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       # taz.de -- Religiöses Rap-Konzert: Mit Jesus im Moshpit
       
       > Die O’Bros rappen über Gott und Glaube. Damit sind sie auf Platz 1 der
       > Album-Charts gelandet. Was ist da los? Ein Besuch beim Tourauftakt.
       
   IMG Bild: 1.500 erleuchtete Fans: Live-Konzert der O’Bros im Lokschuppen Bielefeld
       
       Bielefeld taz | Eugenia sagt, Gott habe schon zu ihr gesprochen. Als sie
       anfing, die O’Bros zu hören, lag sie im Krankenhaus. Mit mehreren
       Schlaganfällen und einer Sepsis während Corona, also allein. Sie hörte
       Musik, um sich abzulenken, und die Lieder der O’Bros habe sie damals „bis
       zu den Löchern“ durch gehört. Hoffnung und Zuversicht, gar Gott selbst habe
       durch sie so heftig zu ihr gesprochen, dass sie neue Kraft schöpfte, sich
       durchzukämpfen. So erzählt sie es.
       
       Und sie habe in dieser Zeit auch einen Traum gehabt. „Gott persönlich hat
       mir darin zugesprochen, dass ich leben werde, obwohl die Diagnosen der
       Ärzte nicht danach aussahen.“ Es sei ihr Auftrag, das zu erzählen und
       anderen Menschen Mut zu machen. Sie nahm sich vor, jedes Jahr ein Konzert
       der O’Bros zu besuchen. Und jetzt stehe sie hier und feiere das Leben!
       
       Eugenia ist 43 Jahre alt und steht tatsächlich quietschfidel in der
       Schlange vor dem Lokschuppen in Bielefeld. Hier fand am vergangenen
       Dienstagabend der Tourauftakt der O’Bros statt, der Brüder Maximilian und
       Alexander Oberschelp aus München, die über ihren christlichen Glauben
       rappen. Vor zehn Jahren veröffentlichten sie ihr erstes Album, mittlerweile
       spielen sie Konzerte vor Tausenden. Viele außerhalb der christlichen Szene
       dürften jedoch noch nie etwas von ihnen gehört haben.
       
       Eugenia freut sich über das Interesse. Sie und ihre beiden Begleiterinnen
       reden und lachen viel. Im Entrée des Lokschuppens angelangt, wünscht sie
       sehr herzlich, das Konzert zu genießen.
       
       Der Lokschuppen ist ein rundes, altes Backsteingebäude, von innen modern.
       Eine Schlange vor der Garderobe, eine vor den Klos. Hier sind viele so
       jung, dass sie mit ihren Eltern da sein müssen. Noemi Frank zum Beispiel,
       sie ist 15. Sie sagt, die Texte der O’Bros catchen halt voll. Sie feiern
       Jesus, aber auf cool. Welche Texte denn zum Beispiel? So was wie „Zweifel
       im Dunkel nicht daran, was Gott dir im Licht gezeigt hat.“ Da könne man
       halt einfach nichts mehr sagen. Noemi war schon einmal bei einem Konzert
       der O’Bros, die Stimmung sei krass gewesen.
       
       ## Fast wie bei einem KIZ-Konzert
       
       Ihre Freundin Alia, 16, hört die O’Bros eigentlich gar nicht so viel. Aber
       ihre Freunde seien alle beim letzten Konzert dabei gewesen und meinten, es
       war cool, deswegen sei sie jetzt auch hier. Die Musik der O’Bros sei halt
       nochmal was anderes als andere Worship-Lieder. Aber die höre sie auch.
       Jetzt müssen die beiden aber schnell rein, es ist eine halbe Stunde vor
       Showbeginn.
       
       In der Konzerthalle sind die Lichter schon aus. Es ist nicht ausverkauft,
       aber gut besucht, vielleicht 1.500 Menschen sind da. Zwei blonde Mädchen im
       Teenageralter laufen vorbei. Beide tragen pinke T-Shirts, auf den Rücken
       steht fett in Weiß: JESUS IS LORD. Überhaupt tragen viele hier den Merch
       der O’Bros. Der Name der Tour, „to be honest“, ist überall auf T-Shirts zu
       lesen. Die meisten hier sind wohl irgendwo zwischen 15 und 30 Jahren,
       Männer und Frauen halten sich die Waage.
       
