# taz.de -- Russische Opposition im Exil: Der nächste Schlag
> Der russische Geheimdienst FSB leitet ein Strafverfahren gegen 23
> Kriegsgegner ein. Ihnen wird vorgeworfen, gewaltsam die Macht übernehmen
> zu wollen.
IMG Bild: Der russische Geheimdienst wirft ihm den öffentliche Aufruf zu terroristischen Handlungen vor: Regimekritiker Michail Chodorkowski (2023)
Moskau taz | Gegen Kriegsgegner*innen geht der russische Staat mit
aller Härte vor. Am Dienstag wurde bekannt, dass der Inlandsgeheimdienst
FSB ein Strafverfahren gegen 23 prominente russische Oppositionelle
eingeleitet hat. Die Anschuldigungen gegen sie lauten auf gewaltsame
Machtübernahme sowie Bildung und Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung.
Dem früheren Chef des Ölkonzerns Yukos und langjährigem politischen
Gefangenen Michail Chodorkowski wird zudem ein öffentlicher Aufruf zu
terroristischen Handlungen angelastet. Alle Betroffenen gehören dem im
Februar 2022 gegründeten Antikriegskomitee Russlands an und leben im Exil.
Bereits Anfang 2024 stufte die Generalstaatsanwaltschaft das Komitee als
„unerwünschte ausländische Organisation“ ein, weil dieses den Sturz der
verfassungsrechtlichen Ordnung der Russischen Föderation anstrebe. Damit
steht nach russischem Recht eine Zusammenarbeit generell unter Strafe.
Der Großteil der vom FSB genannten Personen gilt als „russischer Agent“,
einige Namen wurden nach einer Verurteilung in anderer Sache in das
Register sogenannter Extremisten und Terroristen aufgenommen.
## Who is Who der Kreml-Gegner*innen
Die Liste des FSB liest sich wie ein Who is Who von erbitterten
Widersacher*innen des Kremls. Wladimir Kara-Mursa, 2023 wegen
Landesverrates zu einer Haftstrafe von 25 Jahren verurteilt, kam 2024 durch
einen spektakulären Gefangenenaustausch frei. Die Politologin Jekaterina
Schulman zählt durch ihre zahlreichen Auftritte vor großem Publikum zu den
bekanntesten Gesichtern der Opposition.
Ex-Schachweltmeister Gari Kasparow positioniert sich nicht nur gegen den
Kreml, er beschuldigt auch nach wie vor in Russland lebende Menschen der
Mittäterschaft. Michail Kasjanow hatte während der ersten Amtszeit von
Wladimir Putin den Posten des Premierministers inne.
Dmitrij Gudkow war einer der Hoffnungsträger der jüngeren
Politikergeneration, der Geschäftsmann Boris Simin, der oppositionelle
Strukturen finanziert, wurde im vergangenen April in Abwesenheit zu neun
Jahren Haft verurteilt. Kyrill Martynow ist Chefredakteur der Nowaja Gazeta
Europe, die von den Behörden als „unerwünscht“ deklariert wurde.
Der Zeitpunkt für das Strafverfahren ist kein Zufall. Anfang Oktober
beschloss die parlamentarische Versammlung des Europarates die Schaffung
einer „Plattform russischer demokratischer Kräfte“. Sie soll als Forum für
einen Meinungsaustausch, aber auch zur Lösung aktueller Probleme dienen.
Chodorkowski nannte als Beispiel in der „Breakfast Show“, einem auf Youtube
verfügbaren russischen Oppositionskanal, [1][die kürzlich von der
Bundesregierung abgeschaffte Regelung, humanitäre Visa für gefährdete
Oppositionelle auszustellen].
## Kontaktaufnahme unter erhöhtem Risiko
Voraussetzung für die Beteiligung an dem Dialog ist die Unterzeichnung der
„Berliner Deklaration“, dem Abschlussdokument einer von Chodorkowski Ende
April 2023 in Berlin organisierten Konferenz demokratischer Kräfte. Dieses
Dokument dient dem FSB als Grundlage, um die Tätigkeit der Opposition als
verfassungsfeindlich einzustufen. Der Antikorruptionsfonds [2][des in Haft
verstorbenen Oppositionspolitikers Aleksei Nawalny] hat die Deklaration
nicht unterzeichnet.
Einzelne Projekte des Antikriegskomitees führt der FSB in seiner Begründung
für das Ermittlungsverfahren ebenfalls auf. Beispielsweise die Arche, die
ins Exil gezwungene russische Kriegsgegner*innen unterstützt. Für in
Russland Zurückgebliebene erhöht sich damit im Falle einer Zusammenarbeit
oder Kontaktaufnahme das Risiko einer Strafverfolgung.
14 Oct 2025
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Vera Bessonova
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