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       # taz.de -- Umgang mit Klassismus: Armut im Hamsterrad: Kampf ohne Ankommen
       
       > Ausgrenzung, psychischer Druck, Scham – welche Folgen bringt Armut mit
       > sich? Darüber sprechen der ostdeutsche Aktivist Malik und der
       > westdeutsche Autor Olivier David.
       
       Rund 13 Millionen Menschen in Deutschland gelten als arm. In der aktuellen
       Folge Mauerecho spricht Dennis Chiponda über [1][Armut], Klassismus und die
       damit verbundene soziale Ausgrenzung, den psychischen Druck und die Scham,
       die viele Betroffene empfinden.
       
       Dazu hat er zwei Gäste eingeladen: den ostdeutschen Aktivisten Malik (auf
       Social Media bekannt als malik.yannick), der auf TikTok und Instagram über
       Armutsbetroffenheit und Klassismus im Kultur- und Universitätsbetrieb
       spricht, sowie den westdeutschen Autor und Journalisten Olivier David.
       David beleuchtet in seinen Büchern Keine Aufstiegsgeschichte und Von der
       namenlosen Menge autobiografisch die gesellschaftlichen Hintergründe von
       Armut.
       
       Im Gespräch geht es darum, dass in Deutschland oft die Sprache fehlt, um
       Armutsverhältnisse richtig benennen zu können. Malik berichtet, dass ihm
       erst im Studium im Vergleich zu Kommiliton*innen aus anderen sozialen
       Milieus bewusst wurde, dass hinter der Armut, in der er aufgewachsen ist,
       ein größeres gesellschaftliches System steht.
       
       David erläutert, dass die Ursachen von Armut selten als strukturell
       begriffen werden, was dazu führt, dass Betroffene ihre Situation als
       persönliches Versagen wahrnehmen. „Bei mir wurde alles immer
       individualisiert. Ich war zu faul, ich war zu langsam, ich war zu laut, zu
       störend, zu, zu, zu, zu, zu.“ Es sei empowernd, Worte für diese
       Verhältnisse zu finden, um Armut nicht länger als selbstverschuldet zu
       betrachten.
       
       ## Sprachlosigkeit und Scham
       
       Wenn über Klassenunterschiede nicht offen gesprochen wird, führt das häufig
       zu Scham. Malik schildert, dass ihm im Austausch mit westdeutschen
       Kommiliton*innen immer wieder die starken Unterschiede in ihren
       Lebensrealitäten bewusst wurden. Während sie darüber sprachen, wie
       unangenehm es wäre, wenn die Bankkarte an der Kasse einmal abgelehnt würde,
       war ihm genau das bereits mehrfach passiert.
       
       Solche Erlebnisse hätten sowohl Unverständnis als auch Scham ausgelöst –
       eine Scham, die er bis heute nicht vollständig überwunden hat. „Aber es
       geht mir gar nicht darum, meine Scham zu 100% abzubauen. Das ist gar nicht
       mein Ziel an diesem Punkt.“
       
       Darüber hinaus diskutieren Malik und David die Folgen von Armut, wie den
       Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe und die Zunahme psychischer
       Erkrankungen. David betont außerdem, dass Armut oft zu Selbstisolation
       führt. In den unteren sozialen Klassen sei die Wahlbeteiligung
       überdurchschnittlich niedrig. „Einerseits ist das eine Art stummer, stiller
       Protest: Ich mache da nicht mit, die Welt richtet sich gegen mich.“, sagt
       er. Andererseits nehme man so auch eine passive gesellschaftliche Rolle
       ein.
       
       ## Welchen Umgang mit Klassismus braucht es?
       
       Auf die Frage nach konstruktiven Lösungsansätzen gegen Klassismus zeigt
       sich Malik skeptisch. Viele Ansätze seien lediglich Symptombekämpfung. Auch
       mehr Aufklärung führe nicht zwangsläufig dazu, dass Menschen aus höheren
       Klassen aktiv gegen Armut vorgehen.
       
       David stimmt ihm zu. Er erklärt, dass er seine Literatur inzwischen nicht
       mehr für ein bürgerliches Publikum schreibe, sondern die Arbeiterklasse
       direkt ansprechen und stärken wolle. So könne ein Bewusstsein für die
       eigene Klassenzugehörigkeit und für notwendige gesellschaftliche Kämpfe
       entstehen. „Das werde ich zwar wahrscheinlich nicht mehr erleben, aber
       jemand muss es ja auch vorbereiten.“
       
       „Mauerecho – Ost trifft West“ ist ein Podcast der [2][taz Panter Stiftung].
       Er erscheint jede Woche Sonntag auf [3][taz.de/mauerecho] sowie überall, wo
       es Podcasts gibt. Besonderen Dank gilt unserem Tonmeister Daniel Fromm.
       
       12 Oct 2025
       
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