       Als die Halle sich vollkommen verdunkelt, dröhnt eine Stimme aus den
       Lautsprechern, die verkündet: „Die To-be-honest-Tour 2025 beginnt jetzt!“
       Der Vor-Act 2herzen kommt auf die Bühne, ebenfalls zwei christliche Rapper.
       Die Menge kreischt. Sie rasten aus, als einer der beiden in Doubletime über
       den Teufel und Jesus und das Angenommensein rappt.
       
       Das Publikum hat die Arme in der Luft, sie wippen mit zur Musik wie bei
       einem KIZ-Konzert, schwenken ihre Arme bereitwillig von links nach rechts,
       als es ihnen auf der Bühne vorgemacht wird. Was soll denn noch kommen, wenn
       erst die O’Bros dran sind?
       
       2herzen erzählen vor einem blau beleuchteten Vorhang, es sei ihnen immer
       wichtig gewesen, in ihrer Musik von Gott zu erzählen, von den Höhen und
       Tiefen, die sie jeden Tag mit ihm erlebten.
       
       Zu einer ruhigen Klaviermelodie rappt einer der beiden: Mein Herz ist müde,
       vom Leben erschöpft / Dreh drei Runden um meinen Block / mit Tränen frag
       ich leise: Vater, liebst du mich noch? / Dieselben Fragen plagen mich oft /
       hab kein Monster unterm Bett, aber ein Monster im Kopf.
       
       Zwei junge Frauen machen strahlend ein Selfie am Rande der Menge. Die
       beiden Künstler teilen das Publikum auf in zwei Hälften. Sie wollten sehen,
       welche Seite mehr „Welle für Jesus“ machen könne. Sie rufen: Gib mir ein
       Jesus! – Jesus!, schallt es zurück auf die Bühne, erst von der einen, dann
       von der anderen Seite des Saals, immer lauter. Wirklich laut.
       
       ## Gib mir ein Jesus!
       
       Dann stoppen die beiden die Menge und verkünden: „Es passiert überall auf
       der Welt, aber auch unter uns Christen. Wir haben es gerade geschafft, euch
       zu spalten, aber wir brauchen Einheit!“ Das sei es, was Jesus gepredigt
       habe. Also nochmal. Gib mir ein Jesus! JESUS! Es ist wirklich eine große
       Welle, die diese Crowd machen kann.
       
       Als 2herzen durch und die Rufe nach einer Zugabe verstummt sind, stimmt
       irgendjemand von sich aus an: Jesus! Jesus! Jesus! Andere steigen ein. Zwei
       Typen kämpfen sich aus der Menge, einer mit silbernem Glitzer auf seinen
       Wangenknochen. Sie brauchen kurz Luft, es sei jetzt schon zu heiß da drin.
       
       Kurz darauf erscheinen übermenschlich groß die Silhouetten der O’Bros auf
       dem Vorhang der Bühne. Die Brüder rappen sich gegenseitig an: Zehn Jahre
       Hingabe, zehn Jahre Pain / zehn Jahre Sunshine, zehn Jahre Rain / seid ihr
       bereit für die krasseste Show? Wir sind da, to be honest, let’s go! Die
       Beats werden schneller und lauter, die Menge kreischt und filmt, bis der
       Vorhang fällt und die Brüder Oberschelp zur Melodie von „Crazy in Love“ von
       Beyoncé und Jay-Z die Bühne stürmen. Maximilian schreit ins Mikrofon:
       Bielefeld, geht’s euch gut?! Alexander fängt an: Whatever it takes / Jesus
       auf die Eins / God over everything / God over hype.
       
       Die O’Bros performen in Nebelfontänen, die aus dem Boden schießen,
       E-Gitarren heulen, sie springen rum, schreien in ihre Mikros, rufen wie
       Adlips Halleluja zwischen ihre Zeilen.
       
       Das hier ist real / das ist kein Fake / kein Hype / wir haben das alles
       echt erlebt, kein Scheiß. Vielleicht sind damit die Gottesbegegnungen der
       O’Bros gemeint. Maximilian Oberschelp, der Ältere der beiden, erzählte in
       einem Interview, dass er einmal regelrecht verliebt war in Jesus. Als auch
       er eine Offenbarung von Gott hatte. Vielleicht ist damit aber auch der
       Erfolg der beiden gemeint. Dieses Jahr schaffte es „to be honest“, das
       Album zur Tour, auf Platz eins der deutschen Albumcharts.
       
