# taz.de -- Reportersprache in der Stilkritik: Mit Galle und Wille gegen den Ball
> Fußballreporter beschreiben Teams und Spieler nicht selten als gallig,
> griffig oder gierig. Dabei kommt es doch vor allem aufs Gutige an.
IMG Bild: Gallig oder einfach nur eklig? Portugals Pepe muss sich übergeben
Die Arminen aus Bielefeld haben Erfolg, weil sie „sehr viel galliger“
geworden sind. Der kleine Joshua Kimmich ist nach Selbstauskunft derzeit
einfach „galliger, griffiger, gieriger“. Bundestrainer Nagelsmann verlangte
vor dem letzten Spiel „Gier und Galligkeit gegen ein ekliges Nordirland“.
Die repetitive Attribut-Wolke ballt sich jede Woche, an jedem Spieltag
unheilvoll über jedem Stadion zusammen, das Fußballreportern Zugang
gewährt. Die Mannschaft ist entweder gallig, [1][gierig], griffig, hungrig,
eklig, oder – bei Niederlagen – sie hat nicht genug dieser Eigenschaften.
Zur Epidemie gehört die Ansteckung. Inzwischen ist schon der
Trainingsbetrieb vom einschlägigen Vokabular bedroht: Selbst beim
Lieblingsverein SC Freiburg gemahnt der Manager den Spieler Maximilian
Philipp, er sei im Training nicht gallig genug.
Jetzt ist es natürlich so: Wenn du gallig bist, kannst du nicht
gleichzeitig hungrig sein, weil die gelb-grüne Gallenflüssigkeit ja nur
dann großzügig ausgeschüttet wird – rund 750 Milliliter täglich –, wenn du
üppig und fett gegessen hast. Hier müssen sich Trainer und Spieler
entscheiden: hungrig oder gallig. Andererseits: Wenn du hungrig bist, wirst
du gierig, das passt wieder!
Was nun den sympathischen Spieler Philipp angeht: Dem fehlt womöglich nur
ein Gänsebraten mit Rotkohl. Der Martinstag könnte helfen. Obwohl dann die
Gallenkolik schon leicht um die Ecke schaut. Also doch lieber Truthahn?
„Durch unsauberes Ausweiden war der Truthahn gallig und ungenießbar“, sagt
ein bekanntes Onlinelexikon, das Beispielsätze zu dem seit dem 16.
Jahrhundert gebräuchlichen Adjektiv „gallig“ auflistet. Letzte Zuflucht:
Käsebrötchen.
## Bis zum Erbrechen
Vom Galligen zum Ekligen ist es ja oft nur ein Katzensprung. Immer mehr
Spieler räsonieren in inhaltsreichen Interviews: „Es muss eklig sein, gegen
uns zu spielen.“ Wollen sie Socken und Trikots den Hauptwaschgang
verweigern? Es stimmt, gerade der Geruch ist stramm ekelkonnotiert und kann
bei gegnerischen Mannschaften Brechreiz, Schweißausbrüche auslösen, gar
sinkenden Blutdruck bis hin zur Ohnmacht erzeugen.
Der Ekel wurde schon [2][vom großen Jean-Paul Sartre] in seinem
gleichnamigen Roman von 1938 thematisiert. Im Mittelpunkt steht neben der
grenzenlosen Freiheit des Individuums vor allem die Absurdität aller Dinge
und Menschen. Das wirkt ausgesprochen aktuell im Fußball-Deutschland des
Jahres 2025. Wobei auf dem Platz die grenzenlose Freiheit natürlich schnell
aufhört, wenn der Schiri pfeift.
Zum Schluss noch ein besonders schönes Adjektiv: willig! Die analytisch
tiefsitzende Aussage, die siegreiche Mannschaft habe ihn (den Sieg)
„einfach mehr gewollt“, ist ein weiterer schillernder Baustein kreativer
Reporterprosa und von wahrhaft philosophischer Tiefe. Sartre kann uns da
nicht weiterhelfen, aber [3][Arthur Schopenhauers „Die Welt als Wille und
Vorstellung“]. Die Kraft (eines Fußballspielers – der Autor), so betont der
Philosoph, ist eine Erscheinungsform des Willens. Deshalb „beruht der Wille
nicht auf einer Kraft, sondern die Kraft auf dem Willen“. Haben das jetzt
auch die Jungs und Mädels von Sky und Dazn verstanden? Großartig!
Übrigens soll neulich eine Mannschaft gegen Leverkusen sieben Tore
geschossen haben, die weder besonders gallig noch eklig war und deren
Trikotage auch nicht besonders duftig gewesen ist. Dafür waren sie
spritzig, kreativig, spielwitzig, schnellig, dribbelstarkig,
kombinationssicherig und abschlussfreudig. Die jungigen Männer waren
einfach gutige Kicker.
31 Oct 2025
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## AUTOREN
DIR Manfred Kriener
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