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       # taz.de -- Deutsche Bewerbungen für Olympia: Nur einer kann gewinnen
       
       > Berlin, München, Hamburg und Rhein-Ruhr wollen sich für die Olympischen
       > Sommerspiele bewerben. Und jetzt? Ein Zehnkampf.
       
   IMG Bild: Die Städte Berlin, München, Hamburg oder die Region Rhein-Ruhr? Das ist vorerst Kaffeesatzleserei
       
       Man kann es sportlich sehen. Das passt ja zu Olympia. Am Ende kann es nur
       einen Sieger geben. [1][Für Deutschland ins Rennen gehen München, Berlin,
       Hamburg und die Region Rhein-Ruhr]. Wer gewinnt, hat das Recht, sich beim
       IOC für die Austragung Olympischer Sommerspiele zu bewerben. Das
       Internationale Olympische Komitee hat die Spiele 2028 nach Los Angeles
       vergeben, 2032 wird der Olympiazirkus im australischen Brisbane Station
       machen.
       
       Wie es weitergeht, ist noch offen. Deutschland möchte ins Rennen um die
       Spiele 2036, 2040 oder 2044 einsteigen. Der unter dem Dach des Deutschen
       Olympischen Sportbundes (DOSB) organisierte Sport ist dafür, die
       Regierungsparteien im Bund haben in ihrem Koalitionsvertrag die
       Unterstützung einer deutschen Bewerbung zugesagt. Auch die in den
       Bewerberregionen Regierenden sind im Olympiafieber.
       
       Ob auch die [2][Menschen in den Bewerberstädten vom Olympiavirus infiziert
       sind], wird am 26. Oktober in München ausgetestet. Da soll die
       wahlberechtigte Bevölkerung in einem Bürgerentscheid diese Frage mit Ja
       oder Nein beantworten: „Sind Sie dafür, dass sich die Landeshauptstadt
       München um Olympische und Paralympische Sommerspiele bewirbt, die entweder
       im Jahr 2036, 2040 oder 2044 stattfinden?“
       
       Die Wahlunterlagen sind verschickt, und nicht wenige haben sich über das
       inhaltsarme Werbeblättchen gewundert, das dem
       Wahlbenachrichtigungsschreiben beilag. Darin wird unverhohlen unter dem
       München-Befürworterslogan „OlympiJa“ für die Spiele geworben. „Finanzierung
       aus dem privaten Sektor“, steht da zum Beispiel, ohne dass das weiter
       erläutert wird. Dann wird schon alles gut sein, sollen sich die Wählenden
       wohl denken.
       
       Informationen der Olympiagegner liegen dem Wahlbrief nicht bei. So sei das
       eben bei einem von der Stadt initiierten Ratsbegehren, heißt es aus dem
       Referat für Bildung und Sport der Stadt. Der unterscheide sich von einem
       Bürgerbegehren. Eigentlich geht es nur darum, die ausdrückliche Zustimmung
       der Bürgerinnen und Bürger für einen bereits erfolgten Beschluss des
       Stadtrats zu erhalten.
       
       Ob das klappt? Der bei den Grünen in München für Sport zuständige
       [3][Stadtrat Beppo Brem] kann die Stimmung nicht so recht einschätzen. Der
       Sportfan und nimmermüde Werber für Olympia in München befürchtet, dass die
       Leute in München des stetigen Wachstums in der Stadt müde sein könnten.
       
       Brem gehörte zum Organisationsteam der European Championships, die 2022 in
       München stattgefunden haben. Europameisterschaften im Radsport, Turnen,
       Triathlon, der Leichtathletik, im Rudern, Beachvolleyball und Sportklettern
       waren zu einem Riesenevent zusammengeschraubt worden. In der Stadt ist das
       von Konzerten lokaler Bands im Olympiapark begleitete Event wie ein kleines
       Sommermärchen gefeiert worden und hat umgehend Olympiafantasien befeuert.
       Die mündeten nun in die Olympiapläne, die im Sommer von Oberbürgermeister
       Dieter Reiter und dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder
       vorgestellt worden sind.
       
