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       # taz.de -- Stichwahl in Bolivien: Mitte-rechts schlägt Rechtsaußen
       
       > Der konservative Christdemokrat Rodrigo Paz gewinnt klar gegen den noch
       > rechteren Jorge Quiroga, obwohl dieser in den Umfragen vorn lag.
       
   IMG Bild: Wahlwerbung für den späteren Sieger Rodrigo Paz in La Cumbre am Rande von La Paz. Er umwarb am stärksten die ländliche Bevölkerung
       
       taz | Jetzt hat er es tatsächlich geschafft: Rodrigo Paz ist zum
       Präsidenten Boliviens gewählt worden. Bei der Stichwahl am Sonntag erzielte
       der Kandidat der Christdemokratischen Partei (PDC) fast 55 Prozent. Zu dem
       Zeitpunkt waren fast 98 Prozent der Stimmen ausgezählt. Sein Konkurrent
       Jorge „Tuto“ Quiroga (Partei Freiheit und Demokratie) kam auf rund 45
       Prozent.
       
       Die erste Stichwahl in der Geschichte Boliviens machten zwei
       rechtsgerichtete Kandidaten unter sich aus. Dabei ist Paz Mitte-rechts,
       Quiroga noch weiter rechts anzusiedeln. Damit enden mehr als 20 Jahre
       Herrschaft der linken Partei Bewegung zum Sozialismus (MAS).
       
       In seiner Siegesrede ausgerechnet im Hotel Presidente in La Paz schlug Paz
       (58) versöhnliche Töne an: „Wir Bolivianer wissen, dass Ideologie uns nicht
       ernährt. Was uns ernährt, ist das Recht auf Arbeit, starke Institutionen,
       Rechtssicherheit, Respekt vorm Privateigentum und Gewissheit in die
       Zukunft.“
       
       Er werde mit den besten Frauen und Männern daran arbeiten. Der Sohn von
       Ex-Präsident Jaime Paz dankte Gott, der Familie und dem Vaterland. Er lud
       Quiroga und die anderen Parteien ein, „ein gemeinsames Team“ zu bilden.
       
       ## Wahlverlierer Quiroga räumt Niederlage ein
       
       Der unterlegene Quiroga (65) hatte sich zuvor ebenfalls christlich und
       versöhnlich geäußert: „Die Menschen haben entschieden.“ Abgesehen von
       vereinzelten Hinweisen sei die Wahl korrekt verlaufen. Er respektiere das
       Ergebnis der amtlichen Schnellauszählung und gratuliere Paz zum Sieg.
       
       Da brachen seine in La Paz versammelten Anhänger in Protest aus. Sie hatten
       gehofft, Quiroga würde das Wahlergebnis wegen Betrugs anfechten. Genau das
       hatten zuvor schon eine enttäuschte, wütende Menschenmenge in Boliviens
       größter Stadt Santa Cruz in die Mikros von Reportern gebrüllt.
       
       „Sí!“, widersprach hingegen Quiroga ruhig. Man werde die Wahlunterlagen
       genau prüfen, fügte er beschwichtigend hinzu. Der Wahltag war überwiegend
       ruhig und friedlich verlaufen. Einheimische und internationale
       Beobachter:innen hatten die Wahllokale im Blick.
       
       In den Umfragen hatte Ex-Präsident Quiroga vorn gelegen. Doch die lagen
       schon bei der ersten Runde falsch. Paz konnte vor allem bei der
       Landbevölkerung punkten. In Bolivien schätzen die Menschen persönliche
       Ansprache – und Paz war unermüdlich im Wahlkampf übers Land getingelt.
       Damit hat er wohl auch viele enttäuschte ehemalige MAS-Wähler:innen für
       sich gewonnen – und gleichzeitig die rechten Wähler:innen nicht
       abgeschreckt.
       
       In der Region Tarija war er vor seinem Wechsel in den Senat in der
       gleichnamigen Hauptstadt Bürgermeister gewesen. Dort ist er immer noch bei
       vielen unbeliebt. Aus seiner Amtszeit in Tarija laufen immer noch
       [1][Verfahren wegen möglicher Korruption bei überteuerten Bauprojekten]. Am
       Sonntag unterlag er dort hauchdünn Quiroga.
       
       ## Mehr Markt, mehr Privatisierungen, weniger Staatsausgaben
       
       Inhaltlich lagen beide Kandidaten nicht weit auseinander: Beide streben
       eine starke Reduzierung öffentlicher Ausgaben und vor allem der
       Treibstoff-Subventionen an und setzen auf Privatisierungen. Doch Paz
       versprach zudem weniger Zölle und Steuern und mehr soziale Abfederung.
       „Kapitalismus für alle“ – also nicht nur für die Eliten – ist sein Motto.
       
       Die Idee eines Grundgehalts für alleinerziehende Frauen verschwand bis zur
       Stichwahl allerdings im Papierkorb. Umweltpolitik und Indigene war für
       keinen der beiden Thema, obwohl Indigene etwa die Hälfe der Bevölkerung
       ausmachen.
       
       Bolivien steckt in einer Wirtschaftskrise: fast 25 Prozent Inflation,
       Treibstoff ist knapp, es fehlt an Devisen für Importwaren. Die Probleme
       schreiben die meisten Menschen den 20 Jahren MAS-Herrschaft zu. Die Partei,
       zu der bis vor Kurzem der erste indigene Präsident Evo Morales gehörte, ist
       [2][zerstritten und wegen Korruption verschrien]. Ihr Kandidat kam in der
       ersten Runde nur knapp über die Drei-Prozent-Hürde. Morales war von einem
       Gericht eine erneute Kandidatur verboten worden. Der amtierende
       MAS-Präsident Luis Arce ist so unbeliebt, dass er nicht antrat.
       
       Morales hatte sich vor der Stichwahl bedeckt gehalten. Danach outete er
       sich als Paz-Unterstützer: „Das Volk hat am Sonntag mit seiner Stimme die
       Rassisten, Hasser, Verleumder und Gewalttäter besiegt“, [3][schrieb er auf
       X]. Quiroga sei der Kandidat Nordamerikas. Der scheidende Präsident Arce
       gratulierte Paz und [4][versprach eine geordnete Übergabe]. „Möge der Wille
       des Volkes die Grundlage für den weiteren Aufbau einer besseren Zukunft für
       alle sein.“ Der neue Präsident tritt am 8. November sein Amt an.
       
       20 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ein-Unbekannter-koennte-bald-Bolivien-regieren/!6104932
   DIR [2] /Wahlen-in-Bolivien/!6107398
   DIR [3] https://x.com/evoespueblo/status/1980094713077137478
   DIR [4] https://x.com/LuchoXBolivia/status/1980084868966158538
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Wojczenko
       
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