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       # taz.de -- Deutscher Buchpreis für Dorothee Elmiger: Auszeichnung für „Die Holländerinnen“
       
       > Mit Dorothee Elmigers „Die Holländerinnen“ geht der Deutsche Buchpreis an
       > den besten Roman unter den nominierten. Aber auch an den
       > anspruchsvollsten.
       
   IMG Bild: Die Schweizer Autorin Dorothee Elmiger („Die Holländerinnen“) bekommt den Deutschen Buchpreis 2025
       
       Man musste ihn ihr eigentlich geben, den Deutschen Buchpreis, denn der
       Roman von Dorothee Elmiger ist das mit Abstand beste Buch [1][unter den
       sechs nominierten.] Es ist jedoch auch das mit Abstand anspruchsvollste
       Buch und so kann man sich vorstellen, dass die Jury womöglich kurz zögerte:
       Kann man in diesen Zeiten, in denen Komplexität nun nicht gerade Konjunktur
       hat, in denen simple Wahrheiten dominieren, einen Roman mit dem wichtigsten
       deutschen Buchpreis auszeichnen, der stellenweise so undurchdringbar ist,
       wie das Dickicht, in das er auch erzählerisch eintaucht?
       
       Dorothee Elmiger lässt in [2][„Die Holländerinnen“] gleich eingangs ihre
       Erzählerfigur einräumen: Ihr Schaffen befindet sich in Auflösung. Die
       namenlose Protagonistin kapituliert schließlich vor dem Chaos aus Zeichen,
       die die moderne Welt in unendlicher Ausführung überlagern – und bis in den
       südamerikanischen Dschungel hineinragen, in dem der Roman spielt.
       
       Eine Crew aus Kulturschaffenden, eingeladen von einem Theatermacher, der
       sich erklärtermaßen an Werner Herzog orientiert, spürt dem Schicksal zweier
       verschwundener Frauen nach, den „Holländerinnen“. Nachspielen soll diese
       eingeflogene Gruppe den Fall gar, denn es ist vor allem die Mimesis, die
       „Nachahmung“, der die Schweizer Schriftstellerin mit ihrem Buch zu Leibe
       rückt.
       
       Wie Elmiger spielerisch, aber zugleich mit einer Unbedingtheit Kultur- und
       Philosophiegeschichte bemüht, ein Netz aus immer neuen Verweisen strickt,
       das ist mit großem Gewinn zu lesen.
       
       Es liest indes jeder anders. Jurymitglied Friedhelm Marx preist das Buch in
       einem kurzen Videostatement und erwähnt etwas überraschend „übliche
       True-Crime-Formate“, von denen sich „Die Holländerinnen“ abstoßen würde.
       Die scheidende Vorsitzende des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels,
       Karin Schmidt-Friderichs, lobt den Roman als „Ereignis“, in dem Menschen
       „in ihr dunkelstes Gegenteil fallen“, ohne das genauer auszuführen.
       
       ## Kopf-an-Kopf-Rennen
       
       Neben Dorothee Elmiger standen Kaleb Erdmann mit „Die Ausweichschule“,
       Jehona Kicaj mit „ë“, Thomas Melle mit „Haus zur Sonne“, Fiona Sironic mit
       dem schönen Titel „Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen
       Sachen in die Luft“ sowie Christine Wunnicke mit „Wachs“ auf der Shortlist,
       die – und das wurde von Ina Hartwig, der Kulturdezernentin der Stadt
       Frankfurt bei der Verleihung eigens noch einmal betont – als eine starke
       Liste galt.
       
       Ina Hartwig sprach von einer „ganz tollen Auswahl“ und provozierte damit
       viele nickende Köpfe im Publikum der Verleihung. Dorothee Elmiger war dabei
       im Vorfeld immer wieder als Favoritin gehandelt worden, hat sich aber dabei
       aber ein gefühltes Kopf-an-Kopf-Rennen mit Thomas Melle geliefert.
       
       Angenehm zurückhaltend moderiert wurde die Preisverleihung von der
       Fernsehmoderatorin Julia Westlake. Vor der Verkündung der Preisträgerin
       befragte sie die Literaturkritikerin und Autorin Laura de Weck, nach
       welchen Kriterien die Jury des Buchpreises ihre Auswahl getroffen habe.
       Laura de Weck betonte in ihrer Antwort vor allem die literarischen
       Kriterien: Sprache, Erzählstrategien. Auffällig sei der hohe Anteil von
       autofiktionalen Texten bei den eingereichten Romanen gewesen, wobei sie
       gleich hinzusetzte, dass es dabei formal sehr unterschiedliche Zugänge zu
       dem Erlebten gegeben habe.
       
       ## Die Weigerung Gewalt als faszinierend darzustellen
       
       Auf der Shortlist selbst habe das Thema Gewalt in vielen möglichen
       Spielarten dominiert: kriegerische Gewalt, Terror, Gewalt in Beziehungen,
       psychische Gewalt. Der interessante Punkt sei dabei aber gewesen, dass alle
       sechs nominierten Romane sich weigern würden, Gewalt als etwas
       Faszinierendes darzustellen. Und das sei, so Laura de Weck, auch ein Signal
       an unsere Zeit der vielen sich überlappenden Krisen: Literatur würde
       anschreiben gegen Gewalt mit Zärtlichkeit, Sprache und Können. Es sei somit
       ein Gegenmoment in unserer Zeit.
       
       Die Verleihung des Deutschen Buchpreises im Frankfurter Römer gilt als
       Auftakt der Frankfurter Buchmesse, die am 14. Oktober feierlich eröffnet
       wird und bis Sonntag stattfindet.
       
       13 Oct 2025
       
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