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       # taz.de -- Nach neuer Gewalt in Gaza: Hält die Waffenruhe?
       
       > Die vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas weckte Hoffnung,
       > am Sonntag eskalierte die Lage wieder. Wie geht es nun weiter? Ein Q & A.
       
   IMG Bild: Menschen in Gaza beklagen getöteten Angehörigen, die bei einem israelischen Angriff am Sonntag ums Leben kam
       
       dpa | Nach den [1][schwersten Luftangriffen Israels seit Beginn der
       Waffenruhe] im Gazastreifen als Reaktion auf Beschuss seiner Soldaten
       bemühen sich die regionalen Mächte um Sicherung des fragilen Abkommens.
       Israel und die islamistische Hamas gaben beide Erklärungen ab, dass sie
       sich zur Waffenruhe bekennen – nachdem sie der Gegenseite jeweils Verstöße
       vorgeworfen hatten. Die Angriffe waren die erste große Krise seit der
       Einigung auf das mühsam ausgehandelte Abkommen.
       
       Die Hamas teilte mit, ihre Unterhändler seien nun zu Gesprächen über die
       weitere Umsetzung des Abkommens in Ägypten eingetroffen. Derweil werden die
       US-Unterhändler Steve Witkoff und Jared Kushner heute in Israel erwartet.
       Morgen soll laut Medien auch US-Vizepräsident JD Vance eintreffen. Auf
       Nachfrage von Reportern wollte sich Vance aber nicht festlegen, ob er
       kommt. Neben den USA vermitteln auch Ägypten, Katar und die Türkei in dem
       Konflikt.
       
       ## Wie kam es zur neuen Gewalt?
       
       Israels Luftwaffe hat am Sonntag verschiedene Gebiete des abgeriegelten
       Küstenstreifens bombardiert. Insgesamt wurden dabei nach Angaben mehrerer
       Krankenhäuser 44 Palästinenser getötet. Nach Angaben der palästinensischen
       Nachrichtenagentur Wafa waren unter den Toten auch ein Journalist und ein
       Kind. Nach israelischen Angaben habe die Armee auf Stellungen der Hamas
       gezielt.
       
       Laut der israelischen Armee waren ihre Truppen am Sonntag im Süden des
       Gazastreifens in einem vom Militär kontrollierten Gebiet unter anderem mit
       einer Panzerfaust angegriffen worden. Zwei Soldaten seien getötet, ein
       weiterer schwer verletzt worden. Zudem habe es weitere Versuche gegeben,
       israelische Soldaten anzugreifen. Die Kassam-Brigaden – der militärische
       Arm der Hamas – wiesen jegliche Verantwortung für die Angriffe auf
       israelische Soldaten zurück.
       
       ## Was wird aus den Hilfslieferungen für Gaza?
       
       Sie wurden wieder ausgesetzt. Israels Regierung stoppte die Lieferung
       humanitärer Hilfsgüter in den Gazastreifen vorerst wieder, hieß es aus
       Sicherheitskreisen. Nach Inkrafttreten der Waffenruhe am 10. Oktober waren
       die Hilfslieferungen als Teil der Vereinbarung ausgeweitet worden. Das Ziel
       von [2][notwendigen 600 Lkw-Lieferungen am Tag] wurde bisher aber nicht
       wieder erreicht.
       
       Das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu teilte am
       Sonntag zudem mit, dass der Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen
       und Ägypten bis auf weiteres für den Personenverkehr geschlossen bleibe.
       Die Öffnung hänge davon ab, ob die Hamas ihre Verpflichtungen gemäß
       Abkommen erfüllt.
       
       ## Was ist mit den restlichen Geisel-Leichen?
       
       Noch befinden sich die sterblichen Überreste von 16 Entführten im
       Gazastreifen. Die Hamas verweist darauf, dass es für sie schwierig sei, die
       Leichen zu finden, weil sie unter den Trümmern bombardierter Gebäude und
       Tunnel verschüttet seien. Netanjahus Regierung wirft der Hamas vor, die
       Rückführung der Leichen von Geiseln aus Israel zu verzögern.
       
       Die Kassam-Brigaden teilten mit, die Leiche einer weiteren Geisel sei nun
       gefunden worden. Sie warnten, neue Angriffe Israels könnten die Bemühungen
       gefährden, weitere sterbliche Überreste zu bergen.
       
