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       # taz.de -- Rechtsruck in Deutschland: Feindbild Demokratie
       
       > Von rechts wird die gesamte Demokratieförderung infrage gestellt und mit
       > Kleinen Anfragen attackiert. Das bedroht die demokratische
       > Zivilgesellschaft.
       
   IMG Bild: Die Gedanken sind frei, und die Rechten woll'n sie wegdissen
       
       Nicht nur die Demokratie ist unter Druck, seit einiger Zeit sind es auch
       Teile der demokratischen Zivilgesellschaft und damit die gesamte politische
       Kultur. Das gilt für die Bundesrepublik wie auch für andere demokratische
       Staaten. Zivilgesellschaftliche Verbände, Organisationen und NGOs werden
       kritisch angegangen und zur Zielscheibe sowohl von Teilen der konservativen
       wie vor allem der autoritär-populistischen und extremen Rechten.
       
       Seit die AfD in Landtagen vertreten ist, fragt sie die Landesregierungen
       mit ihren Kleinen Anfragen wiederholt nach zivilgesellschaftlichen
       Organisationen und Verbänden, nach Jugendverbänden und soziokulturellen
       Zentren. Dazu zählen unter anderem die Naturfreunde, die SJD – Die Falken,
       die Gewerkschaftsjugend und Landesjugendringe. Sie will Auskunft über deren
       Förderung, Aktivitäten, Personal und Kooperationspartner. Ihnen wird damit
       signalisiert, dass man sie im Blick hat und was auf sie zukommt, wenn man
       Mehrheiten und exekutive Befugnisse hat.
       
       Wo die AfD auf kommunaler Ebene die Mehrheitsfraktion, den Landrat (im
       Landkreis Sonneberg), den Oberbürgermeister (in Pirna) oder Bürgermeister
       (in Raguhn-Jeßnitz und Moxa) stellt, da verhindert sie
       Demokratieförderprojekte. So zum Beispiel zusammen mit der CDU kürzlich im
       sächsischen Wurzen. Auf kommunaler Ebene gibt es von den AfD-Fraktionen
       quer durch die Republik Anträge auf Mittelkürzung oder -einstellung für
       sozio-kulturelle Zentren, demokratiefördernde Initiativen und Projekte
       sowie die alternative Szene.
       
       Im Februar 2025 hatte die zu der Zeit noch oppositionelle Union der
       rot-grünen Bundesregierung 551 Fragen zur Förderung von
       zivilgesellschaftlichen NGOs, Verbänden und Organisationen gestellt
       (Drucksache 20/15035). Mit der Formulierung „Staatlich finanzierte
       Organisationen müssen ihre politische Neutralität wahren“ war der Tenor,
       nach der Neutralität, Gemeinnützigkeit und Förderungswürdigkeit zu fragen.
       
       ## Diffamierung kritischer NGOs und Vereine
       
       Stets verbunden mit der Unterstellung, es würde eine links-kritische
       Orientierung gefördert. Die Anfragen werden mit Begriffen wie
       „Parallelregierung“ und „einseitige Narrative“ angefragt; zu ihnen gehörten
       auch der [1][BUND, die Deutsche Umwelthilfe, das Netzwerk Recherche,
       Campact, Greenpeace und die Omas gegen rechts].
       
       In Thüringen hat der Vize-Landesvorsitzende und Landtagsabgeordnete Uwe
       Thrum der AfD in seinem Podcast „Vereinnahmt“ angekündigt, gegen unliebsame
       Vereine vorgehen zu wollen. Es soll innerhalb der AfD eine Liste erstellt
       und die Finanzämter sollen zur Prüfung der Gemeinnützigkeit aufgefordert
       werden. Der AfD passt die ganze Richtung der demokratiepolitischen
       Förderung nicht, und nach Björn Höcke soll es generell keine
       „steuerfinanzierte Zivilgesellschaft“ – so seine diffamierende Formulierung
       – mehr geben.
       
