# taz.de -- Protest in Hamburger Unterkunft: Kritische Geflüchtete vor die Tür gesetzt
> Bewohner einer Erstaufnahmeeinrichtung sind Sonntagabend aus der
> Unterkunft geworfen worden. Zuvor hatten sie gegen die Zustände im Camp
> protestiert.
IMG Bild: Drinnen so karg wie es aus der Luft aussieht: Unterkunft mit Zelten auf dem Parkplatz in Hamburg-Harburg
Hamburg taz | Ahmad Alhussein ist übermüdet. Das hört man am Telefon. Der
25-Jährige hat die letzte Nacht auf einem Gehweg verbracht, an einen Zaun
der Erstaufnahmeeinrichtung (EA) „Neuland“ in der Schlachthofstraße in
Hamburg-Harburg gelehnt – und nicht geschlafen. „Zuerst ging es, aber von
drei bis acht Uhr war es sehr, sehr kalt“, sagt Alhussein.
Notdürftig mit Jacken und dünnen Decken zugedeckt, das sieht man auf Videos
und Fotos, war er die ganze Nacht draußen, zusammen mit 14 weiteren
Bewohnern der Geflüchtetenunterkunft. Sie alle hatte ein Mitarbeiter des in
der Unterkunft eingesetzten Sicherheitsdienstes Elb Security am späten
Sonntagabend nach und nach mit Verweis auf das Hausrecht der Unterkunft
verwiesen.
Die [1][Unterkunft, ein ehemaliger Großmarkt, liegt in einem abgelegenen
Industriegebiet]. Beim Verweis aus der Unterkunft unterstützte die Polizei,
die der Security-Mitarbeiter gerufen hatte und die für einige Stunden mit
mehr als einem Dutzend Streifenwagen, Beamt*innen der Bundespolizei und
Hunden vor Ort war.
Zuvor, am Sonntagnachmittag, hatten einige der betroffenen Männer an einer
[2][Kundgebung „für menschenwürdige Lebensbedingungen“] in und vor der
Unterkunft teilgenommen, zu der insgesamt rund 200 Bewohnende kamen. Über
ein offenes Mikrofon hatten sie Zustände im Camp kritisiert, kaputte
Heizungen, mangelnde Hygiene und unter anderem auch den Umgang des
Security-Mitarbeiters, dem Bewohner*innen schon länger
[3][Machtmissbrauch und Rassismus] vorwerfen.
Ahmad Alhussein war auch bei der Kundgebung. Warum er später am Abend, als
die schon lange beendet war, rausgeschmissen wurde, kann er sich nicht
erklären. Er habe abends in der Unterkunft etwas für einen Freund
übersetzt, erzählt er. Der Security-Mitarbeiter habe ihn dabei plötzlich
aufgefordert, ihm seine ID-Karte zu geben und die Unterkunft zu verlassen,
für 20 Stunden. „Das ist nicht mein Problem“, habe er auf
Erklärungsversuche Alhusseins geantwortet.
Ähnliches berichten die anderen Betroffenen. Einer habe sein Handy laden
wollen, einer eine Zigarette rauchen und einer den bereits
rausgeschmissenen Bewohnenden vor der Tür Zucker für ihren Tee bringen
wollen, als der Security-Mitarbeiter sie ab 22 Uhr nacheinander ebenfalls
der Unterkunft verwies. Einige Bewohner*innen hätten in Anknüpfung an
die nachmittägliche Kundgebung „stillen und friedlichen Protest aus ihren
Zimmern heraus“ geäußert, schreiben Bewohner*innen des Camps in einem
am Montagmittag veröffentlichten Statement auf Deutsch, Englisch und
Arabisch.
## Rausschmiss wegen Teilnahme an kritischer Kundgebung?
Der Security-Mitarbeiter argumentierte, dass sie gegen das Hausrecht, das
eine Nachtruhe vorsieht, verstoßen hätten und rief die Polizei. Den
Polizist*innen gegenüber behauptete er, dass Bewohnende ihn angegriffen
und mit Gegenständen beworfen hätten.
