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       # taz.de -- Debatte über Berliner Zentralbibliothek: Schön – aber guten Gewissens nicht bezahlbar
       
       > Es gibt gute Argumente, die ZLB an einem neuen Ort unterzubringen. Die
       > 600 Millionen Euro dafür gingen aber zu Lasten dringenderer Angebote.
       
   IMG Bild: Wo sollen die Bücher der ZLB künftig stehen?
       
       Das war schon ein ziemlicher PR-Erfolg für Berlins Bibliotheksfreunde: 5
       Minuten lang Thema in der RBB-Abendschau als lokalem Leitmedium, mit
       Live-Schaltung zur Werbeveranstaltung am Dienstagabend in der 5. Etage des
       Galeria-Kaufhauses am Alexanderplatz. Und was da an Argumenten zu hören
       war, klang ja auch fast durchweg wunderbar: gut für die Bildung, für die
       Gesellschaft, für das Kaufhaus, für den Alexanderplatz und vielleicht auch
       ein neues touristisches Highlight wäre es, wenn die Zentral- und
       Landesbibliothek (ZLB) aus ihren bisherigen beiden Standorten aus- und
       genau dort – bei Galeria – einziehen würde.
       
       Was will man da sagen? Der Schreiber dieser Zeilen wäre der Letzte, der das
       nicht toll fände. Was auch schon und noch mehr für die früheren Umzugspläne
       in die ehemaligen Galeries Lafayette in der Friedrichstraße galt. Weil er
       nämlich ein absoluter Bücherei-Fan ist. Einer, der jede Woche mindestens
       einmal in der ZLB ist, in fast jede Bibliothek am Wegesrand geht und im
       Studium schon begeistert an jenen Tischen der Library of Congress lernte,
       an denen im Film zur Watergate-Affaire [1][Robert Redford und Dustin
       Hoffman als recherchierende Washington-Post-Reporter] Ausleih-Scheine
       durchforsten.
       
       Die Sache ist bloß: So wunderbar ein Umzug samt schönem Umbau wäre – er ist
       guten Gewissens einfach nicht zu vertreten. Er würde nämlich geschätzt
       mindestens 600 Millionen Euro kosten. Das Geld müsste aus einem
       Landeshaushalt kommen, in dem ohnehin schon so viel einzusparen ist –
       allein bei der Kultur über 100 Millionen –, dass schier im Wochentakt davon
       betroffene Gruppen und Einrichtungen vor dem Abgeordnetenhaus
       demonstrieren.
       
       Wie viel Geld diese 600 Millionen wären, konnte einem besser denn je klar
       werden, als am Freitag in einem Pressegespräch mehrere grüne
       Bürgermeisterinnen über zu wenig Geld für ihre Bezirke klagten. Dabei
       würden gerade die Bezirke aus jedem Euro Gold machen, war da beispielsweise
       von Stefanie Remlinger zu hören, der Rathauschefin in Mitte, mit nur
       800.000 Euro etwa habe man die organisierte Kriminalität vom Leopoldplatz
       vertrieben. 10 Millionen nannte sie "eine unglaubliche Summe".
       
       ## Für die Bezirke sind schon 10 Millionen eine Riesensumme
       
       10 Millionen aber wären gerade mal ein Sechzigstel der ZLB-Umzugskosten. Zu
       denen kämen noch mutmaßlich mehrere hundert Millionen für die Sanierung der
       dann leeren Standorte am Blücherplatz und in der Breiten Straße. Die
       Bürgermeisterinnen machten genau wie die Proteste vor dem Parlament klar:
       Es geht bei ihnen nicht um etwas schönes Zusätzliches, sondern um das
       Überleben von Angeboten gerade der Bezirke, etwa von Jugendtreffs oder
       Senioreneinrichtungen.
       
       Denn das ist der Unterschied: Die beiden jetzigen ZLB-Standorte mögen
       marode sein. Und ja, [2][bei sehr starkem Regen stand das Wasser im
       Keller]. Nicht gut für die Bücher dort unten, nicht schön für die
       Mitarbeiter. Aber für die Nutzer funktioniert die ZLB im Kern. Wer sucht,
       findet einen Arbeitsplatz, vor allem, seit 2023 am Blücherplatz, in der
       einst mit US-Geldern finanzierten Amerika-Gedenk-Bibliothek[3][, der "Pop
       Up" genannte Nebentrakt eröffnete.]
       
       Und so sehr jeder und jede in eigener Sache unterwegs sein und für sich und
       sein Anliegen werben kann: Ein bisschen über den Tellerrand gucken und an
       die Folgen des eigenen Handelns zu denken muss schon sein. Denn was wäre,
       wenn durch derart gelungene Werbeveranstaltungen die schwarz-rote Koalition
       derart unter Druck geriete, dass sie einem Umzug zustimmen würde? Wo würde
       sie das Geld dafür locker machen? Wer müsste dafür zurückstehen? Welche
       Struktur bräche deshalb zusammen, welche Brücke könnte erstmal nicht
       saniert werden? Die Liste ließe sich ohne Probleme verlängern.
       
       Nein, so schön ein neue oder neu gestaltete Bibliothek auch wäre – sie ist
       derzeit nicht mehr als ein"nice to have", anderes ist einfach dringender.
       Das ist letztlich auch eine Frage der Solidarität gegenüber denen, die etwa
       auf die genannten Bezirksangebote dringend angewesen sind. Falls sich
       Gelder im Bundeshaushalt für den Umzug finden wie beim derzeit für mehr als
       eine halbe Milliarde Euro entstehenden neuen Museum "berlin modern" am
       Kulturforum (am Freitag war Richtfest), mag das anders sein. Aus der
       Landeskasse aber ist das nicht zu zahlen.
       
       18 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kinoempfehlungen-fuer-Berlin/!5989605
   DIR [2] https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/07/berlin-stadtbibliothek-buecher-gefahrdet-nach-unwetter-wasserschaden.html
   DIR [3] /Berliner-Zentral--und-Landesbibliothek/!5954968
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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