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       # taz.de -- Basketball-Nachwuchs aus Erfurt: Ein Thüringer Baller träumt
       
       > Das Basketballtalent Musa Abra, 19, spielt bei den Löwen Erfurt. Trotz
       > Rassismuserfahrung steht er zu seiner Heimat. Und möchte doch weg – in
       > die USA.
       
   IMG Bild: Unwiderstehlich: Musa Abra zieht im Spiel gegen den BBC Coburg zum Korb
       
       Es braucht kein ganzes Viertel um zu checken, wer beim Eröffnungsspiel der
       Basketball Löwen Erfurt in der Riethsporthalle zu den Topspielern gehört.
       Musa Abra verteilt die Bälle, penetriert mit langen, schnellen Schritten
       zum Korb, springt ab und steht bestimmt einen Meter über den Boden wenn er
       den Wurf nimmt. Und trifft.
       
       Nach nur zehn Minuten Spielzeit hat der Point Guard mit der Nummer 8 auf
       dem Trikot alleine mehr als die Hälfte aller Erfurter Punkte gemacht. Vor
       drei Jahren stand er das erste Mal für das Team aus der 2. Bundesliga ProB
       auf dem Spielfeld. Damals war er gerade einmal 16 Jahre alt.
       
       Wenig später gehört er zu den Stammspielern der Löwen. In diesem Sommer
       wurde er mit der U19-Nationalmannschaft Vizeweltmeister. Mittlerweile zählt
       er zu den größten deutschen Basketball-Nachwuchstalenten. Und seine
       Ambitionen sind groß. Das Ziel lautet selbstverständlich: die USA.
       
       ## Ein bescheidener Typ
       
       Obwohl er sicherlich zu den prominentesten jungen Leuten der thüringischen
       Hauptstadt gehört und – wie sein Trainer Florian Gut erzählt – regelmäßig
       auf der Straße erkannt wird, ist Abra – gerade erst 19 Jahre alt geworden –
       eher der bescheidene, bodenständige Typ.
       
       Im Spielaufbau stets bestimmt und selbstbewusst, wirkt er in der VIP-Lounge
       der Löwen fast schon schüchtern. Im sportlichen Outfit und mit der
       Wasserflasche in der Hand erzählt er, wie er mit neun Jahren zu dem Sport
       kam, der jetzt fast sein ganzes Leben bestimmt. Durch Zufall nämlich.
       
       „Ein Grundschulfreund, der frisch beim BC Erfurt angefangen hatte, meinte
       damals: Willst du nicht mal mitkommen zum Basketball? Ab da haben wir
       zusammen gespielt“, sagt er. Dieser Freund ist Léonar Fliege, der heute mit
       ihm zusammen für die Löwen auf dem Platz steht. Auch, wenn es schon von dem
       ein oder anderen Verein den Versuch gab, Abra abzuwerben, möchte dieser
       diese Saison erst mal weiter für die Löwen spielen. Er hat sich zum
       Wintersemester auch schon mal für ein Studium der Sozial- und
       Wirtschaftswissenschaften an der Uni Erfurt eingeschrieben.
       
       Denn obwohl in Weimar geboren, ist Erfurt seine Heimat. Man merkt, wenn man
       mit ihm spricht, eine starke Verbundenheit mit der Stadt, in der er
       aufgewachsen ist. Da gibt es Höhen und Tiefen. Musa Abras Mutter stammt aus
       Sachsen, der Vater aus dem Sudan und dann hat er noch zwei ältere
       Schwestern, von denen er ziemlich viel hält, auch was ihr politisches
       Engagement gegen Rassismus angeht.
       
       ## Wachsendem Rassismus und Rechtsextremismus
       
       Es ist nicht immer einfach für nicht-weiße Personen in einem Bundesland, in
       dem Rechtsextremismus schon lange keine Randerscheinung mehr ist. Nachdem
       Löwen-Trainer Florian Gut vergangenes Jahr zusammen mit Björn Harmsen, dem
       Trainer des Erstligisten Science City Jena, [1][einen offenen Brief
       veröffentlicht hatte, in dem er vor dem wachsendem Rassismus und der
       Normalisierung rechtsextremer Positionen in Thüringen warnt,] hatte sich
       auch Abra dazu positioniert.
       
       „An meiner Schule gab es zwei Schwarze. Ich war einer davon“, sagt Abra.
       „In den letzten Jahren kommt der Rassismus mehr oder überwiegend von
       Jugendlichen selbst.“ Manche kenne er schon von klein auf.
       
       Auch seine Mutter habe deswegen immer wieder darüber nachgedacht, aus der
       Region wegzuziehen. „Es ist aber besser, nicht zurückzuschrecken, sondern
       dagegen anzukämpfen, ein Zeichen zu setzen, indem man bleibt“, meint er und
       erzählt dann von seinem Vater. „Wenn ich seine Erzählungen von früher höre,
       klingt das fast noch schlimmer als heutzutage. Der Rassismus war mit noch
       viel mehr Gewalt verbunden.“
       
       Deswegen habe dieser ihm beigebracht, dass man sich wehren muss. Wenn es
       sein muss, mit den Fäusten. Doch das sei noch nie Musa Abras Art gewesen.
       