       ## Nicht mehr als eine Ideensammlung
       
       Mehr als eine Ideensammlung konnte das schnell zusammengeschusterte Konzept
       nicht sein. Ein Olympiastadion gibt es ja seit den Spielen 1972, eine
       Olympiahalle auch, im Park gibt es jede Menge Platz für Stahlrohrtribünen,
       Schwimmen könnte man in der Multifunktionsarena, die vielleicht bei
       Freising entstehen wird, ein neues Tennisstadion wird gerade mit jeder
       Menge Steuergeld von Land und Bund gebaut, die Berge sind nicht weit und
       bieten sich für Radrennen an, und damit alle den schönen Starnberger See
       mal bestaunen können, könnte man da ja die Freiwasserschwimmer zu Wasser
       lassen.
       
       Ob das alles beim IOC und den Sportfachverbänden, die ja auch immer ihre
       ganz eigenen Wünsche haben, durchgehen würde, ist alles andere als gewiss.
       Die Münchner stimmen also über Spiele ab, von denen heute niemand sagen
       kann, wie sie genau aussehen würden, was es kosten würde und wie es
       finanziert werden könnte.
       
       Auch die Pläne der anderen Bewerber sind erst mal nicht viel mehr als
       Ideensammlungen. Das Wort „nachhaltig“ darf darin natürlich nicht fehlen.
       Und alle behaupten, dass eigentlich kaum etwas neu gebaut werden muss für
       das Event. In Hamburg soll zwar ein neues Stadion gebaut werden, aber das
       fließt nicht in die Olympiarechnung mit ein. Es werde eh ein neues Stadion
       gebaut, das könne man dann ja zu den Spielen als Leichtathletikarena
       nutzen, und damit sich der Hamburger SV, für den das Stadion gedacht ist,
       nicht über die stimmungstötende Laufbahn ärgern muss, könnte die dann ja
       wieder entfernt werden. In Köln ist gar ein Olympiastadion angedacht, das
       später zu städtischem Wohnraum umgebaut wird. Das Spielfeld würde dann zur
       Grünanlage.
       
       Das Zauberwort in allen Bewerbungen lautet „temporär“. Arenen werden nicht
       für die Zukunft errichtet, sondern nur für die Zeit der Spiele.
       BMX-Artisten sollen vor Stahlrohrtribünen fahren. Beachvolleyballer werden
       in Einwegstadien vor historischen Kulissen, in München auf der
       Theresienwiese und Berlin vor dem Brandenburger Tor, auf den Sand
       geschickt. Temporär soll auch auf Schalke die Arena zum Schwimmstadion
       werden. Und wenn es sich anbietet, dann weitet sich die Olympiaregion eben.
       Berlin hat gleich fünf weitere Bundesländer in seine Bewerbung aufgenommen.
       So soll etwa in Leipzig gefochten werden, am Beetzsee in Brandenburg
       gerudert und gepaddelt, in Aachen geritten und in Kiel oder Warnemünde
       gesegelt werden.
       
       Berlin geht deshalb als „Berlin+“ ins Rennen. Die Bewerbung der Region
       Rhein-Ruhr ist eh flächig angelegt. Vom traditionellen Pferdesportmekka
       Aachen bis zum Mountainbikerevier in Recklinghausen ist man mit dem Zug
       knappe zweieinhalb Stunden unterwegs.
       
       Die meisten Sportstätten sollen sich in der Nähe eines zentralen
       Olympischen Dorfs befinden. Dieses One-Village-Konzept sei vom IOC
       gewünscht, hat der DOSB den Bewerbern mitgeteilt. Eine ältere Idee des
       Verbands, sich mit den besten Sportstätten aus ganz Deutschland zu
       bewerben, ist deshalb schon länger vom Tisch. Nun gibt es also das Rennen
       der vier Bewerber. Wie es genau entschieden wird, ist ungewiss. Zunächst
       hieß es, der DOSB wolle die Bewerbungen bewerten und die beste dann als
       Kandidat beim IOC in den Wettbewerb schicken. Bei einer außerordentlichen
       Mitgliederversammlung, die im September 2026 geplant ist, hätten die im
       DOSB organisierten Fachverbände die ausgewählte Bewerbung dann nur noch
       durchwinken können.
       
