URI: 
       # taz.de -- Buch über Philosophie der Krise: Tja, was nun?
       
       > Zurückgelehnt im Denken, aber urteilsfreudig: Der Philosoph Konrad-Paul
       > Liessmann erkundet unsere gegenwärtigen Unsicherheiten.
       
   IMG Bild: Konrad Paul Liessmann, österreichischer Professor für Philosophie im Ruhestand, Essayist und Kulturpublizist, Wien, 18.12.2023
       
       Vom Kabarettisten Matthias Beltz stammt sinngemäß das Zitat: „So sollte man
       die Welt sehen: ‚Wie ist die Lage?‘, und nicht: ‚Warum ist die Lage so
       beschissen?‘“ Einen ähnlichen Blick wirft der Philosoph Konrad Paul
       Liessmann in seinem Buch „Was nun?“ auf die Gegenwart. Seine „Philosophie
       der Krise“ bietet Analysen zum „Zeitalter der multiplen Krisen“, wobei er
       im Titel programmatisch mit dem Lenin-Zitat „Was tun?“ spielt, denn
       aktivistische Philosophie gibt es bei Liessmann nicht. Für ihn besteht eine
       Krise darin, „den Zusammenbruch einer etablierten Ordnung zu erfahren und
       nicht zu wissen, wie es im Moment weitergehen kann“.
       
       Durch diese Unsicherheit seien Zeiten der Krise „oft Zeiten der autoritären
       Versuchung“. Daher ist es keinesfalls ironisch gemeint, wenn er schreibt:
       „Sich passiv in das Unvermeidliche zu fügen und einfach zu warten, was
       geschieht, ist durchaus eine Möglichkeit, auf Krisenerfahrungen zu
       reagieren.“ Auch plädiert er für präzisen Umgang mit dem Begriff „Krise“.
       Statt etwa von „Klimakrise“ zu sprechen, sei „Klimawandel“ genauer. Dieser
       sei kein kurzfristiger Wechsel, sondern ein langfristiger Prozess, bei dem
       rasche Interventionen nicht genügen. Die Kapitel widmen sich Fragen wie der
       „Krise der parlamentarischen Demokratie“, der „Krise der Toleranz“ oder der
       „Krise der [1][Sprache]“.
       
       Bei aller Zurückgelehntheit im Denken hält Liessmann nicht mit Urteilen
       zurück. Im Kapitel zur „Krise der Kunst im Zeitalter der Hypermoral“
       schreibt er Künstlern mit ihren zum Teil schrillen Wortmeldungen aus
       jüngerer Zeit gar ins Stammbuch: „Keinerlei Sensibilität bewiesen die
       Vertreter des Wahren und Guten nach dem 7. Oktober 2023. Die Schnelligkeit,
       mit der man ekelhaften [2][antisemitischen Ressentiments] unter dem
       Deckmantel des solidarischen Kampfes mit einem zum alleinigen Opfer
       stilisierten palästinensischen Volk freien Lauf ließ, müsste eigentlich
       entsetzen.“ Die Freiheit der Kunst, so Liessmann, bestehe gerade darin,
       dass sie „keine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft“ hat. Umgekehrt
       gilt für ihn: „Wo das Gute so eindeutig und das Wahre so klar ist, endet
       alle Kunst in Propaganda.“
       
       Jedes Kapitel wiederum endet bei ihm mit der Frage: „Was nun?“ Lösungen
       beansprucht er keine, auch verzichtet er auf Handlungsanweisungen. Zu
       Recht. Derlei liefe auf einen philosophischen Ratgeber hinaus, mithin auf
       das Gegenteil von Philosophie.
       
       18 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Leipziger-Buchmesse/!6075561
   DIR [2] /Antisemitismus-im-Pop/!6116089
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tim Caspar Boehme
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse 
   DIR Politisches Buch
   DIR Philosophie
   DIR Krise
   DIR Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse 
   DIR Politisches Buch
   DIR Schwerpunkt Leipziger Buchmesse 2025
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Antisemitismus im Pop: Just another brick in the wall
       
       Kann es sein, dass Pop ein Antisemitismusproblem hat? Maria Kanitz und
       Lukas Geck durchleuchten die Szene in ihrem Buch „Lauter Hass“.
       
   DIR Buch über Philosophen Edmund Husserl: Der Fröhlichkeit kann man nachhelfen
       
       Der Wissenschaftler Christian Beyer stellt in seinem Buch „Husserls
       Philosophie“ das Werk eines der einflussreichsten Philosophen des 20.
       Jahrhunderts vor.
       
   DIR Leipziger Buchmesse: Die Metapher ist ein Arschloch
       
       Die Philosoph:innen Tim Henning, Nikola Kompa und Christian Nimtz
       leuchten Abgründe der Alltagskommunikation aus. Ja, Sprache kann
       ausgrenzen.