# taz.de -- Deutsche Bewerbungen für Olympia: Nur einer kann gewinnen
> Berlin, München, Hamburg und Rhein-Ruhr wollen sich für die Olympischen
> Sommerspiele bewerben. Und jetzt? Ein Zehnkampf.
IMG Bild: Die Städte Berlin, München, Hamburg oder die Region Rhein-Ruhr? Das ist vorerst Kaffeesatzleserei
Man kann es sportlich sehen. Das passt ja zu Olympia. Am Ende kann es nur
einen Sieger geben. [1][Für Deutschland ins Rennen gehen München, Berlin,
Hamburg und die Region Rhein-Ruhr]. Wer gewinnt, hat das Recht, sich beim
IOC für die Austragung Olympischer Sommerspiele zu bewerben. Das
Internationale Olympische Komitee hat die Spiele 2028 nach Los Angeles
vergeben, 2032 wird der Olympiazirkus im australischen Brisbane Station
machen.
Wie es weitergeht, ist noch offen. Deutschland möchte ins Rennen um die
Spiele 2036, 2040 oder 2044 einsteigen. Der unter dem Dach des Deutschen
Olympischen Sportbundes (DOSB) organisierte Sport ist dafür, die
Regierungsparteien im Bund haben in ihrem Koalitionsvertrag die
Unterstützung einer deutschen Bewerbung zugesagt. Auch die in den
Bewerberregionen Regierenden sind im Olympiafieber.
Ob auch die [2][Menschen in den Bewerberstädten vom Olympiavirus infiziert
sind], wird am 26. Oktober in München ausgetestet. Da soll die
wahlberechtigte Bevölkerung in einem Bürgerentscheid diese Frage mit Ja
oder Nein beantworten: „Sind Sie dafür, dass sich die Landeshauptstadt
München um Olympische und Paralympische Sommerspiele bewirbt, die entweder
im Jahr 2036, 2040 oder 2044 stattfinden?“
Die Wahlunterlagen sind verschickt, und nicht wenige haben sich über das
inhaltsarme Werbeblättchen gewundert, das dem
Wahlbenachrichtigungsschreiben beilag. Darin wird unverhohlen unter dem
München-Befürworterslogan „OlympiJa“ für die Spiele geworben. „Finanzierung
aus dem privaten Sektor“, steht da zum Beispiel, ohne dass das weiter
erläutert wird. Dann wird schon alles gut sein, sollen sich die Wählenden
wohl denken.
Informationen der Olympiagegner liegen dem Wahlbrief nicht bei. So sei das
eben bei einem von der Stadt initiierten Ratsbegehren, heißt es aus dem
Referat für Bildung und Sport der Stadt. Der unterscheide sich von einem
Bürgerbegehren. Eigentlich geht es nur darum, die ausdrückliche Zustimmung
der Bürgerinnen und Bürger für einen bereits erfolgten Beschluss des
Stadtrats zu erhalten.
Ob das klappt? Der bei den Grünen in München für Sport zuständige
[3][Stadtrat Beppo Brem] kann die Stimmung nicht so recht einschätzen. Der
Sportfan und nimmermüde Werber für Olympia in München befürchtet, dass die
Leute in München des stetigen Wachstums in der Stadt müde sein könnten.
Brem gehörte zum Organisationsteam der European Championships, die 2022 in
München stattgefunden haben. Europameisterschaften im Radsport, Turnen,
Triathlon, der Leichtathletik, im Rudern, Beachvolleyball und Sportklettern
waren zu einem Riesenevent zusammengeschraubt worden. In der Stadt ist das
von Konzerten lokaler Bands im Olympiapark begleitete Event wie ein kleines
Sommermärchen gefeiert worden und hat umgehend Olympiafantasien befeuert.
Die mündeten nun in die Olympiapläne, die im Sommer von Oberbürgermeister
Dieter Reiter und dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder
vorgestellt worden sind.