       ## Ein teurer Wahlkampf droht
       
       Nun heißt es, die besten Konzepte sollen zur Abstimmung gestellt werden. Es
       deutet also einiges auf eine Kampfabstimmung hin. Ein teurer Wahlkampf
       droht. Aus Senatsunterlagen in Hamburg lässt sich ablesen, dass für das
       laufende und das kommende Jahr mit knapp 18 Millionen Euro Ausgaben für das
       Bewerberrennen gerechnet wird. Der Bürgerentscheid in München kostet
       inklusive Werbemaßnahme allein schon 6 Millionen Euro.
       
       Sollten die Leute in München mit Ja stimmen, geht das Geldausgeben erst
       richtig los. In Berlin wird man sich schnell fragen, ob die eingeplanten 6
       Millionen Euro Bewerbungskosten reichen werden. Aus NRW gibt es keine
       genauen Zahlen, aber in einem mit 27 Millionen Euro gefüllten Etatposten,
       der eigentlich für Sportstättenbau gedacht ist, findet sich auch der Punkt
       „Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewerbung um die Ausrichtung Olympischer
       und Paralympischer Spiele in Nordrhein-Westfalen“. Wie heißt es noch mal in
       dem Flyer, der den Wahlbriefen in München beiliegt? „Finanzierung aus dem
       privaten Sektor.“
       
       Es wird also jede Menge Steuergeld verbrannt, bis feststeht, wer für
       Deutschland beim IOC ins Rennen geht. Wie die Olympier entscheiden, das
       weiß auch keiner so ganz genau. Statt Abstimmungen in der Vollversammlung
       entscheiden nun Fachgremien. Wirklich transparent ist das nicht. Nicht
       einmal Bewerberbürgermeister Dieter Reiter weiß es: „Ich weiß auch gar
       nicht, ob es ein Punktesystem gibt oder ob da die Hand gehoben wird. Ich
       bin überzeugter Demokrat und hoffe, dass es demokratisch zugeht.“
       
       Ob Deutschland wirklich eine Chance hat? Indien soll Interesse an den
       Spielen haben, auch Katar, Saudi-Arabien sowieso. Es bleibt spannend. Wie
       es sich gehört im Sport.
       
       1. Betonfaktor
       
       Wenn Berlin seinen deutschen Mitbewerbern etwas voraus hat, dann ein
       einsatzbereites Olympiastadion. Auch sonst gibt’s für die Baumafia (SPD)
       wenig zu lachen: große Arenen für Basketball und Volleyball, die Messe für
       Turnen oder Gewichtheben, das Tennisstadion in Grunewald oder die als
       Hockeystadion gedachte Alte Försterei – 90 Prozent der Sportstätten stehen
       bereits. Hinzu sollen vor allem temporäre Anlagen kommen, etwa für
       Beachvolleyball am Brandenburger Tor.
       
       Hamburgs Konzept, die super-nachhaltigsten Spiele aller Zeiten auf die
       Beine zu stellen, ist so einfach wie brilliant: Es gibt zwar kein
       Olympiastadion und für Olympia wird auch keines gebaut – trotzdem wird es
       eines geben. Denn praktischerweise haben die HSV-Fußballer kürzlich
       gemerkt, dass ihr gar noch nicht so altes Volksparkstadion sicher bald
       einsturzgefährdet sein wird und also ein neues Stadion nebenan unumgänglich
       ist. Und das alte Volksparkstadion? Wird für die Schwimmwettbewerbe
       genutzt.
       
       München: Ein Olympiastadion steht, eine Olympiahalle auch und die
       Regattastrecke von 1972 für die Ruderer kann man noch benutzen. Das
       Velodrom von 1972 hat man abgerissen, die Olympiaschwimmhalle ist zu klein
       für heutige Ansprüche. Da muss irgendwas Temporäres her. Praktisch ist
       auch, dass gerade ein neues Tennisstadion gebaut wird. Und vielleicht wird
       endlich das 60ger Stadion modernisiert. Da soll dann Rugby gespielt werden.
       Auch nicht viel anders als Drittligafußball.
       
