URI: 
       # taz.de -- „Die drei Rätsel“ an der Deutschen Oper: Es rumpelt am Himmel und im Bauch
       
       > Die Deutsche Oper beginnt die Spielzeit mit einer Märchenoper. Kinder
       > sind darin nicht nur die Helden, sondern spielen auch im Orchestergraben
       > mit.
       
   IMG Bild: Mordlüstern ist der Hofstaat und freut sich auf eine neue Hinrichtung, hier haben sie Lassos Freund Galgenvogel in der Mangel
       
       Schon das erste Bild verspricht: Es wird viel los sein in dieser Oper auf
       der Bühne. Erwachsene und Kinder drängeln sich zwischen Wänden aus
       Weinkisten in einer Kneipe. Das große Wort führt ein Junge, Lasso (Emil
       Vandersee), ein Schelm in gestreiften Hosen. Ein Dieb sei er, ein
       Falschspieler, und das Rathaus habe er auch angepinkelt, empören sich die
       Männer. Er aber gibt den Unbekümmerten und malt sich eine Karriere als
       Gauner, Trinker und Tagedieb aus.
       
       So beginnt in der Deutschen Oper Berlin „Die drei Rätsel“. Kinder spielen
       nicht nur die Hauptrollen von zwei Heranwachsenden, dem armen Wirtshaussohn
       Lasso und der Prinzessin Scharada, die in einer schwer durchschaubaren Welt
       voller Boshaftigkeit, Eigennutz und Intrigen ihren Weg finden müssen.
       
       Kinder und Jugendliche bilden auch einen Teil der Chöre und spielen mit
       Profis zusammen im Orchester. Ein ungewöhnliches Projekt, mit dem die
       [1][Deutsche Oper] in die Spielzeit startet.
       
       Geschrieben hat der Komponist [2][Detlev Glanert] die Oper für eine
       Musikwerkstatt in Montepulciano, in Italien: mit dem direkten Ziel, Profis
       und Amateure, Kinder und Jugendliche in die Produktion einzubinden. Der
       Musik stellen sich damit verschiedene Herausforderungen, für Kinder
       spielbare Partien einzubeziehen, Dissonanzen und Atonalität mit Harmonien
       zu verbinden, kompliziertere Takt- und Rhythmuswechsel den erfahreneren
       Musiker:innen anzuvertrauen.
       
       Und vor allem: Die Kinder im Orchestergraben dürfen sich nicht langweilen
       in den zwei Stunden der Aufführung, resümiert Glanert im Programmheft.
       
       Libretto aus altem Märchen 
       
       Keine Langeweile, dafür sorgt auch das Libretto von Carlo Pasquini, das auf
       ein altes Märchen zurückgreift. Zum einen durch die häufigen Wechsel
       zwischen Dialogen, Arien, Duetten und Chören, zum anderen durch die
       lustigen Texte, die man mitlesen kann, wo das Hörverständnis nicht reicht.
       
       Schimpfkanonaden und Wortkaskaden des Unsinns gehören da ebenso zu wie
       übertriebene Absurditäten und Grausamkeiten: Rattengift im Kuchen, den die
       Mutter ihrem Sohn Lasso mitgibt. Räuber, die ihn morden wollen, aber sich
       zuvor mit dem Fleisch des Wildschweins vergiften, das Lasso den Kuchen
       gestohlen hat. Da treibt die Musik die Schicksalsschläge voran, aus der
       lustigen Jagd wird Bitterkeit.
       
       Hinter einem Vorhang aus Lichterketten singt ein Chor voller Mitgefühl mit
       dem Kind, das eben noch voller Eigenmächtigkeit und Tatendrang nun seine
       Verlassenheit beklagt. Dieser Chor schafft Momente des Innehaltens in der
       ansonsten rasanten Nummernoper.
       
       Das Tolldreiste und eine Melancholie, die der Welt und den Menschen nicht
       viel Gutes zutraut, begegnen sich in den musikalischen Stimmungen immer
       wieder. Am Hof von Prinzessin Scharada herrscht die Intrige, um die alte
       Macht festzuhalten, die eine Heirat der Prinzessin gefährden könnte.
       
       Unlösbare Rätsel 
       
       Jeder Bewerber um ihre Hand muss drei Rätsel mitbringen, und wenn sie sie
       lösen kann, dann wird er geköpft – ein Spektakel, das der ganze Hof liebt.
       Viele Köpfe baumeln schon vor der Schlossmauer, als Lasso dort ankommt. Er
       schafft die Sache mit den unlösbaren Rätseln, aber auch noch mehr: Scharada
       mit seinem Witz und seinem Mitgefühl aus dem Gefängnis der Gefühlskälte zu
       befreien, in das der Hof sie eingeschlossen hat.
       
       Die Inszenierung der Regisseurin Brigitte Dethier und die Kostüme von
       Carolin Mittler charakterisieren die Figuren ratzfatz, da bleibt kein
       Zweifel. Das Kleid der Hofdame Knochen ist um die Knöchel so eng, dass sie
       nur mit Tippelschritten gehen kann, bedrohlich schwanken ihr Haarturm und
       ihre Sopranstimme (Alexandra Oomens) sticht wie ein Speer in die Luft.
       
       Der König Zephalus hat stets ein Spießchen in der Hand und sucht im
       entscheidenden dramatischen Moment das Klo. Es rumpelt in seinen Gedärmen,
       und bald kommt auch ein Gewitter – unbedingt notwendig, damit Lasso und
       Scharada die Flucht gelingen kann.
       
       Auf der Bühne sind die Chöre nach Größe gestaffelt und es hat seinen
       eigenen Witz, wenn der erste Rat von Sternendeutern und Gelehrten, den
       Scharada zur Rätsellösung hinzuzieht, deutlich kleiner als die zwölfjährige
       Darstellerin (Milla Luisa Dell’Anna) der Heldin ist.
       
       Wenn dann nach dem Schlussapplaus auch das Orchester auf die Bühne kommt,
       mit großen und kleinen Musiker:innen, ist das nochmal ein besonderer Moment
       des Staunens – das funktioniert also tatsächlich, das Zusammenspiel von
       Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Zumindest in der Aufführung der
       Oper, die damit ihrer gruseligen Geschichte als Utopie gegenübersteht.
       
       13 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Lash-an-der-Deutschen-Oper-Berlin/!6092822
   DIR [2] /Die-Liebe-ein-Traum/!5988795&s=Detlev+Glanert&SuchRahmen=Print/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katrin Bettina Müller
       
       ## TAGS
       
   DIR Deutsche Oper
   DIR Oper
   DIR Märchen
   DIR Kinder
   DIR Oper
   DIR Philharmonie
   DIR Schaubühne Berlin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Neuer Intendant der Oper in Hamburg: Die entscheidende Gabe
       
       Tobias Kratzer ist neuer Intendant an der Staatsoper Hamburg. Er beginnt
       mit einem mutigen Zugriff auf Robert Schumanns „Das Paradies und die Peri“.
       
   DIR Oper von 1929 beim Musikfest Berlin: Multimediales Gesamtkunstwerk im Bauhaus-Geist
       
       Vor fast 100 Jahren wurde sie geschrieben. Nun wurde Marc Blitzsteins
       kubistische Oper „Parabola et circula“ endlich in der Philharmonie
       uraufgeführt.
       
   DIR Premiere der Komischen Oper Berlin: Jesus, der hochwertige Crowdpleaser
       
       Andrew Lloyd Webbers Rockoper „Jesus Christ Superstar“ wird in einem Hangar
       des ehemaligen Flughafens Tempelhof inszeniert und trifft damit den Ton.