URI: 
       # taz.de -- Deutsche Umwelthilfe über Bauturbo: „Wir brauchen einen Fokus auf den Umbau“
       
       > Dem Bau-Turbo fehlen soziale Vorgaben, kritisiert Barbara Metz,
       > Geschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe. Er konterkariere zudem die
       > Klimaziele.
       
   IMG Bild: Mit dem Bau-Turbo kann man jetzt wieder einfacher Einfamilienhaussiedlungen bauen
       
       taz: Frau Metz, mit dem Bau-Turbo können Kommunen künftig neue Wohnungen
       nach dreimonatiger Prüfung zulassen. Finden Sie an diesem Vorhaben
       irgendetwas gut? 
       
       Barbara Metz: Nein. So wie er jetzt ist, ist er nicht zielführend. Der
       Ursprungsgedanke war ja, damit mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. In
       einem früheren Entwurf war auch geplant, dass der Turbo nur für angespannte
       Wohnungsmärkte und nur für Mehrfamilienhäuser gelten soll. Das ist aber
       beides rausgefallen.
       
       taz: Was befürchten Sie? 
       
       Metz: Anstatt dass günstige Wohnungen dort entstehen, wo sie gebraucht
       werden, kann man jetzt wieder einfacher Einfamilienhaussiedlungen bauen.
       Dazu kommt, dass der Bau-Turbo sogar im Außenbereich gilt. Das muss
       dringend gestrichen werden.
       
       taz: Was ist mit Außenbereich gemeint? 
       
       Metz: Beim Bau-Turbo bezieht sich der „Außenbereich“ auf Flächen außerhalb
       der im Bebauungsplan festgesetzten Siedlungs- und Baugebiete. Also Gebiete,
       die nach dem Baugesetzbuch nicht als Bauland ausgewiesen sind. Bislang gibt
       es im Baugesetzbuch eine Vorgabe, dass dieser Außenbereich nicht einfach
       bebaut werden darf – bis auf ein paar Ausnahmen für privilegierte Maßnahmen
       wie Windräder zum Beispiel.
       
       taz: Künftig dürfen also einfach naturbelassene oder unbebaute Flächen
       bebaut werden? 
       
       Metz: Exakt. Und das ist angesichts der Tatsache, dass wir in Deutschland
       schon einen sehr hohen Versiegelungsgrad haben, fatal. Eigentlich gibt es
       das politische Ziel, dass wir die Versiegelung bis zum Jahr 2045 auf netto
       null reduzieren müssen. Der Turbo ist aber das genaue Gegenteil.
       
       taz: Sie wollen keine neuen Einfamilienhäuser auf der grünen Wiese … 
       
       Metz: Ich gönne jedem sein Einfamilienhaus, aber die Flächen haben wir in
       Deutschland nicht mehr zur Verfügung. Wenn wir Naturschutzgebiete und
       landwirtschaftliche Flächen bebauen, dann entstehen dort nicht nur
       Wohnungen, sondern man braucht dann immer noch die Infrastruktur dazu,
       Straßen, Schulen, Supermärkte. Das heißt, es wird noch mehr versiegelt –
       und das ist einfach nicht kompatibel mit den Klimazielen. Der Gebäudesektor
       hat die Klimaziele schon viermal gerissen.
       
       taz: Aber mehr bezahlbarer Wohnraum ist [1][auch eine soziale Frage]. 
       
       Metz: Aber im Bau-Turbo gibt es keine Vorgaben, Sozialwohnungen oder
       bezahlbare Wohnungen zu bauen, sondern es kann in jedem Segment gebaut
       werden. Wenn ich jetzt Bauherrin bin und ich habe ein finanzkräftiges
       Publikum, das mir das Gebaute später abnimmt, dann kann ich das irgendwo
       auf dem Land machen. Das wird das Problem der vielen fehlenden bezahlbaren
       Wohnungen nicht lösen.
       
       taz: Ist Bauen für Sie überhaupt kompatibel mit Klimazielen? 
       
       Metz: Wir können zum Beispiel beeinflussen, wie energieeffizient ein
       Gebäude sein soll. Aber auch da gibt es keine Bedingungen, die im Bau-Turbo
       formuliert sind. Aber noch wichtiger ist: Im innerstädtischen Bereich liegt
       noch viel Potenzial, um nachzuverdichten [2][und umzubauen]. Selbst in den
       angespannten Wohnungsmärkten [3][gibt es noch Leerstand]. Das müssten wir
       zuerst adressieren.
       
       taz: Sind nicht gerade die Städte schon oft sehr dicht bebaut? 
       