       Rhein-Ruhr: Ein temporäres Olympiastadion, das nach den Wettkämpfen zu
       einem Wohngebäude mit Park wird – so etwas hat es noch nie gegeben. Sonst
       gibt es genug Sportstätten in NRW. Aber wie soll man bloß mit öffentlichen
       Verkehrsmitteln vom Schwimmen in Gelsenkirchen zum Golfkurs nach Pulheim
       kommen, ohne sich dabei schwarz zu ärgern? Da muss doch noch einiges gebaut
       werden.
       
       2. Provinzhilfe
       
       Berlin ist selbst eine Aneinanderreihung von Dörfern, sodass es externe
       eigentlich gar nicht braucht. Dennoch will man sich mit der
       „Berlin+“-Bewerbung die Spiele teilen mit Leipzig, Aachen, Kiel oder
       Warnemünde und der vollendeten Provinz Brandenburgs. In Frankfurt (Oder)
       soll geschossen werden. Hoffentlich nicht auf Polen.
       
       Es wird das Spiel der kurzen Wege, verspricht Hamburgs Olympia-Bewerbung.
       Im Umkreis von nur sieben Kilometern befinden sich die meisten
       Wettkampfstätten – den Weg vom olympischen Dorf dorthin können die meisten
       Sportler:innen zum lockeren Aufwärmen nutzen. Für die wenigen übrigen
       Olympionik:innen gilt: Kiel zum Segeln ist doch auch schön! Und auch
       Suhl zum Schießen, hmm, wo ist das eigentlich?
       
       München: Zum Freiwasserschwimmen soll es an den Starnberger See gehen. Zum
       Moutainbiken nach Bad Wiessee am Tegernsee. Das ist schön und ermöglicht
       auch einen Blick auf den nichtolympischen Motosport. So viele Sportwagen
       wie in Starnberg und am Tegernseee sieht man sonst nirgends in Deutschland.
       
       Rhein-Ruhr: Markkleeberg nennt sich selbst zwar Große Kreisstadt, ist aber
       mit seinen 25.000 Einwohnern von NRW aus betrachtet nichts weiter als ein
       kleines Kaff irgendwo in Sachsen. Dort sollen die Wildwasserkanuten um
       Medaillen paddeln. Der ortsnahe Hafen am Cospudener See soll auch ganz
       niedlich sein.
       
       3. Riefenstahl-Faktor
       
       100 Jahre nach den Berliner Hitler-Spielen die Wiederholung an selber
       Stelle – im neuen AfD-Deutschland: Was für eine Geschichte. Könnte man fast
       einen Film drüber machen.
       
       Gegen historischen Größenwahn ist das backsteinrote Hamburg selbstredend
       immun.
       
       München: In der Hauptstadt der Bewegung schaut man nur auf das Schöne in
       der Vergangenheit. Von Olympia 1972 wird besonders gerne geschwärmt. Das
       Attentat palästinensischer Terroristen, bei dem elf Mitglieder des
       israelischen Olympiateams getötet wurden, wird in den Werbebroschüren für
       die Spiele natürlich nicht erwähnt.
       
       Rhein-Ruhr: Carl Diem war nach dem Krieg das wissenschaftliche Gesicht der
       Sporthochschule in Köln. Dass er zuvor unter den Nazis eine Art
       Multifuktionär des Sports war, hat lange niemanden gestört. Diem gilt als
       Mitinitiator des olympischen Fackellaufs, der 1936 seine Premiere hatte.
       Die Carl-Diem-Straßen im Land wurden großteils umbenannt. In
       Mönchengladbach gibt es noch eine. Da soll das olympische Hockeyturnier
       stattfinden.
       
       4. Olympisches Dorf
       
       Zwischen der Berliner Messe und Olympiagelände soll das olympische Dorf
       entstehen, geplant von einer landeseigenen Gesellschaft und nachgenutzt als
       bezahlbarer Wohnraum für 2.500 Haushalte. Klingt zu gut, um Berlins
       Stadtentwicklungspolitik zu sein.
       
