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       # taz.de -- Moderne Sklaverei: Cyberkriminalität dank Starlink
       
       > Myanmars Junta will bei einer Razzia gegen Onlinebetrug 30 Empfänger von
       > Musks Satellitennetzwerk beschlagnahmt haben. Wurden wirklich nur so
       > wenige benutzt?
       
   IMG Bild: Ein berüchtigtes Internetbetrugszentrum: der KK Park-Komplex in der östlichen Gemeinde Myawaddy in Myanmar, am 17. September 2025
       
       taz | Myanmars Militär hat bei einer Offensive gegen Rebellen der
       Karen-Ethnie im Grenzgebiet zu Thailand nach eigenen Angaben auch eine
       Razzia gegen ein bekanntes Onlinebetrugszentrum durchgeführt. Laut [1][The
       Global New Light of Myanmar], dem Propagandaorgan der Militärjunta,
       durchsuchten am Montag Soldaten das direkt am Grenzfluss Moei gelegene
       Industriegebiet KK Park im Norden der Stadt Myawaddy.
       
       Es seien 200 Gebäude mit 2.198 Beschäftigten durchsucht worden. Laut der
       Nachrichtenagentur AFP seien dabei 15 mutmaßliche „chinesische Betrüger“
       wegen Beteiligung an „Onlineglücksspielen, Onlinebetrug und anderen
       kriminellen Aktivitäten“ festgenommen worden. Im KK Park hatte es bereits
       im Februar eine Razzia gegeben.
       
       Das Militär betonte, dass auch 30 Internetempfänger des Satellitennetzwerks
       Starlink der Firma SpaceX des US-Milliardärs Elon Musk beschlagnahmt worden
       seien. Wegen vom Militär blockierter Internetverbindungen und der
       Abschaltung grenzüberschreitender Dienste durch Thailand sind in den
       letzten Monaten immer mehr myanmarische Betrugszentren auf schnelles
       Satelliteninternet ausgewichen.
       
       Thailands Regierung war im Februar gegen die Cyberkriminalität jenseits der
       Grenze vorgegangen, durch Abschaltung von Mobilfunkmasten und
       Elektrizitätsleitungen. Denn viele der Opfer verschiedener Betrugsmaschen
       sind auch Thais.
       
       ## Starlink gilt als Myanmars größter Internetprovider
       
       Starlink soll inzwischen Myanmars größter Internetprovider sein, hat dort
       aber keine Lizenz. Die Geräte dürften meist über die Grenze geschmuggelt
       werden. Die Agentur AFP hat kürzlich per Drohne den mit Zäunen, Mauern und
       Wachposten gesicherten KK Park überflogen. Allein auf dem Dach eines
       einzigen Gebäudes wurden dabei knapp 80 der an ihrer Form leicht zu
       erkennenden Starlink-Empfänger gezählt.
       
       Der australische [2][Analyst Nathan Ruser vom Australian Strategic Policy
       Institute (ASPI)] zählte in einer Auswertung von Satellitenaufnahmen des KK
       Parks schon zwei Wochen nach Thailands Maßnahmen im Februar dort mehr als
       1.000 Starlink-Empfänger. Inzwischen sollen es mehr als 2.000 sein. Die
       jetzige Beschlagnahmung von nur 30 Empfängern ist also erstaunlich wenig
       und wirft Fragen auf.
       
       Letzte Woche war bekannt geworden, dass inzwischen ein [3][Ausschuss des
       US-Kongresses die Rolle von Starlink bei den Onlinebetrügereien in Myanmar
       untersucht]. Das südostasiatische Land wird von den USA seit dem
       Militärputsch 2021 mit Sanktionen belegt. Musk und SpaceX haben sich bisher
       zu den Vorwürfen nicht geäußert.
       
       In Myanmar herrscht Bürgerkrieg zwischen der Junta und zahlreichen
       prodemokratischen und ethnischen Rebellengruppen. Hinzu kommen kriminelle
       Milizen, die wie die Karen Border Guard Force zusammen mit chinesischen
       Triaden in Cyberkriminalität, Drogenhandel und Menschenschmuggel verwickelt
       sind.
       
       Sie werden oft vom Militär protegiert, zum einen, weil sie für die Militärs
       die Drecksarbeit im Kampf gegen die Rebellen machen, zum anderen, weil sie
       die Generäle an ihren kriminellen Geschäften mitverdienen lassen. So
       verwundert es nicht, dass bei Razzien, die meist auf Druck der
       Nachbarländer durchgeführt werden, vor allem Ausländer festgenommen werden.
       Einheimische Hintermänner und Profiteure werden vorab gewarnt.
       
       ## Cybersklaven sind Täter und Opfer zugleich
       
       Die Cyberbetrugszentren, die vor allem von [4][Kambodscha] und Myanmar aus
       global operieren, locken ihre asiatischen und westlichen Opfer mit dem
       Versprechen auf die große Liebe oder schnelles Geld zu (Fehl-)Investitionen
       in Krypto-Währungen. Dabei bedienen sie sich sogenannter Cybersklaven, die
       mit dem Versprechen auf lukrative Jobs angelockt und dann als Gefangene
       unter Androhung von Gewalt zum Betrug gezwungen werden. Sie sind oft Opfer
       wie Täter gleichermaßen.
       
       Mit dem Hinweis auf Starlink könnte die Junta jetzt versuchen, von ihrer
       eigenen Verantwortung abzulenken. Dabei deutet die geringe Zahl von nur 30
       beschlagnahmten Empfängern letztlich auf eine nur halbherzige Razzia hin.
       Das mutmaßliche Ziel: Den Eindruck eines entschlossenen Handelns zu
       erwecken und Akteure im Ausland zu belasten und so von der eigenen
       Untätigkeit und Mitverantwortung abzulenken.
       
       21 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.gnlm.com.mm/tatmadaw-reoccupies-laykaekaw-area/
   DIR [2] https://aspicts.substack.com/p/the-monthly-roundup-nathan-ruser
   DIR [3] https://www.theguardian.com/world/2025/oct/14/us-congress-committee-investigating-musk-owned-starlink-over-myanmar-scam-centres
   DIR [4] /Casino-Kapitalismus-in-Kambodscha/!5921768
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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