## Nicht mehr als eine Ideensammlung
Mehr als eine Ideensammlung konnte das schnell zusammengeschusterte Konzept
nicht sein. Ein Olympiastadion gibt es ja seit den Spielen 1972, eine
Olympiahalle auch, im Park gibt es jede Menge Platz für Stahlrohrtribünen,
Schwimmen könnte man in der Multifunktionsarena, die vielleicht bei
Freising entstehen wird, ein neues Tennisstadion wird gerade mit jeder
Menge Steuergeld von Land und Bund gebaut, die Berge sind nicht weit und
bieten sich für Radrennen an, und damit alle den schönen Starnberger See
mal bestaunen können, könnte man da ja die Freiwasserschwimmer zu Wasser
lassen.
Ob das alles beim IOC und den Sportfachverbänden, die ja auch immer ihre
ganz eigenen Wünsche haben, durchgehen würde, ist alles andere als gewiss.
Die Münchner stimmen also über Spiele ab, von denen heute niemand sagen
kann, wie sie genau aussehen würden, was es kosten würde und wie es
finanziert werden könnte.
Auch die Pläne der anderen Bewerber sind erst mal nicht viel mehr als
Ideensammlungen. Das Wort „nachhaltig“ darf darin natürlich nicht fehlen.
Und alle behaupten, dass eigentlich kaum etwas neu gebaut werden muss für
das Event. In Hamburg soll zwar ein neues Stadion gebaut werden, aber das
fließt nicht in die Olympiarechnung mit ein. Es werde eh ein neues Stadion
gebaut, das könne man dann ja zu den Spielen als Leichtathletikarena
nutzen, und damit sich der Hamburger SV, für den das Stadion gedacht ist,
nicht über die stimmungstötende Laufbahn ärgern muss, könnte die dann ja
wieder entfernt werden. In Köln ist gar ein Olympiastadion angedacht, das
später zu städtischem Wohnraum umgebaut wird. Das Spielfeld würde dann zur
Grünanlage.
Das Zauberwort in allen Bewerbungen lautet „temporär“. Arenen werden nicht
für die Zukunft errichtet, sondern nur für die Zeit der Spiele.
BMX-Artisten sollen vor Stahlrohrtribünen fahren. Beachvolleyballer werden
in Einwegstadien vor historischen Kulissen, in München auf der
Theresienwiese und Berlin vor dem Brandenburger Tor, auf den Sand
geschickt. Temporär soll auch auf Schalke die Arena zum Schwimmstadion
werden. Und wenn es sich anbietet, dann weitet sich die Olympiaregion eben.
Berlin hat gleich fünf weitere Bundesländer in seine Bewerbung aufgenommen.
So soll etwa in Leipzig gefochten werden, am Beetzsee in Brandenburg
gerudert und gepaddelt, in Aachen geritten und in Kiel oder Warnemünde
gesegelt werden.
Berlin geht deshalb als „Berlin+“ ins Rennen. Die Bewerbung der Region
Rhein-Ruhr ist eh flächig angelegt. Vom traditionellen Pferdesportmekka
Aachen bis zum Mountainbikerevier in Recklinghausen ist man mit dem Zug
knappe zweieinhalb Stunden unterwegs.
Die meisten Sportstätten sollen sich in der Nähe eines zentralen
Olympischen Dorfs befinden. Dieses One-Village-Konzept sei vom IOC
gewünscht, hat der DOSB den Bewerbern mitgeteilt. Eine ältere Idee des
Verbands, sich mit den besten Sportstätten aus ganz Deutschland zu
bewerben, ist deshalb schon länger vom Tisch. Nun gibt es also das Rennen
der vier Bewerber. Wie es genau entschieden wird, ist ungewiss. Zunächst
hieß es, der DOSB wolle die Bewerbungen bewerten und die beste dann als
Kandidat beim IOC in den Wettbewerb schicken. Bei einer außerordentlichen
Mitgliederversammlung, die im September 2026 geplant ist, hätten die im
DOSB organisierten Fachverbände die ausgewählte Bewerbung dann nur noch
durchwinken können.
## Ein teurer Wahlkampf droht
Nun heißt es, die besten Konzepte sollen zur Abstimmung gestellt werden. Es
deutet also einiges auf eine Kampfabstimmung hin. Ein teurer Wahlkampf
droht. Aus Senatsunterlagen in Hamburg lässt sich ablesen, dass für das
laufende und das kommende Jahr mit knapp 18 Millionen Euro Ausgaben für das
Bewerberrennen gerechnet wird. Der Bürgerentscheid in München kostet
inklusive Werbemaßnahme allein schon 6 Millionen Euro.
