# taz.de -- Klimaneutralität bis 2040: Wohnungswirtschaft schießt gegen Schleswig-Holsteins Ziel
> Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen kritisiert das geltende
> Klimaschutzziel des Landes. Dabei hat er immer Verlässlichkeit
> eingefordert.
IMG Bild: Nicht die ökologischste Art zum Heizen: Rauchender Schornstein auf Wohnhäusern
Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) hat das Land
Schleswig-Holstein aufgefordert, von seinem Ziel der Klimaneutralität bis
2040 abzurücken. In einem Schreiben an alle Landtagsabgeordneten warnte der
VNW, dieses Ziel, das fünf Jahre vor dem bundesweit geltenden Termin liegt,
komme einer „ökologischen Sonderumlage SH“ gleich, die sich das Land nicht
leisten könne. Der VNW vertritt vor allem genossenschaftliche und kommunale
Vermieter.
VNW-Verbandsdirektor Andreas Breitner hatte sich stark gegen den
[1][Hamburger Klima-Volksentscheid] engagiert, der am 12. Oktober auch für
Hamburg das Zieljahr 2040 durchsetzte. Dabei hatte Breitner unter anderem
argumentiert, für das Vorziehen des Klimaschutzziels müssten seine
Mitgliedsunternehmen ihre Klimaschutzpläne über den Haufen werfen. Sie
hätten ja ihre Sanierungs- und Modernisierungsprogramme auf das Jahr 2045
abgestellt.
Das aktuelle schleswig-holsteinische Klimaziel der CO2-Neutralität bis 2040
hatten die Koalitionspartner CDU und Grüne nach der Landtagswahl 2022
vereinbart. Beschlossen wurde es vom Landtag am 30. Januar2025. In den
vergangenen drei Jahren mussten sich die Wohnungsunternehmen des Landes auf
die neuen Vorgaben einstellen.
Planbarkeit hin oder her: In seinem Schreiben an die Abgeordneten rechnet
Breitner jetzt vor, dass der schleswig-holsteinische Wohngebäudesektor 82,5
bis 151,6 Milliarden Euro ausgeben müsse, um bis 2045 klimaneutral zu
werden. Das sind 4,25 bis 7,58 Milliarden pro Jahr. Würde der Zeitraum um
fünf Jahre verkürzt, müssten die Wohnungsunternehmen zwischen 5,5 und 10,11
Milliarden pro Jahr aufbringen.
## Günther „gespaltene Persönlichkeit“
Ein vorgezogener Termin erhöhe die Finanzierungskosten der Unternehmen und
zwinge sie, an sich noch nicht fällige Sanierungen vorzuziehen. Dadurch
erhöhe sich der Anteil der Modernisierungskosten, der auf die Mieter
umgelegt werden dürfe. „Unsere Unternehmen gehen davon aus, dass
Klimaneutralität fünf Jahre früher zu einer zusätzlichen Steigerung der
Miete um bis zu einem Euro pro Quadratmeter Wohnfläche führen wird“, warnt
der VNW.
Breitner warf Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU)
vor, er argumentiere wie eine gespaltene Persönlichkeit, weil er in Berlin
fordere, an 2045 festzuhalten, in Kiel aber 2040 anstrebe. Günther hat in
seiner jüngsten Regierungserklärung am 15. Oktober bekräftigt, das Land
verfolge klar das Ziel, bis 2040 klimaneutral zu sein. „Vom Verkehr bis zur
energetischen Sanierung – wir denken Klimaschutz in allen Bereichen“, sagte
der Ministerpräsident.
Demgegenüber kommt die schleswig-holsteinische SPD-Fraktion ins Wanken.
Unter Federführung ihres wohnungspolitischen Sprechers Thomas Hölck
forderte sie von der Landesregierung am 8. Oktober, Gutachten erstellen zu
lassen. Diese sollen ermitteln, wie stark die Mieten für das Erreichen der
Klimaneutralität 2040 steigen würden und wie stark bis 2045.
Das klingt ganz anders als die Ansage der SPD im Landtagswahlkampf 2022.
Damals versprach sie: „Wir werden Schleswig-Holstein zum ersten
klimaneutralen Land der Bundesrepublik Deutschland machen und damit zu
einem europäischen Leuchtturm werden.“ Kein anderes Land habe so gute
Voraussetzungen, klimaneutral zu werden. „Wir wissen, dass der Klimawandel
unseren eigenen Wohlstand bedroht und der [2][Meeresanstieg gestoppt werden
muss].“ Sofortiges Handeln sei geboten.
Auch die Klimaschutzorganisation Fridays for Future (FFF) warnt, durch das
Infragestellen des Klimazieles drohe das Land wertvolle Zeit zu verlieren.
„Klimaneutralität bis 2040 ist kein Luxusprojekt, sondern eine
Überlebensfrage“, sagt Eva Freitag von FFF. Dem VNW-Direktor Breitner wirft
FFF vor, er habe seine Hamburger Kampagne „per ‚Copy+Paste‘ mit einem
Dauerfeuer von Pressemitteilungen auf Schleswig-Holstein übertragen“.
Die Bewegung fordert mehr Geld für die Wärmewende und eine sozialere
Wohnungspolitik. Zudem müsse das Gasnetz rasch stillgelegt werden.
Klimaschutz dürfe nicht zum Vorwand werden, um soziale Ängste zu schüren.
„Aktuell werden steigende Nebenkosten durch fossile Heizungen auf die
Mieter*innen abgewälzt, während klimaschädliche Subventionen
fortbestehen“, kritisiert Vincent Schlotfeldt von FFF. Das Geld müsse
stattdessen sowohl dem Klimaschutz als auch Mieter*innen zugutekommen.
Gegenüber 1990 hat Schleswig-Holstein seine CO2-Emissionen, Stand 2023, um
rund 37 Prozent verringert, Hamburg um rund 43 Prozent. Als Zwischenziel
2030 strebt Schleswig-Holstein 57,5 Prozent an, Hamburg 70 Prozent. Der
[3][Klimaplan des Stadtstaates] ist mehr als dreimal so umfangreich wie das
[4][Klimaschutzprogramm des Flächenlandes] und wesentlich konkreter. Unter
anderem umfasst er einen [5][langen Katalog von Einzelmaßnahmen].
21 Oct 2025
## LINKS
DIR [1] /Schaerferes-Klimaschutzgesetz-kommt/!6116479
DIR [2] /Auf-Deichschau-an-der-Nordseekueste/!6043951
DIR [3] /Hamburgs-neues-Klimaschutzgesetz/!5964821
DIR [4] https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/themen/energie/klimaschutzprogramm2030/klimaschutzprogramm2030_node.html
DIR [5] https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/behoerden/bukea/themen/klima/klimaschutz-klimaplan
## AUTOREN
DIR Gernot Knödler
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