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       # taz.de -- Kreuzbandrisse im Frauenfußball: Männer sind noch viel zu oft die Norm
       
       > Nicht nur Lena Oberdorf ist betroffen: Seit Jahren gibt es eine Häufung
       > von Kreuzbandrissen im Frauenfußball. Das müsste so nicht sein.
       
   IMG Bild: Diagnose Kreuzbandriss und Maskulinität
       
       Die [1][Verletzung von Lena Oberdorf] schmerzt schon beim Zuschauen. Wie
       sich die Fußballerin von Bayern München im Zweikampf unglücklich das Knie
       verdreht, zu Boden geht, sofort die Hand hebt. Bandagiert vom Platz muss,
       nackte Verzweiflung im Gesicht. Und dann die Gewissheit: schon wieder ein
       Kreuzbandriss. Der zweite in nur 16 Monaten. Es tut in der Seele weh. Umso
       mehr, weil das Leid möglicherweise vermeidbar gewesen wäre.
       
       Seit Jahren beschäftigt eine Häufung an Kreuzbandrissen speziell den
       Fußball der Frauen. Derzeit fehlen 16 Bundesligaspielerinnen mit dieser
       Verletzung, im Ausland ist die Lage ähnlich krass. [2][Laut einer
       Untersuchung] haben Fußballerinnen ab der Pubertät ein fast dreimal so
       hohes Risiko für Kreuzbandrisse wie Fußballer. Ihr Kreuzband ist dünner,
       der Körperbau etwas anders, auch der Zyklus soll eine Rolle spielen. Doch
       nichts Genaues weiß man nicht.
       
       Auch dieses Unwissen tut weh. Für die letzten Jahre kann man den Verbänden
       [3][Fifa] und [4][Uefa] wenig vorwerfen: Sie haben das Thema erkannt und
       finanzieren viel in Forschung. Dennoch trägt die Fußballpolitik für das
       fortdauernde Leid der Spielerinnen maßgeblich Verantwortung. Denn immer
       noch trainieren Spielerinnen häufig nach Plänen, die für Männer geschrieben
       sind. Sie tragen Fußballschuhe, die für Männerfüße gestaltet wurden. Sie
       trainieren auf schlechterem Rasen. Sie haben eine lächerliche medizinische
       Abteilung im Vergleich zu den Männern.
       
       All das trägt zur Masse der Kreuzbandrisse bei. Fälle wie der von Lena
       Oberdorf wären mindestens teilweise vermeidbar – wenn man endlich nicht
       mehr den Mann als Norm nehmen würde.
       
       150 Jahre Fußballsexismus zerstören dabei auch Karrieren. [5][Eine
       Langzeitstudie] (natürlich an Männern durchgeführt!) fand heraus, dass nur
       65 Prozent der Kreuzbandverletzten drei Jahre später noch auf demselben
       Niveau kickten. Für ein Drittel der Betroffenen also ruiniert der Riss
       zumindest partiell die Laufbahn. Professionalisierung und
       Trainingsexpertise helfen: Im Amateurfußball [6][ist das Risiko für
       Kreuzbandrisse deutlich höher] als bei den Profis. Kein Wunder, dass Frauen
       häufiger betroffen sind, die oft noch wie Amateurinnen trainieren.
       
       Und doch, nicht an allem ist das Patriarchat schuld. Die Forschung ist noch
       lückenhaft, aber es scheint, dass Kreuzbandrisse bei Männern zunehmen. So
       schlug für die Premier League jüngst Promi-Spielerarzt Ramón Cugat wegen
       eines Rekordhochs Alarm. [7][Eine US-Langzeitstudie im Jugendsport] wies
       einen heftigen Trend von 2,3 Prozent mehr Kreuzbandrissen jedes Jahr auf.
       Offenbar hängen die Verletzungen mit der Belastung zusammen. In der
       italienischen Serie A gibt es signifikant mehr Kreuzbandrisse [8][bei Teams
       auf den vorderen Plätzen]. In den vier europäischen Topligen der Frauen
       [9][hatten Kreuzbandverletzte kürzere Spielpausen] als nicht Betroffene,
       längere Reisen und weniger Ruhezeiten.
       
       Der Fußball verlangt den Sportler:innen immer mehr ab. Die Zahl der
       Spiele ist dabei gar nicht höher, das Problem ist ihre Intensität. Sie
       werden schneller, physischer. In der englischen Premier League gibt es
       jedes Jahr mehr Sprints, Abbremsen, Sprünge, Kontakte – vor allem bei
       solchen Tempowechseln kommt es zu Kreuzbandrissen.
       
       Die Frage der Belastung aber kommt im expansionsgetriebenen Frauenfußball
       nicht ganz so gern auf den Tisch. Denn Liberalfeminismus allein hilft da
       nicht. Wer Spielerinnen schützen will, muss auch etwas tun gegen das
       Höher-schneller-weiter. Schmerz einfach hinzunehmen, war schon immer die
       schlechteste Option.
       
       23 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Verletzungen-im-Frauenfussball/!6122186
   DIR [2] https://www.citedrive.com/en/discovery/anterior-cruciate-ligament-injury-incidence-in-male-and-female-soccer-players-a-longitudinal-study-over-six-consecutive-seasons/?utm_source=chatgpt.com
   DIR [3] /Fifa/!t5008918
   DIR [4] /Uefa/!t5015331
   DIR [5] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27034129/
   DIR [6] https://www.spiegel.de/sport/kreuzbandriss-warum-amateure-besonders-gefaehrdet-sind-a-7d6bb005-dfe1-4f1e-9285-a5ec47843465
   DIR [7] https://www.sciencedaily.com/releases/2015/10/151023083245.htm?utm_source=chatgpt.com
   DIR [8] https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC7222666/?utm_source=chatgpt.com
   DIR [9] https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11451578/?utm_source=chatgpt.com
       
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   DIR Alina Schwermer
       
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