# taz.de -- Nach dem Anschlag in Großbritannien: Hat die britische Polizei versagt?
> Den Angriff auf eine Synagoge in Manchester verhinderte die Polizei nicht
> – aber mehrere Opfer gehen auf ihr Konto. Jüdische Kritik gibt es an der
> Regierung.
IMG Bild: Manchester am 04. Oktober 2025: Gegenprotest zur Demo der „Greater Manchester Friends of Palestine“. Der Anschlag auf die Synagoge hatte eine Diskussion über die Nahost-Politik der britischen Regierung ausgelöst
London taz | Zwei Tage, nachdem am Donnerstag, dem jüdischen Feiertag Yom
Kippur, ein Mann die Heaton Park Synagoge in Manchester angriff, kommen
immer mehr Einzelheiten an die Öffentlichkeit. Bei dem Täter, der von der
Polizei am Tatort erschossen wurde, handelt es sich um Jihad Al-Shamie,
einen 35 Jahre alten Briten syrischer Abstammung. Bereits als Kind wanderte
er mit seinen Eltern aus Syrien ein, 2006 erhielt er die britische
Staatsbürgerschaft, inzwischen ist er selbst Vater eines einjährigen
Kindes.
Inzwischen wurden sechs Personen festgenommen, die mit der Tat verbunden
sein könnten. Die Polizei behauptet, dass Al-Shamie unter dem Einfluss des
extremistischen Islamismus gestanden habe. Auf dem Radar der
Antiterrorbehörden stand er bisher nicht, aber laut Polizei bestand gegen
ihn der Verdacht, eine Frau vergewaltigt zu haben. Zum Tatzeitpunkt war er
auf Kaution frei.
[1][Bei der Attacke] starben neben dem Attentäter zwei Personen, vier
wurden verletzt. Darunter sind Personen, die Al-Shamie mit seinem Wagen
anfuhr oder mit einem Messer angriff, aber auch Opfer des Polizeieinsatzes
gegen ihn.
So hatten zwei Personen, darunter der 53-jährige Adrian Daulby, die
Eingangstür der Synagoge zu verbarrikadieren versucht, um Al-Shamie am
Eindringen zu hindern. Beide wurden versehentlich durch Schüsse der
Antiterroreinheit der Polizei getroffen. Der 53-jährige Adrian Daulby erlag
seinen Verletzungen; eine zweite Person, Yoni Finlay, überlebte. Das zweite
Todesopfer war der 66-Jahre alte Melvin Cravitz. Er versuchte, Al-Shamie
vor der Synagoge zu stoppen, wofür er mit seinem Leben zahlte.
## Jüdische Einrichtungen schützen sich selbst
Ein weiteres schwer verletztes Opfer war ein Sicherheitswachmann des
britisch-jüdischen Sicherheitsdienstes Community Security Trust (CST) –
eine aus der antifaschistischen jüdischen Gegenwehr entstandene Struktur,
die heute die Absicherung in vielen jüdischen Gemeinden und Einrichtungen
unter anderem durch Freiwillige leistet. Diese Tatsachen haben nun zu einer
Diskussion über Sicherheit geführt und wieso die britische Polizei diese
nicht selbst gewährleistet.
Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass sich Al-Shamie angeblich schon
15 Minuten vor dem Angriff vor der Synagoge aufhielt und vom
Sicherheitspersonal angesprochen, jedoch nicht der Polizei gemeldet worden
sein soll. Er soll sich dann entfernt haben, bevor er mit seinem Auto
zurückkehrte und damit direkt auf die mit Menschen gefüllte Synagoge
zufuhr. Bei der Attacke trug Al-Shamie Gegenstände an seinem Körper, die
annehmen ließen, dass er Sprengstoff trage, was aber nicht stimmte.
Bei einer Andachtsfeier am späten Freitagnachmittag erzählte Daniel Walker,
der Rabbiner der Gemeinde, wie er bis zum Eintreffen der Polizei zusammen
mit anderen die Tür zur Synagoge zuhielt, während Al-Shamie versuchte,
einzudringen. Er habe dabei „ich werde Euch kriegen, ich komme rein“ und
„Allahu akbar!“, geschrien. Der Rabbiner rief die zur Andacht Versammelten
auf, sich nicht kleinkriegen zu lassen. „Als Juden bauen wir immer wieder
vom neuen auf, und erlangen unsere Kräfte nicht nur wieder, sondern auch
stärker zurück.“
## Vizepremier David Lammy ausgebuht
Als der stellvertretende Premierminister und Justizminister David Lammy bei
der gleichen Andachtsfeier am Freitag sein Beileid aussprechen wollte,
wurde er aus der Menge beschimpft. „Geh nach Palästina“, sagte einer,
während andere „Schande“ riefen und „Blut an deinen Händen“. Lammy, so
diese Protestierenden, toleriere pro-palästinensische „Hass-Märchen“.
Dieser Meinung ist auch der Oberrabbiner Ephraim Mervis, der in der
jüdischen Wochenzeitung The Jewish Chronicle (JC) verlangte, dass man
endlich „gefährliche“ pro-palästinensische Märsche, die oft Antisemitismus
und Unterstützung für Hamas an den Tag legen würden, in Griff bekommen
solle. „Es ist nicht möglich, die Aussagen auf unseren Straßen und deren
Aktionen von dem klaren Resultat, sprich dem Terrorangriff, zu trennen. Die
beiden sind miteinander verbunden“, sagte er am Freitag in einer BBC
Sendung.
## Pro-palästinensische Demonstrationen gehen weiter
Bereits wenige Stunden nach dem Terrorangriff war es in London am
Donnerstag zu einer Demonstration in Solidarität mit der gerade von Israel
geenterten Gaza-Flotille im Mittelmeer gekommen. Dabei gab es Zusammenstöße
zwischen Polizei und Demonstrant:innen. Premierminister Keir Starmer und
Innenministerin Shabana Mahmood hatten dazu aufgerufen, dass sich Leute mit
Demonstrationen zurückhalten sollten, um nicht noch mehr Spaltung und
Schmerz zu schaffen. „Dies ist ein Moment der Trauer“, [2][schrieb Starmer
in JC].
Die Organisatoren blieben jedoch bei der Demonstration. Auch ein geplanter
pro-palästinensischer Marsch in London am Samstag sollte stattfinden. Am
Samstagmittag wurden im Stadtzentrum erste Teilnehmer festgenommen, weil
sie ihre Unterstützung für die verbotene Gruppierung „Palestine Action“
erklärten.
4 Oct 2025
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## AUTOREN
DIR Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
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