       Was könnte den olympischen Wahlspruch „Schneller, höher, weiter“ besser
       untermauern als Hamburgs Idee, das Olympische Dorf auf dem Forschungscampus
       des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (DESY) mit seinen unterirdischen
       Teilchenbeschleuniger unterzubringen?
       
       Im teuren München muss man für jede Wohnung dankbar sein, die gebaut wird.
       Auch wenn sie in Daglfing entsteht, wo die Athletenunterkünfte geplant
       sind. Aber könnte man nicht auch bauen, ohne sich gleich Olympische Spiele
       ans Bein zu binden? Falsche Frage.
       
       Rhein-Ruhr: Das olympische Dorf könnte in Köln stehen oder in Essen. So
       genau weiß man das noch nicht. Schon bei der gescheiterten Olympiabewerbung
       für die Spiele 2032 hat man sich überlegt, wo man in Essen die Athleten
       unterbringen könnte. „Auf einer Deckelung der A40“ war die Idee. Essens
       Wahrzeichen einfach verschwinden lassen? Dann vielleicht lieber im
       Plattenbauidyll Chorweiler. Da wollen die Kölner die Athletinnenunterkünfte
       bauen.
       
       5. Urlaubsfaktor
       
       Inzwischen war ja schon jeder mal in Berlin, die Touristenzahlen sinken.
       Wenn sie denn aber kommen wollen, wird es an Hotels und illegalen Airbnbs
       nicht fehlen; selbst einen Flughafen gibt’s. Um innerhalb der Stadt von
       Köpenick nach Spandau zu kommen, heißt es im Bewerbungs-Blabla: „Wir
       stärken Radwege, ÖPNV und Fußverkehr als Umweltverbund“ (lautes Lachen bei
       der Berliner CDU).
       
       Hamburg: Hafenkräne, Alster, Elphi – auch abseits des Sports hat das „Tor
       zur Welt“ natürlich feinsten hanseatischen Flair zu bieten. Und dank des
       Zugangs zu den Weltmeeren einen unschlagbaren Anreise-, Übernachtungs- und
       Abreisevorteil: genügend Anleger für Kreuzfahrtschiffe an der Elbe.
       
       München: Chanel auf der Maximilianstraße, Flaschenbier an der Isar und bei
       Föhn kann man die Berge sehen
       
       Nirgendwo gibt es so viele Autobahnen auf engsten Raum wie an Rhein und
       Ruhr – und jeden Tag Staus, wie man sie andernorts nur von
       Sommerferienanfang kennt. Da müssen einfach Urlaubsgefühle aufkommen.
       
       6. Gastfreundschaft
       
       Berlin: Mach’n Abjang, Flitzpiepe!
       
       Wie kommt die hanseatische Distanziertheit bei den Gästen an? Man weiß es
       nicht – und den stolzen Hamburger:innen ist das im Zweifel auch egal.
       
       München: 3.000 Euro haben zwei Nächte in einem handeslüblichen
       Mittelklassehotel an einer hässlichen Ausfallstraße am Wochenende des
       Champions-League-Finales in diesem Jahr gekostet. Man war dort sicher
       freundlich zu den Gästen.
       
       Im Ruhrgebiet sind die Leute froh, wenn überhaupt mal jemand vorbeikommt.
       Im Rheinland herrscht sowieso Frohsinn. Besser geht’s nun wirklich nicht.
       
       7. Sportsgeist
       
       Berlins Sonderstellung war lange Zeit, die einzige Hauptstadt ohne
       Fußball-Erstligist zu sein. Wiederholung nicht ausgeschlossen. Auch sonst
       hat die Sportmetropole zu kämpfen: Noch weniger Fans als Zweitligist Hertha
       bringt nur die Leichtathletik-Veranstaltung Istaf ins Olympiastadion. Die
       letzte Berliner Sportlegende, Franziska van Almsick, ist inzwischen schon
       Gegenstand historischer Podcasts. Erfolgreich ist zumindest Ostberlin im
       Eishockey – 4 Titel in 5 Jahren. Vielleicht lieber für die Winterspiele
       bewerben?
       
