# taz.de -- Neuer „Polizeiruf“ aus Rostock: Wenn der Mordaufruf übers Handy kommt
> Ein junger Mann ersticht erst eine Frau und tötet sich danach selbst.
> Aber die Story ist bei diesem „Polizeiruf“ gar nicht das entscheidende.
IMG Bild: Melly (Lina Beckmann) und Katrin (Anneke Kim Sarnau) im Polizeiruf 110: Tu es!
Es mag ja durchaus sein, dass man den [1][ollen Bukow vermisst], noch
lange, nachdem er in den Sonnenuntergang davongeritten ist. Drei Jahre ist
das schon her – oder erst. Naja, er fehlt halt. Denn der Rostocker
Polizeiruf 110 lebte von dem Miteinander zwischen Kommissar Bukow (Charly
Hübner) und Kommissarin König (Anneke Kim Sarnau).
Gefühle – hier: Abschiedsschmerz – sind nicht rational, auch wenn man
hadert, wenn die Seiten sich wenden. In diesem Sinne: Ja, Lina Beckmann,
die als Melly Böwe im Rostocker Ermittlungsteam Bukows Nachfolge angetreten
hat, ist einfach eine Wucht. Kann man auch mal sagen. Im Frühjahr hat sie
den [2][Gustaf-Gründgens-Preis] gewonnen. Im Polizeiruf-Kosmos ist sie
Bukows Halbschwester und, um mal kurz in den Boulevard zu rutschen, in der
Realität Hübners Ehefrau. Beckmann demonstriert damit seit drei Jahren: Die
neue Phase ist anders, kann aber ebenso großartig sein. Soviel zur Moral
der G’schicht.
Und die G’schicht selbst: Ein Mann ersticht eine Frau auf offener Straße
und bringt sich danach selbst um. Auf seinem Handy eine Nachricht: „Tu
es!“. Geschrieben von einem jungen Lehrer (Sebastian Jakob Doppelbauer),
der selbst nicht ganz stabil scheint. Vor allem, weil er zuvor in einen
ähnlichen Fall verwickelt war. War das ein Auftragsmord? Ein
Auftragsselbstmord? Das Team fahndet in der Schule zudem nach jemanden, der
über anonyme Nachrichten junge Menschen zu Taten anzustachelt.
## Hier geht's vor allem um Ensemble und Inszenierung
Wie so oft ist die Story bei diesem Polizeiruf eher zu vernachlässigen, sie
hat auch nichts mit all den aktuellen Debatten um
Social-Media-und-Smartphone-Verbote für Jugendliche zu tun. Die Folge
selbst jedoch nicht. Das liegt am Ensemble und am ganzen Drumherum.
Es klingt zwar immer leicht despektierlich, jemanden als „Nachwuchs“ zu
bezeichnen, aber bei Max Gleschinski geht das vielleicht gerade noch so
durch: Er ist 31, ebenfalls Rostocker, hat 2024 mit dem [3][Kinodrama
„Alaska“], über eine Frau, ihr rotes DDR-Kajak und die mecklenburgische
Seenplatte beim Max-Ophüls-Festival gewonnen, ein Festival für
„Filmtalente“.
Ihn zu buchen war eine super Entscheidung der Redaktion. Es ist der erste
Sonntagabendkrimi, bei dem er Regie geführt hat. Im vergangenen Sommer hat
er gleich [4][zwei weitere Rostocker Polizeirufe inszeniert], im TV werden
sie wohl 2027 zu sehen sein. Alle drei wurden von [5][Florian Oeller]
geschrieben, der schon seit einem Jahrzehnt Fälle für die Rostocker
erfindet.
Was Gleschinski kann – das sah man schon in „Alaska“ – ist Atmosphäre. Die
Zuschauenden bringt er damit näher an die Figuren ran und zwar an alle,
wirklich: an den Lehrer, an Kommissar Pöschel (Andreas Guenther), aber vor
allem an Böwe. Wie sich dieses Mal ein großes, unbekanntes Stück ihrer
Biographie auffaltet, und ihre Verbindung zu Chef Henning Röder (Uwe
Preuss) gleich mit, funktioniert auch deshalb, weil Gleschinski es in Szene
zu setzen weiß.
Und wegen Lina Beckmann selbst natürlich. Diese Folge bringt die beiden
Hauptermittlerinnen auf eine neue Weise zusammen, oft gar wortlos. Mal
sehen also, wie die Geschichte dieses Rostocker Teams weitergeht.
Gleschinski und Oeller sei Dank.
19 Oct 2025
## LINKS
DIR [1] https://www.daserste.de/unterhaltung/krimi/polizeiruf-110/polizeiruf-110-rostock-charly-huebner-ausstieg100.html
DIR [2] https://www.gustaf-gruendgens-preis.de/
DIR [3] https://www.woodwaterfilms.com/de/projekte/alaska.html
DIR [4] https://www.ndr.de/der_ndr/presse/mitteilungen/dreh-fuer-ndr-polizeiruf-110-rostock-mit-anneke-kim-sarnau-lina-beckmann-und-josef-heynert,pressemeldungndr-130.html
DIR [5] https://www.daserste.de/unterhaltung/krimi/polizeiruf-110/sendung/der-tag-wird-kommen-florian-oeller-100.html
## AUTOREN
DIR Anne Haeming
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