Dieser Darstellung widersprechen die Bewohner*innen der Unterkunft
deutlich. „Wir weisen diese Anschuldigungen entschieden zurück. Es gab
keine Gewalt von unserer Seite“, schreiben sie in ihrem Statement. Die
Polizei schreibt auf taz-Anfrage, dass die eingesetzten Beamt*innen
weder Straftaten noch verletzte Personen feststellen konnten.
Tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass Bewohner*innen der
Erstaufnahmeeinrichtung in Hamburg-Harburg mit Verweis auf das Hausrecht
der Unterkunft verwiesen wurden, berichtet ein*e Unterstützer*in der
taz. Allerdings seien davon in der Vergangenheit nur einzelne Personen
betroffen gewesen, nie mehrere auf einmal und nie in direktem zeitlichem
Zusammenhang mit einer kritischen Kundgebung.
Einen ähnlichen Vorfall gab es 2022 in einer anderen Hamburger Unterkunft,
aus der drei Frauen nachts verwiesen wurden, die die Nacht im Park
verbringen mussten.
Menschen, die [4][in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht] sind, dürfen
ihren Wohnort zumeist nicht frei wählen und müssen sich regelmäßig in ihrer
Unterkunft melden. Wie kann es da sein, dass eine Unterkunft Menschen, die
verpflichtet sind, da zu schlafen, über Nacht hinausschmeißt?
## Rauswurf war „unverhältnismäßig“
Joschka Selinger, Experte für Versammlungsrecht bei der Gesellschaft für
Freiheitsrechte (GFF) schätzt den Rauswurf aus der Unterkunft als eindeutig
unverhältnismäßig ein. „Menschen, die das Hausrecht in einer staatlichen
Einrichtung ausüben, müssen immer das mildeste Mittel wählen“, sagt
Selinger. Sofern es wirklich keine andere Lösung gegeben hätte, als
Menschen hinauszuwerfen, hätte den Betroffenen zumindest eine
Ersatzunterkunft zugewiesen werden müssen.
Zudem sei der Rausschmiss versammlungsrechtlich problematisch, wenn die
Ruhestörung damit begründet wurde, dass Menschen den Protest auch am Abend
in der Unterkunft fortsetzten. „Versammlungen dürfen laut sein und auch
stören.“
Der Träger Fördern & Wohnen schreibt auf taz-Anfrage, niemand hätte die
Nacht im Freien verbringen müssen. Es sei lediglich gegen einige Bewohnende
ein „temporäres Hausverbot“ verhängt worden. „Zum Übernachten durften alle
Personen wieder hereinkommen. Einige lehnten dies jedoch ab.“ Auf ein
Fehlverhalten des Security-Mitarbeiters deute zudem nichts hin.
Die Bewohner*innen in der Unterkunft in der Schlachthofstraße haben nur
einen Tag nach dem Vorfall [5][einen Instagram-Account eröffnet]. Sie
fordern die Untersuchung des Vorfalls, die Schließung des Camps sowie
„Respekt für unsere Menschenwürde und Zugang zu Wohnraum“.
Hinweis: In einer vorherigen Version stand im Zitat des Trägers Fördern &
Wohnen, es sei „in der Nacht“ ein temporäres Hausverbot ausgesprochen
worden. Das hat der Träger so nicht geschrieben, weswegen wir das Zitat
korrigiert haben.
13 Oct 2025
## LINKS
DIR [1] /Protest-in-Hamburger-Unterkunft/!6065227
DIR [2] https://www.instagram.com/p/DPuHgDqgLQ0/
DIR [3] /Wachpersonal-in-Gefluechtetenunterkunft/!5595464
DIR [4] /Unterbringung-von-Gefluechteten/!t5223780
DIR [5] https://www.instagram.com/abolish_camp_schlachthofstr/
## AUTOREN
DIR Amira Klute
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