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       # taz.de -- Ermittlungen gegen Polizeibedienstete: Jupheidi und Jupheida, Hausdurchsuchung, Razzia
       
       > Schläge, Tritte, Stöße: Frankfurter Beamt:innen stehen in Verdacht der
       > Körperverletzung, der Strafvereitelung und der Verfolgung Unschuldiger.
       
   IMG Bild: Einsatzfahrzeuge der Polizei vor dem ersten Polizeirevier in Frankfurt am Main, 10. Oktober
       
       Frankfurt/Main taz | Wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt, der
       Strafvereitelung im Amt und der Verfolgung Unschuldiger wurden am
       Freitagmorgen die Dienststellen und Wohnungen mehrerer Frankfurter
       Polizist:innen durchsucht. Das teilten die Staatsanwaltschaft Frankfurt
       und das hessische Landeskriminalamt mit.
       
       Die Ermittlungen richten sich gegen fünf Polizeibeamtinnen und zwölf
       Polizeibeamte im Alter zwischen 24 und 56 Jahren, die im Ersten
       Polizeirevier in Frankfurt im Streifendienst und in der vorgesetzten
       Dienstgruppenleitung eingesetzt waren. Ihnen werden auch Strafvereitelung
       im Amt und die Verfolgung Unschuldiger vorgeworfen. Durchsucht wurden vier
       Dienststellen und 21 Wohnanschriften.
       
       Konkret wird den Beschuldigten vorgeworfen, von Februar bis Ende April
       dieses Jahres sechs Männern während oder nach Festnahmen unberechtigt
       körperlichen Schaden zugefügt zu haben beziehungsweise solche Taten
       geduldet und nicht angezeigt zu haben. Laut der Frankfurter
       Staatsanwaltschaft geht es um „Schläge, Tritte, Stöße mit dem Kopf gegen
       die Wand und Tür“. In einem Fall soll ein Geschädigter die Treppe
       hinuntergestoßen worden sein.
       
       Die Opfer, deren Anzeigen die Ermittlungen auslösten, sollen Schürfwunden,
       Gesichtsprellungen und in einem Fall einen Nasenbeinbruch erlitten haben,
       so der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Dominik Mies. Bei den Geschädigten
       soll es sich um zwei deutsche Staatsbürger, zwei Algerier sowie zwei
       Staatenlose, die in Syrien geboren worden sind, handeln.
       
       ## Taten sollten vertuscht werden
       
       Den Angaben von Staatsanwaltschaft zufolge liegen Aufzeichnungen von
       einigen Taten vor, teils durch die Videoüberwachung im Polizeirevier, teils
       durch Bodycams oder öffentliche Videoanlagen. Um das eigene Vorgehen und
       ihre Gewaltanwendung nachträglich zu rechtfertigen, sollen die
       Beamt:innen in fünf Fällen auch noch Ermittlungsverfahren wegen des
       Verdachts des Widerstands oder eines tätlichen Angriffs auf
       Vollstreckungsbeamte eröffnet haben.
       
       Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) kündigte am Freitag sofortige
       personelle Konsequenzen an. Bei sechs Beschuldigten werde wegen „besonders
       gravierender Vorwurfslagen“ unverzüglich ein Verbot des Führens der
       Dienstgeschäfte ausgesprochen. Gegen alle 17 Beschuldigten würden
       Disziplinarverfahren eingeleitet. Die Dienstgruppe des 1. Reviers, gegen
       die Vorwürfe bestehen, soll zudem komplett neu aufgestellt werden.
       
       Außerdem soll die Führung des Ersten Frankfurter Polizeireviers
       ausgetauscht werden, auch wenn „es derzeit keinerlei Anhaltspunkte für eine
       Vorwurfslage gegen die bisherige Revierleitung gibt“, wie Poseck betonte.
       Eine sehr erfahrene Führungskraft aus dem Hessischen Polizeipräsidium soll
       die Leitung umgehend übernehmen. „Es ist ein Grundpfeiler unseres
       Rechtsstaats, dass die Menschen darauf vertrauen können, dass die Polizei
       Gewalt nur bei Zwangsmaßnahmen und im Rahmen des erforderlichen Umfanges
       anwendet“, sagte Poseck.
       
       Als „sehr gravierend“ bezeichnete Frankfurts Polizeipräsident Stefan Müller
       die im Raum stehenden Vorwürfe. „Die Verdachtslagen gegen die Polizistinnen
       und Polizisten erschüttern mich und gefährden das Ansehen unserer Polizei“,
       sagte er. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in eine integre Polizei
       sei „Grundvoraussetzung für unser tägliches Handeln und für unseren
       Erfolg“.
       
       An den Durchsuchungen am Freitagmorgen waren rund 150 Kräfte des
       Landeskriminalamtes sowie Beamt:innen der Staatsanwaltschaft beteiligt.
       Bei den Verdächtigen wurden Mobiltelefone und Datenträger sichergestellt.
       Diese würden nun ausgewertet.
       
       ## Revier war schon mal in den Schlagzeilen
       
       „Bislang liegen keine Hinweise auf ein extremistisches Motiv vor“,
       schreiben die Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt [1][in ihrer
       Mitteilung]. Dieser Hinweis könnte darin begründet sein, dass das Erste
       Polizeirevier in Frankfurt vor einiger Zeit schon einmal in die
       Schlagzeilen geraten war: Nach rechtsextremen Drohschreiben mit der
       Unterschrift „NSU 2.0“ an zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens
       liefen zwischenzeitlich Ermittlungen in dem Komplex gegen einen Polizisten
       und eine Polizistin des Reviers, sie [2][wurden aber Ende 2023
       eingestellt].
       
       Im Sommer 2024 [3][entschied das Oberlandesgericht Frankfurt], dass auch
       fünf Beamt:innen, die zwischen 2014 und 2018 rechtsextremes Gedankengut in
       mehreren Chatgruppen verbreitet hatten, juristische Konsequenzen erspart
       blieben. Die Chatgruppen, in der die Polizist:innen über jüdische
       Menschen, Schwarze, Migrant:innen und Menschen mit Behinderung hetzten
       sowie Hitlerbilder und Hakenkreuze austauschten, war nur durch Zufall
       aufgeflogen: Im Zuge der Ermittlungen der [4][„NSU 2.0“-Drohschreiben]
       gegen die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız, die auch NSU-Opfer
       vertritt, und weitere Betroffene.
       
       Die Beschuldigten hätten zwar „in erheblichem Umfang teilweise nur schwer
       erträgliche menschenverachtende, rechtsextreme, gewaltverherrlichende,
       antisemitische, ableistische und rassistische Inhalte geteilt“, [5][befand
       damals das Gericht]. Strafbar aber sei dies wegen der privaten Chatgruppen
       und deren „überschaubarem Personenkreis“ nicht. Für eine Verurteilung wegen
       Volksverhetzung brauche es eine größere Öffentlichkeit.
       
       10 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/43563/6134829
   DIR [2] /Ermittlungen-zu-NSU-20-eingestellt/!5989941
   DIR [3] /Rechtsextreme-Polizeichats-in-Hessen/!6020271
   DIR [4] /Drohmail-Affaere-NSU-20/!5831543
   DIR [5] /Straffreie-rechtsextreme-Polizeichats/!5919363
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
   DIR Yağmur Ekim Çay
       
       ## TAGS
       
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