       Der Melodie des Tracks klingt nach 187 Strassenbande, einer Gruppe
       Gangster-Rapper aus Hamburg. In einem späteren heißt es: Wir wollen keine
       Psalme aus Plastik / Liebe ist nicht Theorie, sondern Praxis. Eindeutig
       eine Referenz zu Palmen aus Plastik von Bonez MC und RAF Camora, die zu 187
       gehören. Da geht es allerdings um Suff, Gras, Sex und Benzer.
       
       Nicht bei den O’Bros, hier geht es um Gott. Er wird zwischen den Liedern
       auch direkt angesprochen. Du sollst König sein. Wir ehren dich heute.
       Manche im Publikum heben beide Hände in die Höhe bei diesen Worten. Und es
       soll nicht um die O’Bros selbst gehen. „Sondern um dich“, sagen sie immer
       wieder. Darum, dass der Himmel die Erde berührt, um das Kreuz. Orgelmusik,
       Bässe setzen ein, eine Lichtshow.
       
       ## Der „geistliche Kampf“ zwischen den Mächten des Bösen
       
       Alles nur zu seiner Ehre / Only Jesus, bis ich sterbe / keiner kommt ihm in
       die Quere / wenn er will, dann teilt er Meere. Und im selben Lied:
       Transformation für die ganze Nation / Früchte des Geistes –
       Geschmackexplosion / kommen voller Dominanz vor den Thron / für jeden Dämon
       ist hier Haltestation.
       
       Die O’Bros sind charismatisch geprägt, das erzählen sie selbst. Diese
       Zeilen machen das besonders deutlich. In der charismatischen Auslegung des
       Christentums geht es um ein Reich Gottes, das sich nicht im Jenseits,
       sondern schon im Hier und Jetzt immer weiter ausbreiten soll.
       
       Dafür muss der „geistliche Kampf“ zwischen den Mächten des Bösen, zwischen
       Dämonen, und den guten Mächten Gottes gewonnen werden. Deshalb sollen die
       bereits Bekehrten nicht nur beten und andere bekehren. Es soll auch eine
       Transformation aller sieben gesellschaftlichen Sphären stattfinden, also
       etwa Politik, Wirtschaft oder Bildung, und zwar im Sinne der
       Gottesherrschaft. Transformation für die ganze Nation. So erklärte es die
       Theologin Maria Hinsenkamp einmal im Deutschlandfunk.
       
       An diesem Abend geben sich die O’Bros allerdings betont unpolitisch. Nur
       Charlie Kirk wird einmal erwähnt, als es wieder um Spaltung geht, der
       evangelikale und rechte Aktivist aus den USA, der im September erschossen
       wurde. Auch er erwähnte die Transformation der sieben Sphären gelegentlich.
       Verschiedene Meinungen wie zu Charlie Kirk seien zwar gut, aber es müsse
       doch Einheit geben, heißt es von den O’Bros. Wir sind heute eins. Jeder sei
       willkommen, sagen sie später.
       
       Maximilian Oberschelp erzählt, er habe als Kind keine Freunde gehabt. Auf
       Klassenfahrt hätten seine Mitschüler ihn umringt und ins Gesicht gespuckt.
       Das sei der demütigendste Moment seines Lebens gewesen. Aber er sei
       dankbar, dass er damals nicht aufgegeben hat. Er ruft: Egal wie tief die
       Scheiße ist, in der du sitzt, Gott kann dich da rausholen!
       
       Die O’Bros rappen das Vaterunser, die Menschen stehen mit erhobenen Händen,
       einige mit geschlossenen Augen. Dann singen sie ein Lobpreislied zusammen,
       so etwas wie ein musikalisches Gebet ohne Instrumente. Nur die vielen
       Stimmen sind im Dunkeln zu hören.
       
       Noch mehr Ansprachen. Zur Hoffnung. Gegen die Angst. Für Gott. „Angst ist
       eine Lüge!“, rufen die O’Bros. „Denn sie macht die Rechnung ohne einen
       allmächtigen Gott!“
       
       Dann wieder ein Rapsong, die Wände vibrieren, die Menge vor der Bühne
       öffnet sich zum Moshpit. Eine mittelalte Frau mit Brille und blonden Locken
       nickt so heftig zum Beat, als würde sie headbangen.
       
       14 Oct 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alice von Lenthe
       
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