# taz.de -- Religionsausübung in Berlin: Verband reicht Klage gegen Gebetsverbot an einer Schule ein
> Die Gesellschaft für Freiheitsrechte verklagt eine Schule wegen
> Diskriminierung. Diese hat ihren Schülern untersagt, dort „demonstrativ“
> zu beten.
IMG Bild: Gebetskette aus grünen Perlen
Berlin taz | Weil ein Gymnasium in Mitte es Schüler*innen verbietet, auf
dem Schulgelände zu beten, reicht die Gesellschaft für Freiheitsrechte
(GFF) nun eine Klage gegen die Schule ein. Dies teilte die GFF am
Donnerstag mit, das Verwaltungsgericht bestätigte den Eingang der Klage.
[1][Grundlage der Klage am Berliner Verwaltungsgericht ist demnach Berlins
Landesantidiskriminierungsgesetz. Es ermöglicht Verbänden], juristisch
dagegen vorzugehen, wenn die Verwaltung, Schulen, Behörden, Polizei,
Justiz, Feuerwehr oder andere öffentliche Stellen Bürger*innen ungerecht
behandeln und diskriminieren.
Laut GFF soll die Schule über ihre Schulordnung „die demonstrative Ausübung
religiöser Riten“ verbieten. Dies geschehe im „Interesse des
Schulfriedens“. Das kritisiert die GFF: „Die allgemein formulierte Regelung
in der Schulordnung richtet sich de facto gegen muslimische Schüler*innen,
denen das islamische Gebet auf dem Schulgelände untersagt wird“, sagt
Soraia Da Costa Batista, Juristin bei der GFF.
Die GFF begründet ihre Klage folgendermaßen: Das pauschale Verbot
diskriminiere Schüler*innen aufgrund der Religion, der ethnischen
Herkunft und rassistischer Zuschreibungen. Es [2][treffe gläubige
muslimische Schüler*innen, die das tägliche Beten] als religiöse Pflicht
empfinden. Es greife unverhältnismäßig in die Grundrechte der
Schüler*innen ein. „Außerdem verhindert das Verbot, dass die
Schuler*innen religiöse Vielfalt erfahren und im Fall von Konflikten
lernen damit umzugehen“, schreibt die GFF.
„Wir haben mit aktuellen und mit ehemaligen Schüler*innen gesprochen.
Sie haben uns berichtet, dass sie teils heimlich beten, und sich dafür
hinter Containern, Mülltonnen, Büschen oder in Toiletten verstecken“, sagt
Da Costa Batista der taz. Wenn ein Lehrer sie erwische, würden sie einen
Tadel bekommen. Die GFF habe seit 2023 Schulordnungen in Berlin überprüft
und habe in mehr als 20 Fällen Gebetsverbote, Kleidervorschriften und
Deutschpflicht auf dem Schulhof beanstandet. Die meisten Schulen hätten
eingelenkt und ihre Regelungen geändert.
## Kritik an pauschalem Verbot
Auch mit der Schule, gegen die sich nun ihre Klage richtet, hätten sie das
Gespräch gesucht, sagt Da Costa Batista. „Sie haben sich aber vehement
geweigert, die Regel zu streichen“, sagt die Juristin. Die Regelung sei ein
„tiefer Eingriff in die Grundrechte“ der Schüler*innen. „[3][Wenn überhaupt
kann eine Schule im Einzelfall das Gebet verbieten,] aber nicht kollektiv
und nicht dauerhaft“, sagt sie. Anhand der Klage will die GFF die
„Diskriminierung gegenüber der sichtbaren, islamischen Ausübung“ von
Gebeten gerichtlich feststellen. Sie erhoffen sich von einer
Grundsatzentscheidung deutschlandweit Konsequenzen.
An vielen Schulen ist es pragmatische Praxis, dass Lehrer*innen
denjenigen Schüler*innen, die gern beten wollen, dazu kurz einen leeren
Klassenraum aufschließen. 2011 war ein Schüler aus Berlin, der gegen ein
[4][Gebetsverbot an seiner Schule geklagt hatte, vor dem
Bundesverwaltungsgericht] gescheitert. Der Richter hatte das mit religiösen
Spannungen an der Schule begründet. Er betonte aber auch, dass jenseits
konkreter Konflikte derzeit keine Gebetsverbote an Schulen zulässig seien.
Nur wenn der Schulfrieden gefährdet sei, sei ein Verbot begründbar.
„Der Versuch, das Recht auf Gebete oder Gebetsräume vor Gericht zu klären,
zieht das Thema auf die juristische Ebene“, sagt Michael Hammerbacher,
Leiter von Devi e.V. – Verein für Demokratie und Vielfalt in Schule und
beruflicher Bildung. „Dabei geht unter, dass es eigentlich eine
gesellschaftliche, politische und pädagogische Frage ist.“ Ihn habe stutzig
gemacht, dass es in der Schulordnung wohl um die „demonstrative Ausübung
religiöser Riten“ gehe, sagt er. Mit dem Bezug auf das „demonstrative“ wäre
die Schulordnung aus seiner Sicht angemessen.
„Mir stellt sich da die Frage: Was hat die Schule für Erfahrungen gemacht,
welche Kräfte wirken vielleicht auch von außen auf sie ein?“, sagt
Hammerbacher. Es käme vor, dass manchmal auch undemokratische Haltungen mit
einer demonstrativen Religionsausübung verbunden seien, etwa wenn
Schüler*innen auf Einhaltung religiöser Regeln drängen, und sich damit
gegen Unterrichtsinhalte oder gegen LGTBIQ-Schüler*innen und Lehrkräfte
wendeten. „Man sollte den Schulen das Handwerkszeug lassen, sich gegen
solche Einflüsse zu wehren.“ Eine juristische Einschränkung sei da eher
kontraproduktiv.
## Diskrimierungen und Diskriminierte
„Die ersten, die unter einem reaktionären Religionsverständnis leiden, das
sind unserer Erfahrung nach säkulare und liberale Muslim*innen, und sie
sind auch die Mehrheit“, sagt Hammerbacher. Auch das Argument, das die
Schüler*innen darüber etwas über religiöse Vielfalt lernen würden, will
er nicht gelten lassen. „Das kann zum Beispiel auch Inhalt des
Ethikunterrichts sein“, sagt er.
Tatschlich ist die Frage der Diskriminierung im Kontext von muslimischer
Religionsausübung vielschichtig. [5][Einerseits berichten Meldestellen von
steigendem antimuslimischem Rassismus] und gerade männlich und muslimisch
gelesene Jugendliche sind Diskriminierung und Altagsrassismus ausgesetzt.
Gleichzeitig aber erleben minorisierte Gruppen wiederum teils einen mit dem
Islam begründeten Druck und Ausgrenzungen.
Der [6][Bund der alevitischen Jugend (BDAJ) arbeitet schon lange zu
Diskriminierungen und Rassismus] auch innerhalb der migrantischen
Communities. [7][Alevit*innen] berichteten dabei wiederholt, wie sie
gerade in der Schule von Mitschüler*innen unter Druck gesetzt würden,
weil sie etwa im Ramadan nicht fasteten. Mädchen und junge Frauen müssen
sich teils Kritik an einem angeblich zu freizügigen Kleidungsstil anhören.
Die Senatsverwaltung für Bildung äußert sich zu der Klage bisher nicht. Die
Klage sei bei Ihnen auch noch gar nicht eingegangen, heißt es dort.
17 Oct 2025
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## AUTOREN
DIR Uta Schleiermacher
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