Sollten die Leute in München mit Ja stimmen, geht das Geldausgeben erst
richtig los. In Berlin wird man sich schnell fragen, ob die eingeplanten 6
Millionen Euro Bewerbungskosten reichen werden. Aus NRW gibt es keine
genauen Zahlen, aber in einem mit 27 Millionen Euro gefüllten Etatposten,
der eigentlich für Sportstättenbau gedacht ist, findet sich auch der Punkt
„Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewerbung um die Ausrichtung Olympischer
und Paralympischer Spiele in Nordrhein-Westfalen“. Wie heißt es noch mal in
dem Flyer, der den Wahlbriefen in München beiliegt? „Finanzierung aus dem
privaten Sektor.“
Es wird also jede Menge Steuergeld verbrannt, bis feststeht, wer für
Deutschland beim IOC ins Rennen geht. Wie die Olympier entscheiden, das
weiß auch keiner so ganz genau. Statt Abstimmungen in der Vollversammlung
entscheiden nun Fachgremien. Wirklich transparent ist das nicht. Nicht
einmal Bewerberbürgermeister Dieter Reiter weiß es: „Ich weiß auch gar
nicht, ob es ein Punktesystem gibt oder ob da die Hand gehoben wird. Ich
bin überzeugter Demokrat und hoffe, dass es demokratisch zugeht.“
Ob Deutschland wirklich eine Chance hat? Indien soll Interesse an den
Spielen haben, auch Katar, Saudi-Arabien sowieso. Es bleibt spannend. Wie
es sich gehört im Sport.
1. Betonfaktor
Wenn Berlin seinen deutschen Mitbewerbern etwas voraus hat, dann ein
einsatzbereites Olympiastadion. Auch sonst gibt’s für die Baumafia (SPD)
wenig zu lachen: große Arenen für Basketball und Volleyball, die Messe für
Turnen oder Gewichtheben, das Tennisstadion in Grunewald oder die als
Hockeystadion gedachte Alte Försterei – 90 Prozent der Sportstätten stehen
bereits. Hinzu sollen vor allem temporäre Anlagen kommen, etwa für
Beachvolleyball am Brandenburger Tor.
Hamburgs Konzept, die super-nachhaltigsten Spiele aller Zeiten auf die
Beine zu stellen, ist so einfach wie brilliant: Es gibt zwar kein
Olympiastadion und für Olympia wird auch keines gebaut – trotzdem wird es
eines geben. Denn praktischerweise haben die HSV-Fußballer kürzlich
gemerkt, dass ihr gar noch nicht so altes Volksparkstadion sicher bald
einsturzgefährdet sein wird und also ein neues Stadion nebenan unumgänglich
ist. Und das alte Volksparkstadion? Wird für die Schwimmwettbewerbe
genutzt.
München: Ein Olympiastadion steht, eine Olympiahalle auch und die
Regattastrecke von 1972 für die Ruderer kann man noch benutzen. Das
Velodrom von 1972 hat man abgerissen, die Olympiaschwimmhalle ist zu klein
für heutige Ansprüche. Da muss irgendwas Temporäres her. Praktisch ist
auch, dass gerade ein neues Tennisstadion gebaut wird. Und vielleicht wird
endlich das 60ger Stadion modernisiert. Da soll dann Rugby gespielt werden.
Auch nicht viel anders als Drittligafußball.
Rhein-Ruhr: Ein temporäres Olympiastadion, das nach den Wettkämpfen zu
einem Wohngebäude mit Park wird – so etwas hat es noch nie gegeben. Sonst
gibt es genug Sportstätten in NRW. Aber wie soll man bloß mit öffentlichen
Verkehrsmitteln vom Schwimmen in Gelsenkirchen zum Golfkurs nach Pulheim
kommen, ohne sich dabei schwarz zu ärgern? Da muss doch noch einiges gebaut
werden.
2. Provinzhilfe
Berlin ist selbst eine Aneinanderreihung von Dörfern, sodass es externe
eigentlich gar nicht braucht. Dennoch will man sich mit der
„Berlin+“-Bewerbung die Spiele teilen mit Leipzig, Aachen, Kiel oder
Warnemünde und der vollendeten Provinz Brandenburgs. In Frankfurt (Oder)
soll geschossen werden. Hoffentlich nicht auf Polen.
