URI: 
       # taz.de -- Die Wahrheit: Mein Leben als Maschinenraum
       
       > Die Philippinen-Woche der Wahrheit: Wenn eine Pinay von der Servierkraft
       > auf einem Traumschiff zur Klassenverräterin in Pforzheim wird.
       
       Neulich rief die KI an. Eine künstliche Männerstimme, die mir irgendwas im
       Zuge eines „Horoskop-Gewinnspiels“ (!) andrehen wollte. Ich habe sofort
       aufgelegt. In dem Moment dachte ich, dass KI ein echter Fortschritt ist:
       Das schlechte Gewissen, am Telefon einen schlecht bezahlten Bittsteller
       unhöflich abgewimmelt zu haben, fällt völlig weg. Jetzt ist es ungefähr so,
       wie Kurt Cobain einmal dichtete: „It’s okay to eat fish, ’cause they don’t
       have any feelings.“ Eine KI darf man schlecht behandeln. Sollte sie einmal
       Gefühle generieren, wird es wieder schwieriger.
       
       Apropos Gefühle generieren. Hier geht es in dieser Woche ja um einen fern
       liegenden Inselstaat, der brauchbare Literatur produziert; man weiß es
       nicht. Ich jedenfalls nicht. Meine Erfahrungen mit den Philippinen
       beschränken sich auf eine Anekdote, oder sagen wir eine halbe, die mir
       einmal eine Bekannte erzählt hat. Die hat einen Bruder, der mit einer
       Pinay, also einer Philippinerin verheiratet ist. Und das kam so: Er
       arbeitete einmal als Assistenzarzt auf einem Kreuzfahrtschiff, war also so
       etwas wie Manuel Andrack auf dem „Traumschiff“. Dort verliebte er sich in
       eine Servierkraft, die wie fast alle Subalternen auf dem Schiff von eben
       den Philippinen stammte. Die arbeiten dort für einen Hungerlohn, der für
       ihre Verhältnisse immer noch einen kleinen Reichtum darstellt. Traumschiff,
       wie gesagt: Liebe, Liebe, Heimlichkeit; Offenbarung, viel Papierkram, Umzug
       nach Deutschland, Hochzeit, Kinder. Ungefähr in der Reihenfolge.
       
       Interessant daran ist weniger das koloniale Verhältnis zu den Angestellten
       des Niedriglohnsektors, der in solchen Konstellationen wohl immer noch gang
       und gäbe ist und das trotzdem nicht vor Romantik gefeit ist. Ähnlich lässt
       sich das auch in dem preisgekrönten, etwas trüberen Film „Triangle of
       Sadness“ (2022) beobachten. Dort findet nach der Havarie am Landungsstrand
       eine kleine Revolution, also eine Umkehrung der Realverhältnisse statt: Zur
       Chefin der Schiffbrüchigen wird die philippinische Putzkraft; der
       karrieristische Beau der Gruppe, ein Mitläufer, unterwirft sich ihr denn
       auch sexuell. Bis sich auf der Insel das Tor zur Hölle beziehungsweise das
       Tor zu einem Urlaubs-Resort öffnet.
       
       Interessanter ist vermutlich das lange, lange Ende der echten Geschichte:
       Gestrandet irgendwo im Südwesten der Republik, sagen wir Pforzheim, erfährt
       die jetzt Arztgattin Ausgrenzung der anderen Art: Die lokale Community der
       immigrierten Filipinos, nun ja: diskriminiert sie, weil sie „nach oben
       geheiratet“ hat, noch dazu einen Deutschen. Eine Klassenverräterin! Sie
       findet keinen Anschluss. Welches Unglück ist nun das größere?
       
       Solange die KI nicht auch noch physisch das Dienstleistungssegment
       übernimmt, sind solche Geschichten möglich. Das sich selbst putzende
       Schiff, deren Mannschaft aus wenigen Robotern besteht, muss erst noch
       gebaut werden. Auf die Filme darüber bin ich jetzt schon gespannt.
       
       15 Oct 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR René Hamann
       
       ## TAGS
       
   DIR Kolumne Die Wahrheit
   DIR Philippinen
   DIR Kreuzfahrt
   DIR Heiraten
   DIR Kolumne Die Wahrheit
   DIR Kolumne Die Wahrheit
   DIR Kolumne Die Wahrheit
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Die Wahrheit: Mein Leben als Rücken
       
       Nicht nur Trump sitzt im Weißen Haus gern weit vorne auf der Sesselkante,
       um nach längerem Sitzen möglichst rückenschonend aufzustehen.
       
   DIR Die Wahrheit: Mein Leben als Blödelautor
       
       Der aus Wien stammende Comedy-Musikant Manfred Tauchen hat das Zeitliche
       gesegnet. Statt eines ernsthaften Nachrufs eine komische Jugenderinnerung.
       
   DIR Die Wahrheit: Mein Leben als Coworker
       
       Da fliegt mir doch das Dach weg: Macht das eine Working Space zu, macht das
       andere offen. Skurriles gibt es immer.