       Im thüringischen Suhl ist kürzlich ein früherer NPD-Kader – mutmaßlich mit
       den Stimmen der CDU – in einen Demokratieausschuss gewählt wurden. Er
       entscheidet jetzt mit über die Verwendung von Mitteln aus dem
       Bundesprogramm „Demokratie leben!“ Zahlreiche weitere Beispiele zeigen auf
       kommunaler Ebene, dass die viel beschworene Brandmauer bröckelt und löchrig
       wird.
       
       Aktuell hat die Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und
       Jugend (CDU) nach Interventionen aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
       angekündigt, die Förderung im Rahmen des Bundesprogramms [2][„Demokratie
       leben!“ zu überarbeiten und die Antragsteller vom Verfassungsschutz prüfen
       zu lassen]. Diejenigen, die die Demokratie und die offene Gesellschaft
       verteidigen und lebendig halten, müssten dann ihr demokratisches Engagement
       nachweisen.
       
       ## Gemeinnützigkeit infrage gestellt
       
       In Österreich gibt es aktuell eine Anfrage der FPÖ an die Bundesregierung
       mit über 2.000 Fragen zu 700 NGOs. Gefragt wird nach der Verwendung von
       „Steuermillionen“, der „steuerfinanzierten Zivilgesellschaft“ und
       „Neutralität“. Hier hat der Bundeskanzler eine Prüfung mit Blick auf den
       „Nutzen“ versprochen.
       
       Die Hinweise haben ein gemeinsames Muster. Sie zeigen, dass es von
       rechtskonservativer und rechtspopulistischer sowie rechtsextremer Seite
       einen Generalverdacht gegenüber dem gemeinnützigen Sektor, der demokratisch
       engagierten und sich einmischenden Zivilgesellschaft gibt.
       
       Man will diese wohl aus der Förderung nehmen und versuchen abzuschaffen, so
       das autoritär-rechtspopulistische/-extreme Lager; oder man will mit Bezug
       auf ein falsch verstandenes politisches Neutralitätsverständnis – das es
       für freie Träger mit Blick auf ihre Eigenständigkeit und vor allem auf die
       Verfassung, die Menschenwürde, das Gleichheitsgebot nicht geben kann – eine
       politische Kultur mit einer braven und unpolitischen und keiner kritischen,
       einmischend engagierten Zivilgesellschaft, so das rechtskonservative Lager.
       
       ## Fatale Folgen
       
       Wenn dies gewollt ist und Realität würde, dann hätte das [3][fatale Folgen
       für eine lebendige Demokratie und offene Gesellschaft], in der das
       vielfältige freiwillige Engagement mündiger Bürger*innen mit ihren
       Traditionslinien, Themen und Aktivitäten, ihren Kulturen, Milieus und
       Lebenswelten eine politische, moralische und partizipative Kraft ist. Ob
       die Diffamierungen und Angriffe auf einen schleichenden Erosionsprozess
       hinweisen, das bleibt abzuwarten.
       
       Ein Schreckensbild ist, wenn die AfD in Sachsen-Anhalt und
       Mecklenburg-Vorpommern 2026 die Landtagswahlen gewinnen sollte und
       exekutive Macht bekäme. Es wäre auf Länderebene ein Schritt in eine
       autoritär formierte Gesellschaft und einen autokratischen Staat.
       
       Aber es gibt auch die andere Seite: Eine aktive, breite und bunte
       Zivilgesellschaft als entwickelter Bestandteil der politischen Kultur, die
       mit ihren Themen, Projekten und auf den Straßen reklamieren, wem die
       Republik gehört; die sich nicht einschüchtern lässt und widerständig ist.
       Wir erleben aktuell zu vielen Anlässen, wie groß hier das Potenzial quer
       durch die Bevölkerung ist.
       
       24 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Hafeneger
       
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