       Was ist das Wichtigste, das man im Sport lernen kann? Mit Niederlagen
       umgehen zu können, daraus zu lernen – und einen neuen Versuch zu wagen.
       Hamburgs olympiabegeisterter rot-grüner Senat ist darin ein Vorbild: 2015
       musste er eine krachende Niederlage beim Referendum für eine
       Olympiabewerbung hinnehmen. Doch liegen bleiben ist keine Option,
       stattdessen: Wieder aufstehen, aus den Fehlern lernen – und einen neuen
       Versuch wagen!
       
       Klar, der FC Bayern kommt aus München. Der spielt weitgehend ohne Münchner
       und Münchnerinnen. Die surfen am Eisbach oder stellen sich im Winter in den
       Stau, um vielleicht noch vor Schließung der Lifte auf der Piste zu sein.
       Wer schon mal gesehen hat, wie schnell die Leute nach Öffnung der Bierzelte
       auf dem Oktoberfest an den Tischen sind, muss glauben, Bayern sei eine
       Sprinternation. Schon schnell.
       
       Rhein und Ruhr: In Köln gibt es die einzige Universität, die sich
       ausschließlich mit den Themen Sport und Bewegung befasst. Und in Aachen
       eine Pferdesportveranstaltung, die alle kennen, die schon mal ein Pferd
       gestriegelt haben. Die wird von Michael Mronz organisiert. Der ist seit
       2023 Mitglied des IOC.
       
       8. Public Relations
       
       „Berlin+ A Celebration of Unity“ lautet das Motto der Berliner
       Bewerbungskampagne im ödesten Sportchinesisch. Das + steht dabei für
       Sachsen und Co (siehe Provinzhilfe). Trostlos. Passt aber zu einem Senat,
       der kein einziges politisches Projekt verfolgt, die Stadt in die
       Provinzialität spart und die eigene Kleingeistigkeit hinterm Licht von
       Großveranstaltungen verbergen will.
       
       „Jeder sagt ‚digga‘ heutzutage; wir packen Hamburg wieder auf die Karte“,
       rappten Gzuz und die Beginner – und da sprechen sie einem Teil der
       Hamburger:innen aus dem Herzen: Tor zur Welt, hallo! Diese weite Welt
       soll sich gefälligst beeindrucken lassen von der Schönheit der Hansestadt.
       Das saufende Umland aus Bargteheide, Pinneberg und Winsen kommt ja schon
       genug reingefahren. Das wird auf Dauer zu provinziell, wissen auch Hamburgs
       Tourismusmanager:innen.
       
       München hat das Hofbräuhaus, den FC Bayern und das Oktoberfest. Es braucht
       endlich ein Stadtmarketing ohne Bier und Trachtenverein. Aber ist das
       überhaupt möglich? Rodelolympiasieger Felix Loch hat neulich die original
       OlympiJa-Tracht eines renommierten Lederhosenschneiders präsentiert. Oh je.
       
       Rhein und Ruhr: Kein Bundesland steht so sehr für Not und Elend wie
       Nordrhein-Westfalen. In Duisburg-Marxloh geben sich Elendsreporter die
       Klinke in die Hand, nach Recklinghausen-Süd traut sich kaum jemand. Hier
       kann PR noch wirklich etwas bewegen. Ob das mit dem Bewerbermotto „The
       Powerhouse of True Sports“ wohl klappt?
       
       9. Protestbereitschaft
       
       Straßenschlachten, Sabotageaktionen und ein Aufklärungsschreiben über die
       Militanzbereitschaft an die Mitglieder des IOC – Anfang der 1990er zeigte
       sich der aktivistische Teil Berlins von seiner besten Seite, um die Spiele
       2000 zu verhindern. Doch von den Autonomen ist nichts mehr übrig, bislang
       bewegt Olympia niemanden, außer den Landessportbund, der eine
       Volksinitiative für die Spiele gestartet hat. Sicherheitshalber verzichtet
       der Senat darauf, das Volk zu befragen.
       
