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       # taz.de -- Studie zum Wohnungsmarkt: Wohnungsmangel verschärft Wirtschaftskrise
       
       > Dem Pestel-Institut zufolge fehlen mehr Wohnungen, als bisher bekannt.
       > Ein Vorschlag der Forschungseinrichtung: den Mieterschutz lockern.
       
   IMG Bild: Unbewohnte Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus in Frankfurt/Main: Die Leerstandsquote ist laut Studie in vielen Landkreisen hoch
       
       München dpa | In Westdeutschland fehlen nach Schätzung des Pestel-Instituts
       mittlerweile 1,2 Millionen Wohnungen. Der Wohnungsmangel zieht nach einer
       neuen Studie des in Hannover ansässigen Forschungs- und Beratungsinstituts
       mittlerweile die gesamte wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland in
       Mitleidenschaft, weil dieser im Effekt den Arbeitskräftemangel verschärft.
       
       Ohne grundlegenden politischen Kurswechsel hin zu einer umfassenden
       staatlichen Förderung des Wohnungsbaus erwarten sowohl das Institut als
       auch die Bauindustrie kein Ende der Wohnungsbaumisere. Bauministerin Verena
       Hubertz (SPD) hingegen verbreitete bei der Eröffnung der Münchner
       Immobilienmesse Expo Real Zuversicht.
       
       „Die Erstarrung der Wohnungsmärkte führt natürlich auch zur Erstarrung der
       Arbeitsmärkte, weil die Leute nicht mehr umziehen können, um Arbeitsplätze
       in anderen Regionen anzunehmen“, sagte Pestel-Chefökonom Günther zum
       Messeauftakt in der bayerischen Landeshauptstadt. „Die Lösung der
       Wohnungsfrage ist Voraussetzung der wirtschaftlichen Entwicklung.“
       
       ## „Angst vor dem Mieter“
       
       Die Zahl von 1,2 Millionen fehlenden Wohnungen allein in den alten Ländern
       ist erheblich höher als bisherige Schätzungen. Das Institut hat dabei alle
       Wohnungen herausgerechnet, die länger als ein Jahr leer stehen. „Was zwölf
       Monate und länger leer steht, wird offensichtlich dem Markt gar nicht mehr
       angeboten“, erläuterte Günther. Auftraggeber der Studie war die Münchner
       Messegesellschaft.
       
       Die Leerstandsquote – also der Anteil der [1][nicht bewohnten oder
       vermieteten Wohnungen] – beläuft sich laut Studie in vielen deutschen
       Landkreisen auf über fünf Prozent. Eine der Ursachen: „Viele ältere
       Menschen haben Angst vor dem Mieter.“ Günther hält deswegen eine Lockerung
       des Mieterschutzes für sinnvoll, damit Eigentümer Mietnomaden oder andere
       „auffällige Mieter“ leichter vor die Tür setzen können.
       
       Abgesehen davon leben demnach viele Alleinstehende in Wohnungen, [2][die
       für einen Menschen allein eigentlich zu groß sind]: „Zwei Millionen
       Single-Haushalte haben mehr als hundert Quadratmeter Wohnfläche“, sagte der
       Ökonom.
       
       ## Bauministerin optimistisch
       
       Bundesbauministerin Hubertz hingegen betonte, [3][der vom Bund geplante
       „Bau-Turbo“] solle bereits kommende Woche im Bundesrat beschlossen werden.
       
       „Dann kann es auch losgehen“, sagte die SPD-Politikerin. Der „Bau-Turbo“
       ist kein Förderprogramm, sondern soll die umfangreiche Bürokratie bei der
       Bauplanung stark reduzieren. Jahrelange Genehmigungsverfahren sollen so auf
       wenige Monate verkürzt werden können. „Wir drehen den Spieß um, wir geben
       den Kommunen die Brechstange an die Hand“, sagte Hubertz.
       
       Abgesehen davon verwies sie auf die geplante große Erhöhung der
       Fördermittel: „23,5 Milliarden für den sozialen Wohnungsbau, 11 Milliarden
       im Sondervermögen. Das ist eine Planbarkeit, die hatte die Baubranche noch
       nie“, sagte Hubertz. Als dritte kurzfristige Maßnahme nannte die Ministerin
       die Vereinfachung des Baugesetzbuchs, ein erster Referentenentwurf des
       Ministeriums soll zu Beginn nächste Jahres vorliegen.
       
       ## Baubranche skeptisch
       
       Was den Bau-Turbo betrifft, sind neben dem Pestel-Institut auch Baufirmen
       und -funktionäre skeptisch, dass dieser zum Befreiungsschlag wird. „Da habe
       ich so meine Zweifel“, sagte Peter Hübner, der Präsident des
       Bauindustrie-Verbands. In den kommunalen Baubehörden sei die Angst groß,
       einen Fehler zu machen – „und dann womöglich für diesen Fehler an die Wand
       gestellt zu werden“, kommentierte Eva Weiß, Chefin des zum Vonovia-Konzern
       gehörenden Bauunternehmens Buwog.
       
       Die Bauindustrie plädiert ebenso wie das Pestel-Institut für umfassende
       staatliche Förderung des Wohnungsbaus, unabhängig davon, ob es sich um
       Sozialwohnungen oder den gewöhnlichen Wohnungsbau handelt.
       Bauindustrie-Präsident Hübner forderte Steuererleichterungen.
       
       Bayerns Bauminister Christian Bernreiter (CSU) – derzeit Vorsitzender der
       Länder-Bauministerkonferenz – deutete an, dass diese möglicherweise im
       nächsten Jahr kommen könnten: „Das haben wir in der Koalitionsvereinbarung
       stehen und ich hoffe, dass das im Jahressteuergesetz 2026 dann enthalten
       ist.“
       
       Pestel-Chefökonom Günther hält vergünstigte Kredite für sinnvoll – ohne
       diese wie in den bisherigen Förderprogrammen üblich an Umwelt- oder
       sonstige Standards zu knüpfen. Der leichte Anstieg der
       Baugenehmigungszahlen in diesem Jahr jedenfalls bedeutet nach Günthers
       Einschätzung noch nicht, dass die Baukrise überwunden wäre: „In einer
       Baugenehmigung hat noch nie jemand gewohnt.“
       
       6 Oct 2025
       
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