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       # taz.de -- Rechte Polizeichats in Niedersachsen: 31 Einzelfälle auf einen Streich
       
       > Gleich zwei Polizeichats mit rechtsextremen Inhalten sind im September in
       > Niedersachsen aufgeflogen. Die Innenministerin sieht kein strukturelles
       > Problem.
       
   IMG Bild: Wo beginnt das Problem? Polizist*innen des Bachelorstudienjahrgangs der Polizeiakademie Niedersachsen bei der Abschlussfeier
       
       Oldenburg taz | Zwei Chatgruppen mit rassistischen und rechtsextremen
       Inhalten, mehrere Entlassungsverfahren, 15 Durchsuchungsbeschlüsse und
       insgesamt 31 beteiligte Polizist*innen, darunter laut Medienberichten
       Führungskräfte und ein Mitarbeiter des niedersächsischen Innenministeriums.
       Das ist die Bilanz der Polizei Niedersachsen für den September.
       
       Anfang des Monats machten [1][Durchsuchungen bei acht Polizeibeamten] den
       ersten Fall öffentlich. Ihre Handys wurden beschlagnahmt, weil sie Teil
       einer Chatgruppe waren, in der im November 2019 „u. a. Kommentare und Memes
       mit rassistischen und die nationalsozialistische Gewalt- und
       Willkürherrschaft verharmlosenden Inhalten sowie ableistische und
       diskriminierende Bilder“ verschickt wurden. Das erklärt das
       Innenministerium. Der Gruppe sollen insgesamt 13 Polizisten angehört haben,
       die sich aus dem Studium an der Polizeiakademie in Oldenburg kennen und
       noch Beamte auf Probe sind.
       
       Von den heute aktiven Beamten stammen drei aus der Polizeidirektion
       Oldenburg und jeweils zwei aus den Direktionen Osnabrück, Braunschweig,
       Lüneburg und der Zentralen Polizeidirektion in Hannover. Ein Chatteilnehmer
       hatte die Prüfung an der Polizeiakademie nicht bestanden und ein anderer
       sei bereits wegen anderer Vorwürfe aus dem Dienst entlassen worden, so das
       Innenministerium.
       
       ## Führungskräfte in Gruppe mit Holocaust-Leugnung
       
       Strafrechtlich sind alle Vorwürfe verjährt. Den Polizisten drohen lediglich
       dienst- und beamtenrechtliche Konsequenzen. Das niedersächsische
       Innenministerium erklärt, dass gegen einen Beamten bereits ein
       Entlassungsverfahren laufe und die Polizeidirektion Oldenburg teilt mit,
       dass sie gegen die drei Oldenburger Beamten ebenfalls Entlassungsverfahren
       eingeleitet hat. Bekannt wurde die Gruppe nur zufällig im Rahmen von
       Ermittlungen gegen einen Osnabrücker Polizeibeamten.
       
       Nur 20 Tage nach dem ersten Chat flog der zweite auf. Auch den entdeckte
       die Polizei durch Zufall. Eigentlich ermittelte sie gegen einen Polizisten
       aus Hannover, der über Jahre [2][Geld von Drogenhändlern gestohlen] hat.
       Diesmal stellten die Behörden die Handys von sieben Beamt*innen sicher,
       zwei weiblich und fünf männlich. Sie sind laut Innenministerium aktuell in
       der Polizeidirektion Niedersachsen, der Polizeidirektion Hannover, dem
       Landeskriminalamt Niedersachsen und der Polizeiakademie Niedersachsen
       tätig.
       
       [3][Nach Recherchen des NDR] sollen in dieser Gruppe „Hakenkreuze,
       Holocaust-Verleugnungen und Beleidigungen von Schwarzen, asiatischen
       Menschen und Kindern mit Behinderung“ gepostet worden sein. Unter den
       Mitgliedern sollen sich mindestens drei Führungskräfte der Polizei
       Niedersachsen befinden. Ein Beamter arbeitet im Innenministerium, wie die
       Behörde auf Anfrage bestätigt.
       
       Insgesamt besteht die Gruppe aus 24 Personen, von denen heute noch 20 im
       Dienst der niedersächsischen Polizei sind. Sie haben sich im Jahr 2015
       während des Studiums an der Polizeiakademie Niedersachsen kennengelernt.
       
       Diesmal liegen die Vorwürfe länger als zehn Jahre zurück und sind ebenfalls
       strafrechtlich verjährt. Deshalb und weil die Polizist*innen dieser
       Gruppe nicht nur auf Probe verbeamtet sind, liegen die Hürden für
       dienstliche Konsequenzen höher. Momentan sind alle weiter im Dienst,
       erklärt das Innenministerium.
       
       ## Innenministerin sieht kein strukturelles Problem
       
       Keine*r der insgesamt 31 aktiven Polizist*innen hat einen der beiden
       Chats gemeldet. Innenministerin Daniela Behrens (SPD) sieht dennoch keine
       Anzeichen für ein größeres Problem innerhalb der Polizei – im Gegenteil.
       Die Ermittlungen zeigten, dass sie „konsequent gegen Verfassungsfeinde“
       vorgehe. Es handle sich schlicht um Einzelfälle: „Auch im Rahmen der
       aktuellen Ermittlungen haben sich keine Anzeichen für einen strukturellen
       Rassismus innerhalb der Polizei Niedersachsen ergeben.“ Auch auf Nachfrage
       behauptet das Innenministerium, dass „Strukturen oder Dynamiken innerhalb
       der Polizei Niedersachsen“ bei den Fällen keine Rolle spielen.
       
       Die aufgeflogenen Chats bestätigen jedoch die Ergebnisse der
       [4][bundesweiten Polizeistudie MEGAVO] – das steht für „Motivation,
       Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizeivollzugsbeamten“. Daraus geht
       hervor, dass ein Drittel der Polizist*innen im Dienst rassistische
       Äußerungen beobachten, über 90 Prozent sie aber nicht melden. Oft haben sie
       Angst als „Nestbeschmutzer“ zu gelten. Die [5][Polizeiforschung fordert]
       deshalb schon lange unabhängige Beschwerde- und Ermittlungsstellen. Die
       Innenministerin hält davon hingegen nichts. Sie vertraut weiter der
       Polizei.
       
       10 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Rassistische-Polizisten-im-Glueck/!6108125/
   DIR [2] /Dealer-in-Hannover-abkassiert/!6106287
   DIR [3] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/fuehrungskraefte-der-polizei-niedersachsen-in-rechter-chatgruppe-innenministerium,chats-100.html
   DIR [4] https://www.polizeistudie.de/
   DIR [5] /Polizeiforscherin-ueber-Diskriminierung/!6083406
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Aljoscha Hoepfner
       
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