URI: 
       # taz.de -- EU-Klimaziel laut Gutachten rechtswidrig: EU-Staaten könnten auf Schadensersatz verklagt werden
       
       > Ein zu niedriges Klimaziel würde Staaten und Unternehmen vor Gericht
       > gefährden, warnt ein Gutachten – auch, weil die EU CO₂-Schulden anhäuft.
       
   IMG Bild: Die EU-Staaten häufen immer mehr CO2-Schulden an
       
       taz | Die EU-Staaten könnten erheblichen rechtlichen Risiken ausgesetzt
       sein, wenn sie den Vorschlag der EU-Kommission für ein EU-Klimaziel nicht
       nachschärfen. Das Risiko könnte noch weiter steigen, wenn die
       EU-Regierungschef*innen den Vorschlag der Kommission noch weiter
       abschwächen. Zu diesem Schluss kommt ein Rechtsgutachten im Auftrag der
       Grünen-Fraktion im Europaparlament.
       
       Derzeit verhandeln die EU-Staaten über ein gemeinsames Klimaziel für 2040.
       Die Kommission hatte im Juni vorgeschlagen, im Vergleich zu 1990 die
       CO2-Emissionen um 90 Prozent zu senken. Drei Prozent sollten demnach über
       Klimaschutzprojekte außerhalb der EU eingespart werden dürfen.
       
       Über den Vorschlag, der dem deutschen Koalitionsvertrag entspricht, sollte
       im September abgestimmt werden. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU)
       verzögerte jedoch die Abstimmung und [1][stellte so infrage, ob der
       Vorschlag der Kommission eine Mehrheit finden würde].
       
       Dem Rechtsgutachten zufolge ist bereits dieser Vorschlag
       völkerrechtswidrig. Die Jurist*innen begründen das mit [2][Urteilen des
       Internationalen Gerichtshofs] und des Europäischen Gerichtshofs für
       Menschenrechte, die das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen als
       verbindlich feststellten.
       
       ## EU häuft CO2-Schulden an
       
       Ihren Anteil am globalen CO2-Budget für 1,5 Grad wird die EU aber
       zweifellos überschreiten, wie eine aktuelle Studie zeigt. Der
       wissenschaftliche Beirat der EU hält es deswegen für geboten, die
       CO2-Emissionen der EU um 90 bis 95 Prozent bis 2040 zu senken, weil das die
       größtmögliche umsetzbare Ambition darstelle.
       
       Der Beirat warnte aber davor, außereuropäische Klimaschutzprojekte auf
       dieses Ziel anzurechnen. Die müssten über die Klimaschutzmaßnahmen der EU
       hinaus finanziert werden, um die CO2-Schulden zu begleichen, die die EU mit
       dem Überschreiten ihres CO2-Budgets anhäuft. Zusätzlich seien deshalb auch
       Investitionen nötig, damit die EU langfristig mehr CO2-Emissionen bindet,
       als sie ausstößt.
       
       Auf dieser Grundlage argumentieren die Autor*innen des Rechtsgutachtens,
       dass der 90-Prozent-Vorschlag der Kommission rechtlich bereits riskant sei,
       weil er drei Prozent Anrechnung außereuropäischer Klimaschutzprojekte
       erlaubt und deswegen tatsächlich ein 87-Prozent-Ziel ist. Wird das Ziel
       noch weiter verwässert, steige das Risiko.
       
       „Staaten könnten vor dem Internationalen Gerichtshof Schadensersatz von
       EU-Staaten verlangen oder mit Klagen schärfere Ziele erzwingen“, sagte der
       Anwalt Johannes Franke, der das Gutachten mit seiner Kollegin Roda Verheyen
       verfasst hat. Auch für Behörden und Unternehmen könnten teure rechtliche
       Unsicherheiten entstehen. Die EU-Regulierung von Finanzmärkten nehme zum
       Beispiel auf Völker- und europäisches Recht Bezug. Wenn das völkerrechtlich
       verbindliche 1,5-Grad-Ziel und das EU-rechtliche 2040er-Ziel sich
       widersprechen, „dann [3][wachsen die Rechtsunsicherheiten für
       Finanzunternehmen]“.
       
