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       # taz.de -- Die Wahrheit: Das Irland von Asien
       
       > Eine grüne Insel vs. sehr, sehr, sehr viele grüne Inseln: Eine kleine
       > Wahrheit-Battle zwischen Irland und den Philippinen, unserem Staat der
       > Woche.
       
       Dass sie schreiben können, verdanken die Filipinos den Iren. Missionare von
       der Grünen Insel haben es ihnen beigebracht. Bei der Gelegenheit haben sie
       ihnen auch den Katholizismus eingebläut. Sowohl die Philippinen als auch
       Irland waren jahrhundertelang kolonisiert – die einen 333 Jahre lang von
       Spanien, bis sie für 20 Millionen Dollar an die USA verkauft wurden und
       erst 1946 die Unabhängigkeit erlangten; die anderen sind zum Teil bis heute
       von England besetzt. Und weil beide Länder außerdem eine Geschichte der
       Massenauswanderung haben, gelten die Philippinen als das Irland Asiens.
       
       1984 nahmen beide Länder diplomatische Beziehungen auf. Die irische
       Regierung wollte dadurch das Wohlergehen der Missionare auf den Philippinen
       sichern. Irland unterhält eine Botschaft in Manila. Die Philippinen hatten
       einst auch eine Botschaft in Dublin. Sie wurde 2009 eröffnet, musste aber
       aus finanziellen Gründen nach drei Jahren dichtmachen. Seitdem kümmert sich
       der philippinische Botschafter in London um seine Landsleute in Irland.
       
       So weit zu den Gemeinsamkeiten. Ansonsten scheinen die Beziehungen recht
       einseitig. Filipinos sind überwiegend Wanderarbeiter im Gesundheitswesen,
       und Irland begann Anfang des Jahrtausends, philippinische Pflegekräfte
       abzuwerben. Waren es nur 500 Filipinos im Jahr 1999, so leben heute fast
       20.000 auf der Grünen Insel. Allerdings verdienen sie 30 Prozent weniger
       als ihre irischen Kollegen, weil sie horrende Gebühren für die
       Arbeitserlaubnis berappen müssen.
       
       Die Filipinos bilden in Irland die größte Bevölkerungsgruppe aus einem
       südostasiatischen Land. Umgekehrt leben gerade mal ein paar Hundert Iren
       auf den Philippinen. Da die aber – wie überall auf der Welt – eine große
       Klappe haben und gerne Feste feiern, sobald sich eine Gelegenheit bietet,
       wird der irische Nationalfeiertag, der St. Patrick’s Day, am 17. März in
       Manila und anderen philippinischen Städten ausgiebig mit Musik und Alkohol
       begangen. Kein Ire weiß hingegen, dass der philippinische Nationalfeiertag
       am 12. Juni gefeiert wird.
       
       ## A bit of
       
       Wegen der ständigen Partylaune der Iren ist ihre traditionelle Musik auf
       den Philippinen recht verbreitet, aber in Irland kennt niemand die
       Philippine Traditional Band. Die Dubliner Popkapelle U2 hat die Philippinen
       2019 heimgesucht, aber das philippinische Äquivalent, die Eraserheads, ist
       noch nie in Irland aufgetreten.
       
       Und in Manila gibt es einen Sportverein, der Irlands traditionelle
       Sportarten Hurling und Gaelic Football pflegt, während sich auf der Grünen
       Insel niemand um die nationale philippinische Kampfsportart Arnis, um das
       Kickspiel Sipa, den Blechdosenvölkerball Tumbang Preso oder das
       Wettklettern an der Fettstange Palosébo schert.
       
       Vermutlich gelten die Philippinen deshalb als das Irland Südostasiens, aber
       Irland nicht als die Philippinen Europas.
       
       13 Oct 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
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