# taz.de -- Berliner Abgeordnetenhaus: Showdown beim Baum-Entscheid
> Die Koalition will beim Baum-Entscheid nun angeblich nur
> „minimalinvasive“ Änderungen. Die Initiative befürchtet hingegen ein
> Zerfleddern ihre Ziele.
IMG Bild: Für mehr Bäume braucht es auch Platz. Das soll aber nicht auf Kosten von Parkplätzen, ist bisher die Haltung der CDU
Berlin taz | 11 Uhr, Abgeordnetenhaus, Raum 109. Nicht oft hat eine
Terminankündigung so viel Spannung ausgelöst wie jene der schwarz-roten
Koalition für diesen Mittwoch. Da will sie in einer Pressekonferenz
vorstellen, wie sie mit der [1][Initiative Baum-Entscheid] umgeht, konkret
und über bloße Äußerungen in der Plenardebatte der vorigen Woche hinaus.
Nach dem dort Gehörten schien eine Einigung weit weg. Nun aber, so heißt es
aus der SPD-Fraktion gegenüber der taz, soll es nur „minimalinvasive“
Änderungen am Gesetzentwurf der Initiative geben.
Anders als vergangene Woche im Landesparlament angekündigt, legt
Schwarz-Rot dabei keinen eigenen Gesetzentwurf vor. SPD-Umweltpolitikerin
Linda Vierecke bestätigte der taz, dass es sich vielmehr um eine veränderte
Fassung des Entwurfs der Initiative handelt. Vierecke sah darin aber keine
Kehrtwende, sondern die Möglichkeit, Zeit für weitere Gespräche mit der
Initiative zu gewinnen. Laut Verfassung sind beide Wege möglich.
Die Pressekonferenz der Koalition in Raum 109 will auch Heinrich
Strößenreuther verfolgen. Am Dienstagvormittag aber sitzt der Mitinitiator
des Baum-Entscheids erst mal neben seiner Mitstreiterin Christiane Heiß,
die auch mal Stadträtin für die Grünen in Tempelhof-Schöneberg war, in
einer früheren Fabriketage an der Panke. Die beiden haben Journalisten
eingeladen, um ihre Sicht auf den Baum-Schwenk der CDU und mögliche
Szenarien darzulegen.
Denn bis vor anderthalb Wochen konnte die Initiative noch davon ausgehen,
dass sie ihr Anliegen per aufwendiger Unterschriftensammlung bis zu einem
Volksentscheid tragen muss. Ihr Anliegen, das sind Hunderttausende
zusätzlicher Straßenbäume, so dass es schließlich alle 15 Meter einen gibt
– in Dahlem und Frohnau genauso wie in weniger hochpreisigen und weniger
grünen Ortsteilen Berlins. Zudem geht es in dem Gesetzentwurf der
Initiative um deren Pflege, um Mini-Parks und Grünflächen, einen
Kontrollrat und um ein Klagerecht für Umweltverbände.
Das aber schien nur per Volksentscheid zu erreichen, noch Anfang Juli
lehnte der Senat die Sache ab. Doch am 20. September stellte sich
Regierungschef [2][Kai Wegner beim CDU-Landesparteitag überraschend hinter
den Baum-Entscheid] und kündigte an, man werde auf die Initiative zugehen.
Vor dem Hintergrund dieser neuen Lage malen Heiß und Strößenreuther am
Dienstag vier Szenarien aus, wie es nun weitergehen könnte. Im ersten
übernimmt das Parlament den Entwurf der Initiative nicht, die deshalb den
Weg zu einem Volksentscheid weitergeht und dafür ab Dezember erneut
Unterschriften sammelt.
In Szenario B macht sich das Parlament – genauer: die schwarz-rote
Koalition mit ihrer Mehrheit – zwar formal das Anliegen zu eigen, verändert
es aber inhaltlich stark. Dagegen würde die Initiative sich am
Verfassungsgericht wehren – da habe man sich schon anwaltlich beraten
lassen. Denn laut Landesverfassung muss das Anliegen bei einer Übernahme
[3][„inhaltlich in seinem wesentlichen Bestand unverändert“ bleiben].
## Ein Volksentscheid wäre 2026 am Wahltag
Das würde mit Blick auf den geplanten Abstimmungstermin parallel zur
Abgeordnetenhauswahl am 20. September 2026 aber nur helfen, wenn das
Gericht eine Eilentscheidung trifft. Auf normalem Weg verginge zu viel
Zeit: Zwischen der beklagten Chaoswahl im September 2021 und dem Urteil zur
Wahlwiederholung Ende 2022 etwa lagen fast 14 Monate.
In Szenario C einigen sich Parlament und Initiative auf einen Kompromiss,
bei dem, so sagt es Strößenreuther, „alle am Ende ein wenig unzufrieden
sind“, aber 90 Prozent des Vorhabens erhalten bleiben. Die vierte Variante
ist die unwahrscheinlichste: eine Übernahme ohne Änderungen; Grüne und
Linksfraktion fordern das.
## Überraschender Schwenk
Glaubt man dem, was später am Dienstag von der SPD zu hören ist, dann ist
eine Einigung in Reichweite. Es gebe den gemeinsamen Wunsch der Koalition,
das Gesetz nur „minimalinvasiv“ zu verändern, sagt die umweltpolitische
Sprecherin der SPD-Fraktion, Linda Vierecke, der taz. Und bekräftigt auf
Nachfrage, dass das die gemeinsame Haltung von SPD und CDU sei.
Danach hat es nämlich vorige Woche im Parlament nicht ausgesehen. In der
Plenardebatte am Donnerstag begrüßten die Christdemokraten zwar auch mehr
Bäume in der Stadt, sahen Gefahren durch Klimaveränderung und unterstützten
Gegenmaßnahmen. Doch wenn diese Bäume an Straßen stehen sollen, muss dort
auch Platz für sie sein. Dafür aber, da war die Union im Parlament ganz
klar, sollen keine Parkplätze wegfallen: „Das wird es mit der CDU nicht
geben.“
Nach dieser Aussage schien alle Skepsis gegenüber dem Schwenk vom
CDU-Landesparteitag bestätigt. Aus Sicht der Initiative geht es der Union
vorrangig darum, das Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Denn in einer
Umfrage im Auftrag der Berliner Morgenpost im Juli stellten sich fast drei
Viertel der Befragten hinter den Baum-Entscheid.
Initiativenvertreterin Christiane Heiß geht in dem Pressegespräch nicht von
einem Umdenken bei der CDU aus und erwartet, dass es zu Szenario B kommt,
einem zerfledderten Gesetz und der Eilklage am Verfassungsgerichts. Darüber
würde das mit allen Ehrenamtlichen 100 bis 150 Köpfe zählende Plenum der
Initiative entscheiden. Das alles ist zu jenem Zeitpunkt in der Fabriketage
an der Panke noch offen, 25 Stunden vor dem Mittwochtermin in Raum 109 des
Parlaments. „Es gibt eine Wundertüte“, sagt Strößenreuther, „die am
Mittwoch kommt. Oder auch nicht.“
30 Sep 2025
## LINKS
DIR [1] https://www.baumentscheid.de/
DIR [2] /Keine-gruene-Spinnereien/!6111360&s=alberti/
DIR [3] https://www.berlin.de/rbmskzl/politik/senat/verfassung/artikel.41525.php
## AUTOREN
DIR Stefan Alberti
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