „Wir haben doch alle die Stimmen gehört.“
Der knapp ausgeschiedene CDU-Kandidat hatte im Vorfeld der Stichwahl zur
Unterstützung von Torsten Burmester aufgerufen. Ebenso wie die AfD, die vor
allem eine Wahl von Berivan Aymaz verhindern wollte. Burmester selbst hatte
deutlich gemacht, dass er auf die Unterstützung der AfD gern verzichte.
Einige Gäste auf der Wahlparty hatten gehofft, dass gerade die
AfD-Empfehlung Wähler:innen eher in Richtung Aymaz bewegen würde. Andere
sehen in der breiten Unterstützung von CDU bis AfD einen der Gründe für die
Niederlage von Aymaz.
## Gemischte Erfolge am Wahlabend
Nicht nur in Köln, sondern auch [5][in anderen NRW-Großstädten] traten
grüne Kandidat:innen bei den Stichwahlen um das Oberbürgermeisteramt
an. In Düsseldorf konnte CDU-Amtsinhaber Stephan Keller seine Position
verteidigen. Er setzte sich gegen die grüne Herausforderin Clara Gerlach
durch und bleibt weitere fünf Jahre im Amt. Auch in Bonn mussten die Grünen
eine Niederlage einstecken: Dort verlor die bisherige Oberbürgermeisterin
Katja Dörner (Grüne) gegen den CDU-Kandidaten Guido Déus. [6][Einen Erfolg
verbuchten die Grünen dagegen in Münster.] Erstmals stellt die Partei dort
den Oberbürgermeister. Tilman Fuchs setzte sich in der Stichwahl gegen den
CDU-Kandidaten durch.
Erstmals seit fast 80 Jahren wird Dortmund nicht mehr von der SPD regiert.
CDU-Kandidat Alexander Kalouti gewann mit rund 53 Prozent der Stimmen gegen
den amtierenden Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD), der auf 47 Prozent
kam. Seit dem Herbst 1947 hatte durchgängig ein Sozialdemokrat an der
Spitze des Dortmunder Rathauses gestanden.
Die AfD schaffte es in gleich drei Großstädten – Gelsenkirchen, Duisburg
und Hagen – in die Stichwahl. In allen Fällen unterlagen ihre Kandidaten
jedoch deutlich.
28 Sep 2025
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## AUTOREN
DIR Laura Verseck
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