URI: 
       # taz.de -- Schwimmerin Paula Barila Bolopa: Die Heldin der Langsamkeit
       
       > Im Sport gab es immer schon eine Faszination für chancenlose
       > Verlierer:innen. Doch bei Schwimmerin Paula Barila Bolopa währt der Hype
       > kurz.
       
   IMG Bild: Zwei Läuferinnen bei der Staffelübergabe
       
       Eine Minute und drei Sekunden reichen, um Paula Barila Bolopa berühmt zu
       machen. Medien belagern die Schwimmerin am Beckenrand, ein Radiosender ist
       live über Handy zugeschaltet, 17.000 Fans feiern sie frenetisch. Dabei hat
       sie gerade einen Negativrekord aufgestellt: Paula Barila Bolopa, die erste
       Frau, die für Äquatorialguinea im olympischen Schwimmen startet, ist bei
       den Spielen im Jahr 2000 über 50 Meter Freistil mit 1:03,97 die langsamste
       Zeit in der olympischen Geschichte geschwommen. Und viele Leute sind genau
       deswegen da.
       
       Wenige Tage zuvor war schließlich ihr Landsmann Éric Moussambani, ebenfalls
       Schwimmanfänger, als [1][„Eric the Eel“ zur olympischen Kultfigur]
       geworden. Das Publikum hat Geschmack am Narrativ gefunden. So werden Paula
       Barila Bolopas Bauchklatscher vom Startblock und ihr quälend langsames
       Strampeln über 50 Meter gefeiert wie eine Medaille. „Es war weiter, als ich
       dachte. Ich bin sehr müde“, sagt die Frau, die noch nie 50 Meter am Stück
       geschwommen ist, nachher erschöpft. Die Medien taufen sie hämisch „Paula
       the Crawler“, die Kriecherin.
       
       Es gibt im Sport seit jeher eine Faszination für die abgeschlagenen
       Letzten. Jene unzulänglichen, wackeren Figuren, die sich durchbeißen und in
       denen das Publikum sich selbst sieht. Plötzlich ist echte internationale
       Solidarität möglich. Zugleich hat es etwas Paternalistisches und
       Bloßstellendes, wenn aussichtslose Letzte – oft Menschen aus prekären
       Staaten – als Kultfiguren vereinnahmt werden. Eine Studie in der
       brasilianischen Revista Brasileira de Ciências do Esporte kommt zu dem
       Schluss, dass Medien bei Barila Bolopa und Moussambani immer wieder
       rassistische Stereotype bemühten oder rassifizierte Falschmeldungen
       verbreiteten. So hieß es, Barila Bolopa habe daheim mit Krokodilen
       schwimmen müssen.
       
       Die fröhlichen Verlierer:innen werden eben auch geliebt, weil sie
       Hierarchien nicht antasten. Wenn Schwarze Rekorde purzeln lassen, etwa in
       Laufwettbewerben, [2][steht das schnell unter Verdacht]. Auch Erfolge aus
       geopolitisch verfeindeten Staaten wie Russland, China oder Iran gelten
       nicht als Heldenmärchen. Den Rest der Welt feiert man am liebsten als
       tapfere Zwerge.
       
       ## Ernsthafte Olympiakritik
       
       Dabei übt Paula Barila Bolopa durchaus ernsthafte Olympiakritik. Die erst
       18-Jährige, die eigentlich Buchhalterin lernt, Fußball spielt und nur
       wenige Wochen vor dem Turnier mit dem Schwimmtraining begann, muss mangels
       Schwimmbädern in einem Hotelpool oder im Meer üben. Sie besitzt nicht
       einmal einen hochwertigen Badeanzug. „Ich weiß, dass ich niemals gewinnen
       werde, weil ich nicht dieselben Voraussetzungen habe“, sagt sie nüchtern.
       „Athletinnen wie ich sind schon im Nachteil, bevor das Event losgeht.“
       
       Die Zeit in Sydney kann die mittellose Paula Barila Bolopa nur dank
       Finanzhilfe des IOC verbringen. Für wenige Tage ist sie so etwas wie ein
       Social-Media-Hit des Prä-Social-Media-Zeitalters – und dann schnell
       vergessen. Denn für Frauen wie sie gilt noch etwas: Langfristige
       Kulthelden, das werden fast nur männliche Verlierer. Wie der britische
       Skispringer Michael Edwards alias „Eddie the Eagle“ oder [3][das
       jamaikanische Bob-Team], beide Protagonisten populärer Verfilmungen. Oder
       eben Éric Moussambani alias „Eric the Eel“. Der hat aus seinem Auftritt im
       Jahr 2000 eine erfolgreiche Medienkarriere aufgebaut und ist heute
       Nationaltrainer von Äquatorialguinea. Die zweite Pionierin Paula Barila
       Bolopa kommt in der Geschichte oft gar nicht mehr vor. Selbst bei den
       Letzten sind die Männer Erste.
       
       Was aus Barila Bolopa wurde? World Aquatics listet keine weiteren
       Wettkämpfe, auch das Internet und Social Media schweigen. Und schwimmende
       Frauen hat der Verband derzeit gar keine. Paula Barila Bolopa ist nach
       ihrer Minute Ruhm wieder von der Weltbühne verschwunden. Wer weiß, ob sie
       das betrauert oder ganz froh drum ist.
       
       16 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Das-sind-Wegwerfsieger/!1202919/
   DIR [2] /Caster-Semenya/!6096284
   DIR [3] /Diskriminierungsklage-von-Jamaika-Bob/!5830750
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alina Schwermer
       
       ## TAGS
       
   DIR Kolumne Erste Frauen
   DIR Schwimmen
   DIR Olympischer Sport
   DIR Frauensport
   DIR Social-Auswahl
   DIR Kolumne Erste Frauen
   DIR Kolumne Erste Frauen
   DIR Kolumne Erste Frauen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Sportlerin für Frauenrechte: Rennen für afghanische Mädchen
       
       Robina Jalali ist als erste Afghanin bei Olympia und zieht später ins
       Parlament ein. Seit die Taliban wieder an der Macht sind, fehlt von ihr
       jede Spur.
       
   DIR Historische Stuntfahrerin: Über eine Kluft durch die Luft
       
       Mauricia de Thiers macht 1904 den wohl ersten Salto mit Auto überhaupt.
       Viele sportfremde Frauen machten damals Karriere als Sensationsartistin.
       
   DIR Sprintchampion aus Westafrika: Königin der Bahn
       
       Sprinterin Gina Bass ist Gambias größter Sportstar. Sie trainiert im
       Ausland, weil sie in ihrer Heimat keine geeigneten Bedingungen vorfindet.