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       # taz.de -- Die SPD und die Bürgergeldreform: Eine Giftpille für die Sozialdemokratie
       
       > Dass die SPD so tut, als wäre das Bürgergeld ein Irrtum, ist unredlich.
       > Genau so nährt sie den Verdacht, eine opportunistische Staatspartei zu
       > sein.
       
   IMG Bild: Montagsdemo am 9. August 2004 in Magdeburg: Hartz IV ruinierte das Image der SPD, Schutzmacht der kleinen Leute zu sein
       
       [1][Die Abschaffung des Bürgergelds] soll laut Friedrich Merz Milliarden
       sparen, die bisher sinnlos an Arbeitsscheue verjubelt wurden. Anstatt die
       Fleißigen zu belohnen, die brav ihre Steuern zahlen, verschenkte die Ampel
       haufenweise Geld an Nichtsnutze, so die Botschaft.Daran stimmt nichts. Es
       gibt ungefähr 14.000 sogenannte Verweigerer, die sich den Jobcentern
       entziehen. Das sind 0,25 Prozent aller Bürgergeldempfänger.
       
       Schwarz-Rot [2][schurigelt die Ärmeren, so hart es nur geht]. Wer künftig
       aus dem Arbeitslosengeld fällt und noch Geld auf dem Konto hat, soll das
       abgeben. Ende der Schonzeit. Aber dabei springen keine Milliarden heraus,
       sondern laut Arbeitsministerium im nächsten Jahr 86 Millionen. Das
       Bahnprojekt Stuttgart 21 kostet mehr als hundertmal so viel.
       
       Schwarz-Rot scheint bei der Bürgergeld-Reform, die Niagarafälle zu nutzen,
       um ein Papierschiffchen anzutreiben. Zu alledem fürchten viele Kommunen,
       dass die energisch forcierte neue Grundsicherung ihnen einen Wust an
       Bürokratie, Formularen und Prozessen vor Arbeitsgerichten bescheren wird.
       
       Die Union agiert ideologiegetrieben. Fakten sind da störende Details. Die
       SPD weiß es besser, aber scheint in einem endlosen Albtraum gefangen zu
       sein. Hartz IV ruinierte vor mehr als 20 Jahren ihr Image, Schutzmacht der
       kleinen Leute zu sein. Nach eineinhalb Jahrzehnten rang sich die
       Sozialdemokratie zum Bürgergeld durch, das Sanktionen durch Anreize
       ersetzen sollte.
       
       ## Eine späte Rebellion an der Basis
       
       Das Bürgergeld war nie ein sozialdemokratisches Herzensanliegen, aber
       zusammen mit dem Mindestlohn von 12 Euro der Versuch, zu verhindern, dass
       Arme gegen Ärmere ausgespielt werden. Dieser Versuch ist gescheitert. AfD
       und Union, Unternehmerverbände und Leitmedien orchestrierten eine
       Antibürgergeldkampagne, gegen die kein Kraut gewachsen war. Die SPD
       streckte schon vor zwei Jahren die Segel. Bärbel Bas exekutiert jetzt, was
       die SPD schon damals akzeptiert hatte.
       
       Wenn das Pferd tot ist, steigt man besser ab. So ist eben Realpolitik. Aber
       das kann auch feige sein. Es ist unredlich, wenn die SPD so tut, als wäre
       das Bürgergeld ein Irrtum gewesen, den man schweigend entsorgt. Genau das
       nährt den Verdacht, eine opportunistische Staatspartei zu sein. Dieses Bild
       ist Gift für die SPD.
       
       Ein paar linke SPD-Basisaktivisten wollen nun, ziemlich spät, [3][das Ja
       zur Abschaffung des Bürgergelds per Mitgliederentscheid kippen]. Es wäre
       ein Wunder, wenn sie damit Erfolg hätten. Die SPD-Basis ist in Sachen
       Bürgergeld gespalten, und dass sie die eigene Spitze aus der Regierung
       katapultiert, ist so wahrscheinlich wie eine absolute Mehrheit für die SPD.
       
       Die meisten Medien halten diese Basisinitiative für eine Bedrohung der
       Koalition. Das Gegenteil ist der Fall. Die Initiative versucht die
       intellektuelle Redlichkeit der Partei zu retten und den Schaden, den das
       ängstliche Wegducken der SPD-Spitze beim Bürgergeld angerichtet hat, zu
       begrenzen. Lars Klingbeil kann sich bei seinen linken Genossen eigentlich
       bedanken.
       
       31 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
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   DIR Stefan Reinecke
       
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