Es wird das Spiel der kurzen Wege, verspricht Hamburgs Olympia-Bewerbung.
Im Umkreis von nur sieben Kilometern befinden sich die meisten
Wettkampfstätten – den Weg vom olympischen Dorf dorthin können die meisten
Sportler:innen zum lockeren Aufwärmen nutzen. Für die wenigen übrigen
Olympionik:innen gilt: Kiel zum Segeln ist doch auch schön! Und auch
Suhl zum Schießen, hmm, wo ist das eigentlich?
München: Zum Freiwasserschwimmen soll es an den Starnberger See gehen. Zum
Moutainbiken nach Bad Wiessee am Tegernsee. Das ist schön und ermöglicht
auch einen Blick auf den nichtolympischen Motosport. So viele Sportwagen
wie in Starnberg und am Tegernseee sieht man sonst nirgends in Deutschland.
Rhein-Ruhr: Markkleeberg nennt sich selbst zwar Große Kreisstadt, ist aber
mit seinen 25.000 Einwohnern von NRW aus betrachtet nichts weiter als ein
kleines Kaff irgendwo in Sachsen. Dort sollen die Wildwasserkanuten um
Medaillen paddeln. Der ortsnahe Hafen am Cospudener See soll auch ganz
niedlich sein.
3. Riefenstahl-Faktor
100 Jahre nach den Berliner Hitler-Spielen die Wiederholung an selber
Stelle – im neuen AfD-Deutschland: Was für eine Geschichte. Könnte man fast
einen Film drüber machen.
Gegen historischen Größenwahn ist das backsteinrote Hamburg selbstredend
immun.
München: In der Hauptstadt der Bewegung schaut man nur auf das Schöne in
der Vergangenheit. Von Olympia 1972 wird besonders gerne geschwärmt. Das
Attentat palästinensischer Terroristen, bei dem elf Mitglieder des
israelischen Olympiateams getötet wurden, wird in den Werbebroschüren für
die Spiele natürlich nicht erwähnt.
Rhein-Ruhr: Carl Diem war nach dem Krieg das wissenschaftliche Gesicht der
Sporthochschule in Köln. Dass er zuvor unter den Nazis eine Art
Multifuktionär des Sports war, hat lange niemanden gestört. Diem gilt als
Mitinitiator des olympischen Fackellaufs, der 1936 seine Premiere hatte.
Die Carl-Diem-Straßen im Land wurden großteils umbenannt. In
Mönchengladbach gibt es noch eine. Da soll das olympische Hockeyturnier
stattfinden.
4. Olympisches Dorf
Zwischen der Berliner Messe und Olympiagelände soll das olympische Dorf
entstehen, geplant von einer landeseigenen Gesellschaft und nachgenutzt als
bezahlbarer Wohnraum für 2.500 Haushalte. Klingt zu gut, um Berlins
Stadtentwicklungspolitik zu sein.
Was könnte den olympischen Wahlspruch „Schneller, höher, weiter“ besser
untermauern als Hamburgs Idee, das Olympische Dorf auf dem Forschungscampus
des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (DESY) mit seinen unterirdischen
Teilchenbeschleuniger unterzubringen?
Im teuren München muss man für jede Wohnung dankbar sein, die gebaut wird.
Auch wenn sie in Daglfing entsteht, wo die Athletenunterkünfte geplant
sind. Aber könnte man nicht auch bauen, ohne sich gleich Olympische Spiele
ans Bein zu binden? Falsche Frage.
Rhein-Ruhr: Das olympische Dorf könnte in Köln stehen oder in Essen. So
genau weiß man das noch nicht. Schon bei der gescheiterten Olympiabewerbung
für die Spiele 2032 hat man sich überlegt, wo man in Essen die Athleten
unterbringen könnte. „Auf einer Deckelung der A40“ war die Idee. Essens
Wahrzeichen einfach verschwinden lassen? Dann vielleicht lieber im
Plattenbauidyll Chorweiler. Da wollen die Kölner die Athletinnenunterkünfte
bauen.
