# taz.de -- Raila Odinga ist tot: Kenias ewiger Revoluzzer
> Sein Vater war einer der Gründer des unabhängigen Kenia, er selbst stritt
> für ein besseres Land. Nun ist Raila Odinga mit 80 Jahren gestorben.
IMG Bild: Der kenianische Oppositionsführer der Koalition für Reformen und Demokratie (CORD), Raila Odinga, hatte viele Anhänger
Berlin taz | Kenia steht unter Schock. [1][Raila Odinga], einer der
Spitzenpolitiker des Landes, ist in Indien gestorben. In einer Augenklinik
im Bundesstaat Kerala sei er am Dienstag früh plötzlich tot umgefallen, die
Ärzte konnten nur noch Herzstillstand feststellen, heißt es in Berichten.
Kenias Präsident [2][William Ruto] hat sieben Tage Staatstrauer ausgerufen,
das Parlament unterbrach seine Sitzung, in Odingas Hochburgen strömen
Trauernde fassungslos auf die Straßen, mit Palmwedeln als Zeichen der
Trauer.
„Man liebt ihn oder man verabscheut ihn, aber niemanden in Kenia lässt
Raila Odinga kalt“, [3][schrieb Ilona Eveleens], die ehemalige
Nairobi-Korrespondentin der taz, im Sommer 2017, als er mal wieder die
Präsidentschaftswahlen verloren hatte. Der oft populistisch auftretende,
aber höchst professionell agierende Kenianer hat [4][die Politik des Landes
geprägt], seit in den frühen 1990er Jahren die Einparteienherrschaft
endete.
Sein Vater [5][Oginga Odinga] hatte geholfen, Kenia 1963 zur Unabhängigkeit
von Großbritannien zu führen, als Vizepräsident unter Präsident Jomo
Kenyatta. Der 1945 geborene Sohn Raila befand sich da in der DDR, wo er von
1962 bis 1970 in Leipzig und Magdeburg Maschinenbau studierte. Eine
sozialistisch geprägte Weltsicht behielt er zeitlebens. Aber ein Kommunist
war Raila Odinga nie.
Als Raila Odinga 1970 mit seinem DDR-Schweißerzertifikat in die Heimat
zurückkehrte, saß sein Vater in Haft. Er machte sich als Geschäftsmann
selbständig, 1982 wurde er als angeblicher Anstifter eines Putschversuchs
gegen Kenias damaligen Diktator Daniel arap Moi verhaftet. Bis 1991 saß er
im Gefängnis, dann fand er Zuflucht in Norwegen. Seine politische Karriere
in der Heimat begann 1992, als sein Vater eine Oppositionsbewegung
gründete, kurz bevor er starb.
## Alle Wahlen verloren, aber immer respektiert
Raila Odinga, im Ausland und im Gefängnis groß geworden, fand nie eine
dauerhafte politische Heimat. Um seine Gunst als reich gewordener
Unternehmer buhlten viele, aber in einer Partei nach der anderen eckte er
an. Er kandidierte häufig bei Präsidentschaftswahlen und verlor sie alle,
zuweilen verdächtig knapp. Seine Niederlagen – zuletzt 2022 mit 48,85
Prozent – sorgten für regelmäßige Krisen. Immer aber fand Odinga einen
Ausweg durch Verständigung mit den jeweiligen Siegern und blieb durch alle
Lager respektiert.
„Man muss für Krisen eine Lösung finden, sonst gibt es Anarchie“,
erläuterte Odinga seine Strategie in [6][seinem letzten TV-Interview].
Odinga stand dafür, dass Wandel zum Besseren nicht nur nötig, sondern auch
möglich ist, und sich selbst hielt er für den Beweis dafür. Noch zu
Lebzeiten ist er zur Ikone geworden.
Raila Odinga sei ein „Fackelträger“ in Kenias „zweiter Befreiung“, also dem
Kampf für Demokratie, sagte Präsident William Ruto jetzt [7][in seiner
Trauerbotschaft]. „Seine Stimme hat furchtlos den Mächtigen die Wahrheit
gesagt.“ Er kündigte ein Staatsbegräbnis an. Schon vorher, wenn das
Flugzeug mit seinem Leichnam aus Indien landet, dürfte Kenia kopfstehen.
15 Oct 2025
## LINKS
DIR [1] https://en.wikipedia.org/wiki/Raila_Odinga
DIR [2] https://en.wikipedia.org/wiki/William_Ruto
DIR [3] /Kenias-Oppositionsfuehrer-Raila-Odinga/!5433599
DIR [4] https://www.kenyamoja.com/video/breaking-former-prime-minister-raila-odinga-dies-india-citizen-tv-94445
DIR [5] https://en.wikipedia.org/wiki/Jaramogi_Oginga_Odinga
DIR [6] https://www.youtube.com/watch?v=CJcAxIxIJMo
DIR [7] https://thekenyatimes.com/latest-kenya-times-news/raila-odinga-death-president-rutos-address-to-the-nation-full-text-speech/
## AUTOREN
DIR Dominic Johnson
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