# taz.de -- Reform des Bürgergelds: Neuer Name, neue Schikanen und wenig Einsparpotential
> Arbeitsministerin Bärbel Bas legt regierungsintern einen ersten
> Gesetzentwurf zum Bürgergeld vor. Sanktionen sollen künftig verschärft
> werden.
IMG Bild: Nach dem Koalitionsausschuss im Kanzleramt: Friedrich Merz (CDU) und Bärbel Bas (SPD), Berlin, am 9.10.2025
Schon im Wahlkampf hat Friedrich Merz (CDU) gerne [1][Stimmung gegen das
Bürgergeld] gemacht. Immer wieder haben er und Parteikollegen behauptet, es
ließen sich dort mit härteren Strafen Milliarden einsparen, auch nach
Regierungsantritt. Nur die Erklärung, wie genau das funktionieren soll,
wurde nie mitgeliefert.
Selbst wenn sich die inzwischen zuständige Bundesarbeitsministerin Bärbel
Bas (SPD) gelegentlich [2][einschaltet und widerspricht] – Merz zeigt sich
in dieser Frage beratungsresistent. Denn Bürgergeldempfänger*innen
bleiben im medialen Diskurs eines seiner Lieblingsopfer. Zuletzt war das im
Sommerinterview zu beobachten, als er den Eindruck erweckte, [3][sie würden
zuhauf in staatlich finanzierten Luxuswohnungen leben].
Am Freitag hat Bas nun regierungsintern einen ersten Gesetzentwurf zum
Bürgergeld vorgelegt, in die sogenannte Frühkoordinierung mit dem
Kanzleramt. Auf dieser Ebene wird noch abgestimmt, bevor der Entwurf dann
an alle Ministerien verschickt und die Anhörung von Verbänden eingeleitet
wird. Doch offenbar wurde der Entwurf an verschiedene Medien
durchgestochen, die Bild und [4][die Süddeutsche Zeitung berichteten
daraus.]
Demnach sind im Kern schnellere und härtere Strafen vorgesehen, aber
erwartungsgemäß nur wenig Einspareffekte zu erwarten. Laut Süddeutscher
Zeitung werden Einsparungen von 86 Millionen Euro im Jahr 2026 erwartet,
2027 dann 69 Millionen. Ab 2028 und 2029 wird sogar mit leichten
Mehrausgaben gerechnet, zunächst zehn Millionen Euro, dann neun Millionen.
„Allein aufgrund der Maßnahmen des Gesetzentwurfes ergeben sich keine
nennenswerten Einsparungen“ hieß es auch aus Ministeriumskreisen gegenüber
der taz. Bessere Effekte würden nur durch eine bessere Wirtschaftslage und
„verbesserte Arbeitsmarktintegration und eine Reduzierung der
Leistungsberechtigten eintreten“.
## Job vor Weiterbildung
Fest steht: Das Bürgergeldsystem soll künftig einen neuen Namen bekommen.
Die „Neue Grundsicherung“ will „auf mehr Mitwirkung und spürbare
Konsequenzen bei Nicht-Mitwirkung“ setzen, hieß es weiter aus
Ministeriumskreisen.
Der sogenannte Vermittlungsvorrang soll wieder gelten. Es soll also wieder
die Pflicht werden, in erster Linie einen Job anzunehmen. Dabei galt es als
eine große Errungenschaft des Bürgergelds, dass der Vermittlungsvorrang
abgeschafft und stärker auf Weiterbildung gesetzt wurde, um Menschen
nachhaltiger und langfristiger in Arbeit zu vermitteln.
In der Praxis werden Menschen sonst oft in saisonale und schlecht bezahlte
Jobs gedrängt und landen nach einer Zeit wieder in der Grundsicherung. In
der Fachwelt spricht man vom „Drehtüreffekt“. „Das Ziel der nachhaltigen
Integration, vor allem mittels Weiterbildung und Qualifizierung“, solle
aber keineswegs aufgegeben werden, hieß es aus dem Ministerium.
## Schnellere und härtere Sanktionen
Bei manchen Pflichtverletzungen, zum Beispiel wenn eine Fördermaßnahme
abgegbrochen wird, sollen die Leistungen direkt um 30 Prozent für bis zu
drei Monate gemindert werden können. Dies wären derzeit rund 150 Euro
weniger im Monat. Wenn eine Person ein konkretes Arbeitsangebot ablehnt,
soll in Zukunft sogar der komplette Regelsatz gestrichen werden können.
Erst am Freitag kam eine [5][Studie des Paritätischen Gesamtverbands zum
Ergebnis], dass das Bürgergeld für viele nur das „nackte Überleben“
abdeckt, oft fehle Geld für die Reparatur kaputter Möbel oder gesundes
Essen.