       Metz: Auch in Städten wie Berlin oder München kann man noch nachverdichten.
       Es gibt auch dort Brachflächen und die könnten wir viel stärker nutzen für
       einen nachhaltigen städtischen Umbau mitsamt Grünflächen. Wir wissen, die
       Hitzesommer werden größer, wir brauchen mehr Grün und mehr Schatten. Gerade
       die Nachverdichtung kann gezielt dafür genutzt werden.
       
       taz: Nachverdichten bietet Potenzial zur Begrünung? Widerspricht sich das
       nicht? 
       
       Metz: Auf Brachflächen in Städten finden Sie meist kein besonders
       qualifiziertes Grün.
       
       taz: Sie meinen die Brache, auf der ein paar Gräser wachsen? 
       
       Metz: Genau. Sie können ja heute nicht nur Fassaden, Dächer und Hinterhöfe
       begrünen. Wenn Sie sowieso bauen und die Straße aufmachen, dann können Sie
       auch gleich Bäume mitpflanzen.
       
       taz: Sie fordern gemeinsam [4][mit Architects for Future] und der
       Bundesarchitektenkammer, dass es statt eines Bau-Turbos einen Umbau-Turbo
       geben soll. Was ist damit gemeint? 
       
       Metz: Wir haben ein Baugesetz, das aus einer Zeit stammt, in der
       Deutschland neu aufgebaut werden musste nach einem Krieg. Deswegen ist es
       sehr stark auf den Neubau fokussiert. Was wir jetzt brauchen, ist ein Fokus
       auf den Umbau, das Bauen im Bestand. Das ist zurzeit sehr unattraktiv.
       
       taz: Haben Sie ein Beispiel? 
       
       Metz: Wenn ich ein Dach ausbauen will – was ja eine gute Idee wäre bei
       fehlendem Wohnraum – dann muss ich mir das erst genehmigen lassen. Warum
       eigentlich? Diesen Schritt könnte man sich sparen. Bisher wird aber jeder
       Ausbau wie ein Neubau behandelt, mit allen Standards und Anforderungen. Im
       Bestand ist es aber viel schwieriger, mit diesen Vorgaben umzugehen. Da
       könnte man Erleichterungen im Baurecht schaffen, die ein flexibles Umbauen
       ermöglichen. Das kostet auch erst mal nichts, sondern es geht wirklich um
       ein Umdenken.
       
       9 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Mieterbund-Praesidentin-zur-Mietenpolitik/!6101338
   DIR [2] /Gruenenpolitiker-ueber-Zukunft-des-Bauens/!6077889
   DIR [3] /Wohnungspolitik-gegen-Abwanderung/!6060044
   DIR [4] /Architekturexpertin-ueber-Wohnungsbau/!6009296
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jasmin Kalarickal
       
       ## TAGS
       
   DIR Bauen
   DIR Schwarz-rote Koalition
   DIR Naturschutz
   DIR Wohnungsnot
   DIR Wohnraummangel
   DIR Wohnen
   DIR Wohnraum
   DIR Wohnen
   DIR Wohnen
   DIR Klima
   DIR Bauministerium
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR „Bau-Turbo“-Gesetz tritt in Kraft: Wohnraum um jeden Preis
       
       Das „Bau-Turbo“-Gesetz ist in Kraft. Wohnungen sollen schneller gebaut
       werden. Im Zweifel auch gegen das Interesse von Bürger:innen und Umwelt.
       
   DIR Bundestag beschließt Baugesetz: Turbo mit zweifelhafter Wirkung
       
       Mit dem Bau-Turbo sollen Planungsprozesse beschleunigt werden. Grüne und
       Linke befürchten, dass das die Bodenspekulation anheizen wird.
       
   DIR Mieterbund-Präsidentin zur Mietenpolitik: „Wohnen ist die soziale Krise unserer Zeit“
       
       Melanie Weber-Moritz fordert Bußgelder für Verstöße gegen die
       Mietpreisbremse. Wer die Wohnungsfrage lösen wolle, müsse auf Wien
       schauen.
       
   DIR Besseres Bauen: Stockt auf, nehmt Holz, baut um!
       
       Der Bau-Turbo der Bundesregierung ist weder sozial gerecht noch
       klimaschonend, sagen Verbände und Architekten. Wie dann günstigen Wohnraum
       schaffen?
       
   DIR Bauministerin Verena Hubertz: Bauen first, Bedenken second
       
       Die neue Bauministerin war früher Unternehmerin. Sie setzt auf Tempo, vor
       allem bei den Genehmigungsverfahren. Das soll die anfallenden Kosten
       halbieren.