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       # taz.de -- KI-Konkurrenz für Wikipedia: Angriff auf die Schwarmintelligenz
       
       > Elon Musks Unternehmen xAI hat eine Konkurrenz-Plattform zur Wikipedia
       > gestartet. Aber welchen Mehrwert bringt eine KI, die keine Wahrheit
       > kennt, nur Wahrscheinlichkeiten und Ideologie?
       
   IMG Bild: Platz da, Wikipedia: Hier kommt Grok!
       
       Früher galt die Verwendung von Wikipedia irgendwie als anrüchig, zumindest
       in der Schule. [1][Fast 25 Jahre nach ihrer Gründung] hat die größte
       Enzyklopädie der Welt zum Glück einen viel besseren Ruf. Und wir merken,
       was wirklich stinkt: die Grokipedia.
       
       Die neue Plattform vom Elon-Musk-Unternehmen xAI soll eine Konkurrenz zu
       Wikipedia sein und basiert auf Beiträgen der KI Grok, die in den
       vergangenen Monaten diverse Male wegen rechter und menschenverachtender
       „Aussetzer“ heftig kritisiert wurde. [2][Der Bot nannte etwa Hitler eine
       Lösung für den „abscheulichen Hass gegen Weiße“]. Danach tat er so, als
       wär’s ein Witz gewesen. „Schwarze Satire“, sagt Grok. Ich sage: Das ist
       klassische Gesprächsführung von Nazis am Kneipentresen. Jetzt darf diese KI
       also eine Online-Enzyklopädie aufbauen. Das ist ein direkter Angriff auf
       das Wissen im Internet.
       
       Darum steht es momentan ohnehin nicht gut, insbesondere wenn man den Umgang
       der US-Regierung mit dem freien Wissen im Internet betrachtet. Die hat
       unter Beifall von Musk in den vergangenen Monaten Regierungswebsites vom
       Netz genommen, über Verhütung etwa oder über den Klimawandel. Bilder und
       andere Informationen, die auf Queers, Schwarze, Native Americans und ihre
       Leistungen für den Staat verweisen, hat sie aus Archiven und Gedenkseiten
       gelöscht.
       
       Sie hat versucht, den Golf von Mexiko in „Golf von Amerika“ umzubenennen
       und so eine neue Realität zu schaffen. Sie hat Wissen so sehr zerstört und
       bedroht, [3][dass weltweit Menschen versuchen, die Daten zu retten, bevor
       es zu spät ist]. Und jetzt kommt Musk mit seiner Grokipedia.
       
       ## Als „Wokepedia“ verunglimpft
       
       Die wurde Anfang der Woche gelauncht und hat – Stand Mittwochnachmittag –
       über 885.000 Beiträge. Musk, früher mal bekennender Fan, hat seit ein paar
       Jahren etwas gegen die Wikipedia, nennt sie „Wokepedia“, kritisiert, sie
       sei links. Aber Wikipedia ist nicht links, sondern neutral.
       
       Sie beruht darauf, dass alle Menschen an den Beiträgen mitarbeiten können,
       dass sie Wissen sammeln, Quellen verlinken, einander korrigieren, Beweise
       einfordern, sich verbessern, unabhängig von politischen Ansichten,
       fokussiert auf die Wahrheit. Wikipedia ist Schwarmintelligenz und
       Demokratisierung von Wissen. Dem will Musk jetzt seine eigene Wahrheit
       entgegensetzen. Unter dem Deckmantel, Wissen ohne Ideologie in die Welt zu
       bringen, betreibt er seine ideologische Zerstörung von Wissen.
       
       Wer die Beiträge schreibt, ist unklar, aber alles weist darauf hin, dass
       sie von Grok verfasst sind. Über den Artikeln steht zudem, dass Grok die
       Inhalte überprüft hätte. Also eine KI, ein Large Language Model, das per se
       nichts weiß. Diese Modelle berechnen schlicht, welche Wörter am
       wahrscheinlichsten aneinandergereiht werden. Sie haben keine Fakten.
       Stattdessen haben sie gelegentlich „Halluzinationen“, generieren also
       Falschinformationen. Laut einer Studie der European Broadcasting Union
       erfinden KIs bei 45 Prozent der Antworten Inhalte. Und viele haben Probleme
       damit, ihre Quellen anzugeben.
       
       Die großen Large Language Models wurden unter anderem mit
       Wikipedia-Artikeln trainiert. Vielleicht stammen daher die vielen
       Überschneidungen in Inhalt und Sprache, die unterschiedliche Medien
       zwischen Grokipedia und Wikipedia beobachtet haben. Beim Grokipedia-Eintrag
       zur AfD finden sich einige Parallelen in Sprache, Struktur, Inhalt. Aber
       auch Auslassungen. Da wird von „uneingeschränkter Migration“ geschrieben,
       ohne zu kontextualisieren, dass es so etwas gar nicht gibt. Das Label
       „extremistisch“ hat die AfD laut Grokipedia von „Mainstream-Institutionen“
       bekommen. Statt Nationalismus betont das Portal Wirtschaftskritik.
       
       Im Eintrag zum Sturm auf das Kapitol bleibt im ersten Absatz unerwähnt,
       dass der Vorwurf des Wahlbetrugs gegenüber Joe Biden eine Lüge ist. Die
       Brutalität dieses Angriffes auf die Demokratie wird ausgelassen. [4][Das
       Magazin Wired kritisiert] zudem, wie Grokipedia Sklaverei in den USA
       thematisiert, wie es kritische Medienanstalten beschreibt, und seine
       generelle „konservative Perspektive“ auf Ereignisse der jüngeren
       Geschichte.
       
       In Enzyklopädien – auch bei Wikipedia – Fehler zu finden, ist schwierig,
       wenn man nicht Expert*in in dem Gebiet ist. Musk und xAI wissen das.
       Rechte und Verschwörungsideolog*innen haben schon lange diese
       Strategie: So viel Unwahres wie Fakten darstellen, so viele Halbwahrheiten
       zeigen, so oft nur die eine Seite erwähnen, so eloquent unnötige Wörter
       aneinanderreihen, dass das Gegenüber sich gar nicht mehr richtig wehren
       kann. Nun in Form einer Enzyklopädie.
       
       30 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wikipedia-wird-25-Jahre/!6119767
   DIR [2] /Linda-Yaccarino-verlaesst-X/!6096268
   DIR [3] https://netzpolitik.org/2025/digitale-buecherverbrennung-diese-menschen-retten-daten-vor-der-trump-zensur/
   DIR [4] https://www.wired.com/story/elon-musk-launches-grokipedia-wikipedia-competitor/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Drosdowski
       
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