       ## Was wird aus dem Friedensplan?
       
       Die Hamas hatte vor genau einer Woche ihre letzten 20 lebenden Geiseln
       ausgehändigt – im Gegenzug ließ Israel fast 2000 palästinensische Gefangene
       und Häftlinge frei und zog seine Armee aus Teilen des Gazastreifens zurück.
       Damit wurden zumindest diese Vereinbarungen über die erste Phase des
       Abkommens umgesetzt.
       
       Doch [3][die Lage ist nach wie vor fragil] - wie die Angriffe vom Sonntag
       zeigen. Nicht absehbar ist, ob das Abkommen zu einem längerfristigen Ende
       der Kämpfe im Gazastreifen führen wird. Drei der größten Streitpunkte
       bleiben die Entwaffnung der Hamas, der komplette Abzug der israelischen
       Armee aus Gaza und die Zukunft des großflächig zerstörten Küstengebiets.
       
       Dass Vizepräsident Vance in dieser Woche nach Israel kommen wolle, sei ein
       Signal der US-Regierung, dass sie eine möglichst schnelle und vollständige
       Umsetzung des Abkommens anstrebe, zitierte die US-Nachrichtenseite „Axios“
       israelische Beamte. Offiziell bestätigt ist der Besuch allerdings bislang
       nicht.
       
       ## Welche Macht hat die Hamas noch?
       
       Erste Gespräche über die zweite Phase des Abkommens haben bereits begonnen.
       Die Hamas lehnt ihre darin geforderte Entwaffnung aber ab. Seit dem
       teilweisen Rückzug Israels aus Gaza geht die Hamas laut Berichten gegen
       rivalisierende Milizen vor. Dabei sei es zu Gefechten und Hinrichtungen
       gekommen.
       
       Demnach versucht die im Gaza-Krieg geschwächte Hamas, das Machtvakuum in
       Teilen des Gebiets zu nutzen und dort die Kontrolle wiederzuerlangen. Den
       vom US-Außenministerium erhobenen Vorwurf, sie habe einen Angriff auf
       palästinensische Zivilisten geplant, wies die Hamas indes zurück. Das seien
       „haltlose Behauptungen“ im Einklang mit israelischer Propaganda.
       
       Das Wall Street Journal hatte vor einem Monat israelische und arabische
       Beamte zitiert, wonach die Hamas schätzungsweise weiter über Zehntausende
       Kämpfer in ihren Reihen verfüge. Dabei handele es sich jedoch vielfach um
       neue Rekruten mit wenig Ausbildung. Die Hamas gelobte gerade erst die
       Fortsetzung des bewaffneten Kampfes gegen Israel, auch wenn die
       Kassam-Brigaden am Sonntag verlauten ließen: „Wir bekräftigen unsere
       vollständige Verpflichtung, alles umzusetzen, was vereinbart wurde.“ Dies
       gelte vor allem für die Waffenruhe in allen Gebieten des Gazastreifens,
       hieß es.
       
       ## Wie geht es nun weiter?
       
       Neben dem Versuch, die Hamas zur Rückgabe weiterer Leichen zu bewegen,
       arbeitet das Weiße Haus laut Axios weiter an der Bildung einer
       internationalen Friedenstruppe (ISF). Gemäß dem 20-Punkte-Plan von
       US-Präsident Donald Trump soll sie zur Beendigung des Krieges in Teilen des
       Gazastreifens stationiert werden und einen weiteren Rückzug der
       israelischen Armee ermöglichen.
       
       Israel kontrolliert weiterhin gut die Hälfte des Gebiets. Dort, wo die
       Hamas keine Kontrolle mehr ausübt, wollten die USA mit dem
       Wiederaufbauprozess des von Trümmerlandschaften geprägten Gazastreifens
       beginnen, hieß es in dem Axios-Bericht. Das betreffe insbesondere die Stadt
       Rafah im Süden des Küstengebiets.
       
       Der US-Unterhändler Kushner sagte dem US-Fernsehsender CBS, Israel müsse
       anfangen, den Palästinensern zu helfen und ihre Lebensqualität zu
       verbessern. „Die wichtigste Botschaft, die wir der israelischen Führung
       derzeit zu vermitteln versuchen, ist, dass man jetzt, da der Krieg vorbei
       ist, einen Weg finden muss, dass das palästinensische Volk gedeiht und es
       ihm besser geht, wenn man Israel in den Nahen Osten integrieren will.“
       
       20 Oct 2025
       
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