Auch Terminversäumnisse sollen stärker bestraft werden als bisher. Menschen
mit psychischen Erkrankungen sollen aber geschützt werden. Der
Gesetzentwurf sehe vor, „dass auf einen einmalig verpassten Termin noch
keine Leistungsminderung folgt“, heißt es aus Kreisen des Ministeriums. Ab
dem zweiten Meldeversäumnis solle aber eine spürbare Minderung von wiederum
30 Prozent für einen Monat greifen. Kommt jemand mehrfach ohne Grund nicht,
soll ein zweistufiges Verfahren greifen.
Werden drei Termine verpasst, werde der Regelbedarf „vorerst nicht
geleistet“ und Mietzahlungen gingen direkt an den Vermieter. Melde sich die
Person dann nicht innerhalb eines Monats beim Jobcenter, solle der
Leistungsanspruch ganz entfallen. Hier soll zumindest gelten, dass die
Kosten der Unterkunft für die übrigen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft,
also zum Beispiel Kinder oder Partner*in, weitergezahlt werden. Die Kürzung
von Wohnkosten ist generell höchst umstritten und es ist unklar, ob eine
solche Regelung überhaupt verfassungskonform ist.
## Kosten der Unterkunft
Neuerungen bei den Kosten der Unterkunft gibt es bei der einjährigen
Karenzzeit. Bislang werden Mietkosten im ersten Jahr des Bürgergeldbezugs
vollständig übernommen, damit sich die Menschen auf die Jobsuche
konzentrieren können statt um einen Umzug in eine günstigere Wohnung.
Künftig sollen die Mietkosten in der Karenzzeit aber gedeckelt werden. Der
„Deckel“ betrage dann „das Anderthalbfache der abstrakten (allgemeinen)
Angemessenheitsgrenze.“
Auch sollen überteuerte Mieten nicht mehr einfach hingenommen werden.
Verstößt die Miethöhe gegen die Mietpreisbremse, sollen Jobcenter künftig
eine sogenannte Kostensenkungsaufforderung verschicken und
Bürgergeldempfänger*innen sollen Vermieter*innen auffordern, die
Miete entsprechend zu senken. Kommunen erhalten zudem die Möglichkeit, eine
Quadratmeterhöchstmiete festzulegen. Das soll helfen, gegen Mietwucher bei
sogenannten Schrottimmobilien vorzugehen.
## Vermögen wird weniger geschont
Die einjährige Karenzzeit, in der höhere Vermögen akzeptiert werden, soll
abgeschafft werden. Künftig soll sich die Höhe am Lebensalter orientieren.
Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass Freibeträge gelten sollen:
„bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres 5.000 Euro, ab dem 21. Lebensjahr
10.000 Euro, ab dem 41. Lebensjahr 12.500 Euro und ab dem 51. Lebensjahr
15.000 Euro.“
Auch Elternteile sollen stärker in die Pflicht genommen werden. Wenn die
Kinderbetreuung gesichert ist, soll es für Erziehende nach dem ersten
Lebensjahr des Kindes als zumutbar gelten, einen Job oder einen Sprachkurs
zu beginnen. Bisher gilt das ab dem dritten Lebensjahr.
## Scharfe Kritik
Der grüne Bundestagsabgeordnete Timon Dzienus kritisierte das Vorhaben der
Bundesregierung scharf. „Friedrich Merz lügt seit Monaten zu den
Einsparmöglichkeiten beim Bürgergeld. Monatelang mussten wir uns in allen
Talkshows dieses Landes Unsinn von der Union anhören“, sagte er. „Dieser
Sanktionsfetischismus ist schlecht für die Menschen und bringt dem Haushalt
praktisch gar nichts.“ Merz erpresse Menschen, „Jobs mit schlechten
Arbeitsbedingungen zu akzeptieren.“
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) klang wenig begeistert. „Das, was
wir bisher wissen, klingt nicht nach großen Erfolgen, dafür aber nach
vielen Verlierern“, kommentierte Vorstandsmitglied Anja Piel. Das neue
Sanktionsregime schaffe „Angst, mehr Bürokratie, aber keine neuen Jobs.“
Korrekturhinweis: In einer früheren Version hieß es, dass bei Ablehnung
einer Arbeit der Regelsatz künftig direkt um 30 Prozent gestrichen werden
kann. Richtig ist: Wenn eine Person ein konkretes Arbeitsangebot ablehnt,
soll der komplette Regelsatz gestrichen werden können. Wir haben das
korrigiert und bitten um Entschuldigung.
17 Oct 2025
## LINKS
DIR [1] /Union-hetzt-gegen-das-Buergergeld/!5997357
DIR [2] /Soziale-Kuerzungen/!6092978
DIR [3] /Wohnen-und-Buergergeld/!6101127
DIR [4] https://www.sueddeutsche.de/politik/buergergeldreform-einsparungen-regelungen-bas-li.3326578?reduced=true
DIR [5] https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/buergergeld-studie-armut-kuerzungen-bundesregierung-100.html
## AUTOREN
DIR Jasmin Kalarickal
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