5. Urlaubsfaktor
Inzwischen war ja schon jeder mal in Berlin, die Touristenzahlen sinken.
Wenn sie denn aber kommen wollen, wird es an Hotels und illegalen Airbnbs
nicht fehlen; selbst einen Flughafen gibt’s. Um innerhalb der Stadt von
Köpenick nach Spandau zu kommen, heißt es im Bewerbungs-Blabla: „Wir
stärken Radwege, ÖPNV und Fußverkehr als Umweltverbund“ (lautes Lachen bei
der Berliner CDU).
Hamburg: Hafenkräne, Alster, Elphi – auch abseits des Sports hat das „Tor
zur Welt“ natürlich feinsten hanseatischen Flair zu bieten. Und dank des
Zugangs zu den Weltmeeren einen unschlagbaren Anreise-, Übernachtungs- und
Abreisevorteil: genügend Anleger für Kreuzfahrtschiffe an der Elbe.
München: Chanel auf der Maximilianstraße, Flaschenbier an der Isar und bei
Föhn kann man die Berge sehen
Nirgendwo gibt es so viele Autobahnen auf engsten Raum wie an Rhein und
Ruhr – und jeden Tag Staus, wie man sie andernorts nur von
Sommerferienanfang kennt. Da müssen einfach Urlaubsgefühle aufkommen.
6. Gastfreundschaft
Berlin: Mach’n Abjang, Flitzpiepe!
Wie kommt die hanseatische Distanziertheit bei den Gästen an? Man weiß es
nicht – und den stolzen Hamburger:innen ist das im Zweifel auch egal.
München: 3.000 Euro haben zwei Nächte in einem handeslüblichen
Mittelklassehotel an einer hässlichen Ausfallstraße am Wochenende des
Champions-League-Finales in diesem Jahr gekostet. Man war dort sicher
freundlich zu den Gästen.
Im Ruhrgebiet sind die Leute froh, wenn überhaupt mal jemand vorbeikommt.
Im Rheinland herrscht sowieso Frohsinn. Besser geht’s nun wirklich nicht.
7. Sportsgeist
Berlins Sonderstellung war lange Zeit, die einzige Hauptstadt ohne
Fußball-Erstligist zu sein. Wiederholung nicht ausgeschlossen. Auch sonst
hat die Sportmetropole zu kämpfen: Noch weniger Fans als Zweitligist Hertha
bringt nur die Leichtathletik-Veranstaltung Istaf ins Olympiastadion. Die
letzte Berliner Sportlegende, Franziska van Almsick, ist inzwischen schon
Gegenstand historischer Podcasts. Erfolgreich ist zumindest Ostberlin im
Eishockey – 4 Titel in 5 Jahren. Vielleicht lieber für die Winterspiele
bewerben?
Was ist das Wichtigste, das man im Sport lernen kann? Mit Niederlagen
umgehen zu können, daraus zu lernen – und einen neuen Versuch zu wagen.
Hamburgs olympiabegeisterter rot-grüner Senat ist darin ein Vorbild: 2015
musste er eine krachende Niederlage beim Referendum für eine
Olympiabewerbung hinnehmen. Doch liegen bleiben ist keine Option,
stattdessen: Wieder aufstehen, aus den Fehlern lernen – und einen neuen
Versuch wagen!
Klar, der FC Bayern kommt aus München. Der spielt weitgehend ohne Münchner
und Münchnerinnen. Die surfen am Eisbach oder stellen sich im Winter in den
Stau, um vielleicht noch vor Schließung der Lifte auf der Piste zu sein.
Wer schon mal gesehen hat, wie schnell die Leute nach Öffnung der Bierzelte
auf dem Oktoberfest an den Tischen sind, muss glauben, Bayern sei eine
Sprinternation. Schon schnell.