       Keine Sorge, im Mai 2026 wird es in Hamburg ein Referendum geben, um die
       Bewerbung demokratisch zu legitimieren. Außerdem gilt für Olympia, was für
       Olaf Scholz auch vor dem G20-Gipfel vor acht Jahren galt: „Wir richten ja
       auch jährlich den Hafengeburtstag aus.“ Dank eines durchdachten und Protest
       unterdrückenden Sicherheitskonzepts werden sich manche Hamburger:innen
       am Tag danach wundern, dass Olympia schon vorbei ist.
       
       Die Münchner haben schon mal eine Olympiabewerbung niedergestimmt. Die
       Winterspiele 2018 fanden dann in Pyeongchang statt. Sonst hält sich die
       Protestbereitschaft in Grenzen. Nicht mal bei einem Preis von 15 Euro für
       die Mass auf dem Oktoberfest bricht eine Revolution aus.
       
       Eigentlich dachte man, mit den Menschen im Ruhrgebiet kann man alles
       machen, am Ende wählen sie doch SPD. Jetzt ist Alexander Kalouti von der
       CDU zum Oberbürgermeister von Dortmund gewählt worden. Macht sich da gerade
       eine revolutionäre Stimmung breit?
       
       10. Maskottchen
       
       Berlin: Ne Curry uf zwee Beenen.
       
       Hamburg: Ein in die fünf olympischen Ringe eingewickeltes Fischbrötchen.
       
       In München kann man nicht nur Sportstätten von 1972 wiederverwenden, auch
       das Maskottchen. Was er nicht süß, der Dackel Waldi?
       
       Die World University Games, die in diesem Sommer an Rhein und Ruhr
       stattgefunden haben, hatten einen Falken als Maskottchen. Wanda hieß das
       Viech. Schon vergessen? Gar nicht mitgekriegt? Dann kann man ihn doch
       einfach für Olympia recyclen.
       
       15 Oct 2025
       
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   DIR Olympia da, wo die Leistung sitzt: Danke, München!
       
       München will Olympia - gut so! Wie alle wissen, ist Bayern besser als
       Berlin. Es gibt keinen Grund, dass Berlin als Austragungsort im Rennen
       bleibt.
       
   DIR Bewerbung für Olympia: Das Ende einer olympischen Depression
       
       München hat sich deutlich für eine Austragung der Olympischen Spiele
       ausgesprochen. Damit ist die Stadt ein Beispiel, dem andere Städte folgen
       sollten.
       
   DIR Olympiaabstimmung in München: Der Preis des olympischen Zaubers
       
       Olympische Spiele sind ein wahrhaft wunderbares Event für eine Stadt – und
       teuer. Die deutschen Bewerber sollten sich endlich ehrlich machen.
       
   DIR Olympische Sommerspiele 2036-2044: Bewerbung in der Hand der Bayern
       
       Am Sonntag stimmt Konkurrent München über eine Olympia-Austragung ab. Ein
       klares „Ja“ dort dürfte Berlins Chancen deutlich mindern.
       
   DIR Kein Bürgerentscheid über Olympia: Berlin ist basisdemokratisch hinten dran
       
       Während in München, Kiel und Hamburg die örtliche Wählerschaft über eine
       Olympia-Bewerbung abstimmen darf, soll das in Berlin nicht möglich sein.
       
   DIR Deutsche Bewerbungen für Olympia: Olympischer Vierkampf
       
       Gleich vier deutsche Bewerber träumen von der Ausrichtung Olympischer
       Spiele und Investitionen in Infrastruktur. Vergangenen Niederlagen zum
       Trotz.
       
   DIR Deutsche Olympia-Bewerbung: Hamburgs SPD will unbedingt aufs Treppchen
       
       Eine gemeinsame Bewerbung von Hamburg mit Berlin ist vom Tisch. Die SPD
       will an Olympia festhalten – und bringt eine Solo-Bewerbung ins Gespräch.