       ## Das sudanesische Bistro des Vaters
       
       Er setzt lieber auf Orte des Austausches, wie zum Beispiel das sudanesische
       Bistro mitten in der Erfurter Innenstadt, das sein Vater nun seit vielen
       Jahren schon betreibt und wo auch Abra einmal die Woche arbeitet. In dem
       Bistro arbeiten viele ganz junge Leute.
       
       Viele von denen, die nicht in Deutschland geboren seien oder deren Eltern
       noch nicht lange in Deutschland lebten, hätten noch mal krassere
       Erfahrungen gemacht. „Irgendwann entwickelt sich so eine Wut in den
       Menschen. Darüber reden, sich austauschen können, befreit“, sagt Abra und
       klingt ziemlich reflektiert für sein doch noch so junges Alter.
       
       Auch der Basketball spielt in dieser Hinsicht für ihn eine große Rolle.
       „Wenn man mit den Jungs Basketball spielt, spielt der Rest keine Rolle.“ Ob
       Abra noch lange in Erfurt bleiben wird, ist allerdings mehr als fraglich.
       Denn: „Mein Ziel ist es auf jeden Fall, bald am College zu spielen. In
       Amerika“, sagt Abra vorsichtig, aber schon mit einem kleinen Funkeln in den
       Augen.
       
       „Jetzt möchte ich die Saison bestmöglich nutzen, das Beste für das Team
       rausholen, aber auch für mich selbst. Dass ich mich weiterentwickle, um
       dann am College zu spielen.“ Und danach? „Mal schauen.“ Noch mag er sie
       nicht aussprechen, die drei großen Buchstaben: NBA. Abras Träume und Pläne
       sind groß, aber nicht unrealistisch.
       
       ## Coach, Agenten und ganz viel Geld
       
       Und außerdem ist da noch sein Coach Florian Gut, der den jungen Spieler
       seit einigen Jahren begleitet, sich um ihn kümmert, den Rücken stärkt und
       ihn fördert. Mit Zufriedenheit beobachtet Gut, wie Abra durch die
       internationale Spielerfahrung während der U19-WM an Selbstvertrauen
       gewonnen hat, schaut aber zugleich, dass sein Schützling die Füße auf dem
       Boden behält.
       
       Gut steht im Kontakt mit Abras Eltern und freut sich darüber, dass diese,
       bodenständig, wie sie sind, ihren Sohn zu nichts drängen. Und natürlich
       freut er sich auch darüber, dass gerade sein Verein ein solches Talent
       hervorgebracht hat.
       
       Beim Gespräch in der VIP-Lounge ist Gut auch mit dabei und zeigt stolz ein
       Foto, das vor gar nicht allzu langer Zeit geschossen wurde: Musa Abra mit
       11 Jahren und einem ihm viel zu großen Löwen-Trikot neben einem damaligen
       Profispieler. Fünf Jahre später wurde das Foto nachgestellt: Abra neben
       demselben Löwen-Spieler von damals, nur deutlich gewachsen und selbst
       Löwen-Spieler.
       
       Mittlerweile hat Abra einen Agenten, denn auch darauf achtet Gut. „In den
       letzten vier Jahren hat sich der College-Basketball in den USA unglaublich
       professionalisiert. Dadurch ist es jetzt sehr hilfreich bis fast notwendig,
       mit einer professionellen Agentur zu arbeiten. Da geht es um sehr, sehr
       viel Geld“, sagt er und meint damit die sogenannten [2][NIL-Verträge, die
       es seit 2021 jungen College-Sportlern ermöglichen, ihre Markenrechte
       professionell zu verkaufen] und damit durch Sponsoring, Werbeauftritte oder
       den Verkauf von Fanartikeln Geld zu machen. NIL steht dabei für „Name,
       Image, Likeness“.
       
       ## Kobe Bryants „Mamba Mentality“ als Vorbild
       
       In der U19 des Deutschen Basketball-Bundes stand Abra mit etlichen
       Mitspielern auf dem Parkett, die mittlerweile in den USA am College
       teilweise hohe sechs- bis siebenstellige Beträge verdienen. Eine
       Vorstellung, bei der es schwierig erscheint, so ruhig und besonnen zu
       bleiben, wie Abra nach außen hin wirkt.
       
       Mit seinen 1,87 Meter ist Abra heute übrigens nur ein klein wenig größer
       als der aktuelle Point Guard der deutschen Nationalmannschaft Dennis
       Schröder. Vom Spielstil sei sein Lieblingsspieler aber Kyrie Irving, der
       Point Guard der Dallas Mavericks. Und was die Einstellung in Spiel und
       Training angeht, sei sein großes Vorbild die „Mamba Mentality“ von
       [3][NBA-Legende Kobe Bryant.]
       
       An diesem Spieltag verlieren die Löwen am Ende knapp gegen den BBC Coburg.
       Topscorer des Teams ist Abra mit 24 Punkten, und das, obwohl er sich zum
       dritten Viertel leicht verletzt und für eine längere Zeit auf die Bank
       muss.
       
       Eins ist klar: es wird noch ein langer Weg für Musa Abra. Doch vor allem
       für die jüngeren Zuschauer in der Halle ist er trotzdem schon jetzt ein
       wahrer Star.
       
       24 Oct 2025
       
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