Rhein und Ruhr: In Köln gibt es die einzige Universität, die sich
ausschließlich mit den Themen Sport und Bewegung befasst. Und in Aachen
eine Pferdesportveranstaltung, die alle kennen, die schon mal ein Pferd
gestriegelt haben. Die wird von Michael Mronz organisiert. Der ist seit
2023 Mitglied des IOC.
8. Public Relations
„Berlin+ A Celebration of Unity“ lautet das Motto der Berliner
Bewerbungskampagne im ödesten Sportchinesisch. Das + steht dabei für
Sachsen und Co (siehe Provinzhilfe). Trostlos. Passt aber zu einem Senat,
der kein einziges politisches Projekt verfolgt, die Stadt in die
Provinzialität spart und die eigene Kleingeistigkeit hinterm Licht von
Großveranstaltungen verbergen will.
„Jeder sagt ‚digga‘ heutzutage; wir packen Hamburg wieder auf die Karte“,
rappten Gzuz und die Beginner – und da sprechen sie einem Teil der
Hamburger:innen aus dem Herzen: Tor zur Welt, hallo! Diese weite Welt
soll sich gefälligst beeindrucken lassen von der Schönheit der Hansestadt.
Das saufende Umland aus Bargteheide, Pinneberg und Winsen kommt ja schon
genug reingefahren. Das wird auf Dauer zu provinziell, wissen auch Hamburgs
Tourismusmanager:innen.
München hat das Hofbräuhaus, den FC Bayern und das Oktoberfest. Es braucht
endlich ein Stadtmarketing ohne Bier und Trachtenverein. Aber ist das
überhaupt möglich? Rodelolympiasieger Felix Loch hat neulich die original
OlympiJa-Tracht eines renommierten Lederhosenschneiders präsentiert. Oh je.
Rhein und Ruhr: Kein Bundesland steht so sehr für Not und Elend wie
Nordrhein-Westfalen. In Duisburg-Marxloh geben sich Elendsreporter die
Klinke in die Hand, nach Recklinghausen-Süd traut sich kaum jemand. Hier
kann PR noch wirklich etwas bewegen. Ob das mit dem Bewerbermotto „The
Powerhouse of True Sports“ wohl klappt?
9. Protestbereitschaft
Straßenschlachten, Sabotageaktionen und ein Aufklärungsschreiben über die
Militanzbereitschaft an die Mitglieder des IOC – Anfang der 1990er zeigte
sich der aktivistische Teil Berlins von seiner besten Seite, um die Spiele
2000 zu verhindern. Doch von den Autonomen ist nichts mehr übrig, bislang
bewegt Olympia niemanden, außer den Landessportbund, der eine
Volksinitiative für die Spiele gestartet hat. Sicherheitshalber verzichtet
der Senat darauf, das Volk zu befragen.
Keine Sorge, im Mai 2026 wird es in Hamburg ein Referendum geben, um die
Bewerbung demokratisch zu legitimieren. Außerdem gilt für Olympia, was für
Olaf Scholz auch vor dem G20-Gipfel vor acht Jahren galt: „Wir richten ja
auch jährlich den Hafengeburtstag aus.“ Dank eines durchdachten und Protest
unterdrückenden Sicherheitskonzepts werden sich manche Hamburger:innen
am Tag danach wundern, dass Olympia schon vorbei ist.
Die Münchner haben schon mal eine Olympiabewerbung niedergestimmt. Die
Winterspiele 2018 fanden dann in Pyeongchang statt. Sonst hält sich die
Protestbereitschaft in Grenzen. Nicht mal bei einem Preis von 15 Euro für
die Mass auf dem Oktoberfest bricht eine Revolution aus.
Eigentlich dachte man, mit den Menschen im Ruhrgebiet kann man alles
machen, am Ende wählen sie doch SPD. Jetzt ist Alexander Kalouti von der
CDU zum Oberbürgermeister von Dortmund gewählt worden. Macht sich da gerade
eine revolutionäre Stimmung breit?
10. Maskottchen
Berlin: Ne Curry uf zwee Beenen.
Hamburg: Ein in die fünf olympischen Ringe eingewickeltes Fischbrötchen.
In München kann man nicht nur Sportstätten von 1972 wiederverwenden, auch
das Maskottchen. Was er nicht süß, der Dackel Waldi?
Die World University Games, die in diesem Sommer an Rhein und Ruhr
stattgefunden haben, hatten einen Falken als Maskottchen. Wanda hieß das
Viech. Schon vergessen? Gar nicht mitgekriegt? Dann kann man ihn doch
einfach für Olympia recyclen.
15 Oct 2025
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