       ## Aktivisten und Forscher fordern Merz zum Handeln auf
       
       Der EU-Parlamentarier Michael Bloss (Grüne) kündigte an, dass Grüne und
       Umweltverbände klagen würden, falls das EU-Klimaziel hinter dem Vorschlag
       der EU-Kommission zurückbleibt oder die Klimaschutz-Architektur der EU
       demontiert wird.
       
       „Gesetzliche Klimaziele spielen eine entscheidende Rolle für eine
       verlässliche Politik“, warnten Klima-Aktivist*innen und
       -Wissenschaftler*innen [4][in einem Offenen Brief an die Bundesregierung],
       der zusammen mit dem Rechtsgutachten veröffentlicht wurde. Die Klimaziele
       „geben den Rahmen für die nachgelagerten Gesetze vor – und damit die
       Grundlage für unternehmerische und individuelle Entscheidungen.“
       
       Die Unterzeichner*innen des Briefes, zu denen neben Luisa Neubauer und
       Carla Reemtsma von Fridays for Future auch die Klimaforscher*innen
       Stefan Rahmstorf und Friederike Otto gehören, fordern Merz und die
       Bundesregierung auf, im Rat für ein EU-weites 2040er-Ziel von mindestens 90
       Prozent einzutreten und den Prozess nicht weiter zu verzögern. „Deutschland
       ist der größte Mitgliedsstaat und der größte Emittent in der EU – Ihre
       Stimme ist entscheidend.“
       
       20 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Niederlage-fuer-Umweltminister/!6113571
   DIR [2] /Internationaler-Gerichtshof/!6103474
   DIR [3] /Schaeden-durch-Naturkatastrophen/!6099485
   DIR [4] https://fridaysforfuture.de/offener-brief-zur-eu-klimapolitik-an-die-bundesregierung/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jonas Waack
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Klimaklage
   DIR Klimaschutzziele
   DIR Schwerpunkt Fridays For Future
   DIR EU-Kommission
   DIR Kanzler Merz
   DIR Social-Auswahl
   DIR klimataz
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Globaler Süden
   DIR Fachkräfte
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Weltklima
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Bericht von Fachzeitschrift Lancet: Wie uns der Klimawandel krank macht
       
       Kohle, Öl und Gas sowie die Folgen des Klimawandels machen die Welt
       tödlicher, berichten Mediziner. Auch die Folgen für die Wirtschaft sind
       enorm.
       
   DIR EU-Gipfel: Industrie wichtiger als Klima
       
       Europas Staats- und Regierungschefs stellen Emissionshandel und
       Verbrenneraus infrage. Unklar bleibt, wie das Klimaziel 2040 erreicht
       werden soll.
       
   DIR Fossile Energie aus der Nordsee: Grüne und Umweltschützer appellieren an Abgeordnete
       
       Die Bundesregierung gießt ihre Zustimmung zu niederländischen Gasbohrungen
       im deutschen Meer in ein Gesetz. Der Bundestag könnte das noch aufhalten.
       
   DIR Klimakrise in Brüssel: Industrie und Länder greifen EU-Klima-Architektur an
       
       Die Welt tut deutlich zu wenig für den Klimaschutz, warnt ein Bericht.
       Derweil wollen einige Unternehmen und EU-Länder noch stärker bremsen.
       
   DIR Anpassung an die Erdewärmung: Milliardäre schützen oder den Rest der Menschheit?
       
       Es sind die Überreichen, die den Klimawandel versursacht haben. Sie sollten
       für die notwendigen Anpassungen an ihre Folgen bezahlen.
       
   DIR Kampf um Fachkräfte: Waffen oder Windräder?
       
       Wer Panzer baut, kann kein Windrad bauen. Zwischen der Rüstungsindustrie
       und Solar- und Windkraftunternehmen droht ein großes Gezerre um Fachkräfte.
       
   DIR Kollaps von atlantischem Strömungssystem: Rückschritt hätte enorme Folgen
       
       Ob die Atlantische Umwälzzirkulation zusammenbricht, ist unsicher. Eine
       Studie zeigt aber: Lassen wir beim Klimaschutz deutlich nach, kollabiert
       sie.
       
   DIR Klima-Urteil des EGMR: Sie haben gewonnen
       
       Klimaschutz ist ein Menschenrecht und Verbände können es einklagen. Über
       ein Gerichtsurteil mit Signalwirkung über die Schweiz hinaus.