# taz.de -- Pro-Europäer gewinnt Nordzypern-Wahl: Zypern off the rocks
> Tufan Erhürman will alles, was Erdoğan nicht will: eine EU-Annäherung,
> engere Beziehungen zur Republik Zypern und vielleicht gar einen vereinten
> Staat.
IMG Bild: Der neu gewählte nordzyprische Tufan Erhürman winkt seinen Anhängern zu
Israel und die Palästinenser, die Ukraine und Russland, Pakistan und
Indien, nicht zu vergessen Afghanistan, Syrien, Sudan, der Kongo – die Zahl
der gewalttätigen Konflikte auf dem Globus ist groß, die Risiken enorm, die
Lage verworren. Da wünscht man sich, dass die eingefrorenen Konflikte, bei
denen zumindest keine akute Waffengewalt dräut, doch bitteschön im
Kühlschrank verbleiben – egal, ob das nun Basken in Spanien oder Briten auf
den Falklandinseln sind. Der Wunsch ist nur allzu menschlich; allein, die
Protagonisten dieser Konflikte halten sich nicht immer daran. Das kann böse
und gute Folgen haben. Hier geht es ausnahmsweise um die guten.
Denn auf Nordzypern, einem türkisch dominierten Anhängsel am Rande der
Europäischen Union, haben die Wähler einen neuen Präsidenten gewählt,
dessen politische Agenda so gar nicht den [1][Vorstellungen seines großen
Bruders Recep Tayyip Erdoğan] entspricht. Der türkische Präsident will das
international isolierte Nordzypern endgültig in sein Reich eingemeinden.
Tufan Erhürman, [2][der Neue in Nord-Nikosia, will so ziemlich das
Gegenteil]: eine Annäherung an die EU, bessere Beziehungen zu den
griechischen Nachbarn im Süden der Insel – am Ende vielleicht gar einen
gemeinsamen Staat. Erhürman widersetzt sich also der nationalistischen
Logik Ankaras, setzt auf multilateralen Fortschritt statt auf engstirnige
Gefühlswallungen. Diese Haltung hat das Zeug dazu, in einen eingefrorenen
Konflikt ein gewisses Tauwetter zu bringen.
Dass in der südöstlichsten Ecke Europas demnächst der Frieden ausbricht,
ist deshalb nicht zu erwarten. Zu tief sitzen die gegenseitigen Ängste und
Ressentiments. Und zu gewichtig sind die Worte nationaler Gralshüter auf
beiden Seiten der zypriotischen Demarkationslinie und in den Mutterländern.
Aber ein wenig Normalität auf der Insel wäre schon mal ein guter Anfang –
mit Handel ohne Schranken, Fußballspielen in einer gemeinsamen Liga, Leben,
wo es gefällt. Selbstverständlichkeiten, so sollte man meinen. Aber nicht
am Rande Europas. Noch nicht.
20 Oct 2025
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DIR [2] https://www.deutschlandfunk.de/nordzypern-oppositionskandidat-gewinnt-praesidentschaftswahl-von-erdogan-unterstuetzter-amtsinhaber--100.html
## AUTOREN
DIR Klaus Hillenbrand
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