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       # taz.de -- Merz, Seibt und die Ausnahmesituation: Allgemeine Plan-B-losigkeit
       
       > Weil kein Ausnahmefall so läuft wie geplant, braucht es Plan B. Die
       > rechte Influencerin Naomi Seibt hat einen. Merz täte gut daran, auch
       > einen zu haben.
       
   IMG Bild: Naomi Seibt, bei der 47. jährlichen Conservative Political Action Conference (CPAC) am 29. Februar 2020 in National Harbor, Maryland, USA
       
       Den besten Satz in Kathryn Bigelows neuem Spielfilm [1][„A House of
       Dynamite“], liefert Admiral Mark Miller: „Es gibt keinen Plan B.“ Es ist
       seine Antwort auf die Frage, um die der ganze Film kreist: Was tun
       US-amerikanische Sicherheitsbehörden und Regierungsmitglieder, wenn 19
       Minuten bevor eine feindliche Atomrakete Chicago trifft, das militärische
       Abwehrsystem versagt?
       
       Das echte Pentagon ließ diese Woche wissen: [2][Haha, guter Plot-Twist!] Es
       wies jedoch nachdrücklich darauf hin, dass sich die US-amerikanische Abwehr
       in allerbester Verfassung befinde. Einen Tag zuvor [3][hatte der echte
       Putin den erfolgreichen Test] der atomwaffenfähigen Rakete Burewestnik bzw.
       Skyfall verkündet. Diese könne so gut wie jedes Abwehrsystem umgehen, was
       Expert*innen von Carlo Masala bis USA umgehend für Quatsch erklärten.
       
       [4][Bigelow freut sich], sie habe mit dem Film eine Diskussion über die
       Sicherheitsarchitektur provozieren wollen. In welchem Zustand sich die
       militärische US-Abwehr wirklich befindet, ist von dieser Kolumne aus nicht
       zu beurteilen. Von hier aus interessant ist der Punkt, um den Bigelows Film
       auch kreist: dass ein Ausnahmefall in der Regel nie genauso abläuft, wie
       man sich das so vorstellt, selbst wenn dieses „man“ ein staatlicher
       Sicherheitsapparat ist. Weicht der Ausnahmefall von der Regel ab, die für
       ihn aufgestellt wurde, herrscht ein Ausnahmezustand, für den es kein
       Playbook gibt.
       
       ## Hat Merz einen Plan A?
       
       Wir erinnern uns: Noch [5][Ende Januar 2020 hatte Jens Spahn] wissen
       lassen: „Grundsätzlich sind wir wachsam, wir nehmen die Dinge sehr ernst,
       wir sind aber auch gut vorbereitet.“ Jeder habe seine genau zugewiesene
       Aufgabe und wisse, was zu tun sei. Weil am Ende dann doch niemand auf den
       Bedarf von Masken im Falle eines hoch ansteckenden Atemwegsvirus
       vorbereitet war, packte der Gesundheitsminister seinen Plan B aus und
       kaufte entgegen aller Ratschläge völlig überteuerte Masken für Hunderte
       Millionen Euro.
       
       So langsam könnte man den Eindruck gewinnen, es herrscht eine allgemeine
       Plan-B-Losigkeit. Hat die deutsche Autowirtschaft einen Plan B, wenn China
       [6][keine Seltenen Erden] mehr liefert? Hat die EU einen Plan B, wenn der
       vorletzte Fischer [7][demnächst den letzten Dorsch aus der Ostsee] geholt
       haben wird? Hat die Welt einen Plan B als Alternative zum Zugucken [8][bei
       der Massentötung im Sudan]?
       
       Ob Friedrich Merz einen Plan A hat, kann bezweifelt werden. Sicher aber
       wäre ihm ein Plan B anzuraten für den Fall, dass sein nach rechts
       blinkender Populismus dahin führt, wie es viele prophezeien: zur
       Wähler*innenwanderung in Richtung AfD.
       
       ## Naomi Seibt hat einen Plan
       
       Einen vermeintlichen Plan B packen zurzeit die Rechtsradikalen aus. Die
       rechte Influencerin [9][Naomi Seibt verkündete diese Woche], in den USA
       Asyl beantragt zu haben, weil sie als Anwältin der Meinungsfreiheit und
       Unterstützerin der AfD in Deutschland von staatlichen Sicherheitsbehörden
       überwacht, von staatlichen Medien verfolgt und von der Antifa mit dem Tode
       bedroht würde.
       
       Praktisch ist, dass sie sowieso schon in den USA lebt, wo sie jetzt Donald
       Trump anbietet, sie als erste politisch Geflüchtete aus dem
       Meinungsgefängnis Deutschland aufnehmen zu können. Nicht auszuschließen,
       dass der unberechenbare Trump dieses Angebot annimmt.
       
       Na gut, die Linken könnten sagen: Plan erfüllt – „Nazis raus“. Ein guter
       Plan war das aber noch nie. Für den Fall, dass die meisten Nazis
       hierbleiben, braucht es ja dann doch einen Plan B. Und der kann sich nicht
       darin erschöpfen, Journalist*innen, Publizist*innen oder [10][den
       Bundeskanzler] wegen Volksverhetzung oder Naziverdacht anzuzeigen. Der
       Staat regelt, ist kein nachhaltiger Plan, wie man gerade in den USA sehen
       kann.
       
       Schafft zwei, drei, viele Plan Bs. Es ist immer besser, mehrere
       Handlungsoptionen zu haben, gerade für die Frage, wie man den Einfluss von
       Rechtsradikalen wieder kleiner kriegt.
       
       31 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Thriller-A-House-of-Dynamite/!6115509
   DIR [2] https://www.bloomberg.com/news/articles/2025-10-25/-house-of-dynamite-nuclear-missile-defense-fail-has-pentagon-worried?embedded-checkout=true
   DIR [3] https://www.tagesschau.de/ausland/asien/russland-putin-atomrakete-burewestnik-100.html
   DIR [4] https://www.theguardian.com/film/2025/oct/29/kathryn-bigelow--pentagon-house-of-dynamite-netflix
   DIR [5] https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/newsletter-und-abos/bulletin/rede-des-bundesministers-fuer-gesundheit-jens-spahn--1722738
   DIR [6] /Seltene-Erden-Europa-hat-den-Trend-verschlafen/!6122503
   DIR [7] https://www.deutschlandfunk.de/eu-fangquote-todesurteil-fuer-den-dorsch-der-ostsee-interview-rainer-froese-100.html
   DIR [8] /Massaker-in-Sudan/!6122640
   DIR [9] https://x.com/SeibtNaomi/status/1983554347158868037
   DIR [10] /Folgen-nach-Stadtbild-Debatte/!6124648
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Doris Akrap
       
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