# taz.de -- Friedrich Merz ist kein Feminist: Im Namen der Töchter
> Merz sieht Frauen wegen Migration in Gefahr, hat sich aber nie für ihren
> Schutz interessiert. „Die Töchter“ schiebt er als rhetorisches Mittel
> vor.
IMG Bild: Die Töchter sprechen selbst: zum Beispiel bei der Demo für den Erhalt der Brandmauer im Januar in Berlin
Bei der [1][Bundestagswahl 2025 schnitt die CDU bei kaum einer
Bevölkerungsgruppe schlechter ab als bei jungen Frauen in Städten].
Armselige 9 Prozent bekam die Partei von denjenigen, für die sich die Union
mit ihrer Abschiebepolitik angeblich einsetzt. Denjenigen, die es laut dem
Vater von Töchtern und Bundeskanzler, Friedrich Merz, zu schützen gilt.
Nach [2][Merz’ Auftritt vergangene Woche in Brandenburg, wo er erklärte,
dass sich Migration noch immer als Problem im Stadtbild zeige], gab ihm ein
Journalist wenige Tage später die Möglichkeit, sich für diese
offensichtlich rassistische Aussage zu entschuldigen. Doch Merz blieb
dabei: „Fragen Sie ihre Töchter […]. Alle bestätigen, dass das ein Problem
ist“, antwortete Merz grinsend.
Der Kanzler versucht also ernsthaft, sich als Beschützer der Töchter des
Landes zu stilisieren. Wenn Merz in der Vergangenheit aber eines bewiesen
hat, dann, dass ihm der Schutz von Frauen egal ist. Er schiebt die Tochter
lediglich als fiktive Zeugin vor, die ihn in seiner rassistischen Aussage
rechtfertigen soll.
Nicht zum ersten Mal taucht die Tochter als rhetorisches Mittel auf. Ob
Merz vielleicht ein Frauenproblem hat, genauer, ob er ihnen nicht vertraue,
hatte man seinen Regierungssprecher im Mai 2025 gefragt, als Kritik darüber
laut wurde, dass verhältnismäßig wenige Frauen in den Gremien der
Bundesregierung säßen. Der antwortete: [3][„Er hat selber eine [Frau], er
hat mehrere Töchter. Der Bundeskanzler arbeitet gut und gerne mit Frauen
zusammen.“]
## Instrumentalisierte Sorge ums Wohlergehen von Frauen
Beweise dafür, dass Feminist Friedrich doch nicht so feministisch ist, sind
schnell gefunden. 1997 etwa stimmte er gegen einen Gesetzentwurf, der die
Vergewaltigung in der Ehe strafbar machen sollte. Wenn Frauen also
sexualisierte Gewalt erfahren, dann bitte vom eigenen Ehemann und nicht vom
Fremden auf der Straße. [4][Zwar sagte er 2024, dass er heute nicht mehr so
stimmen würde] – doch allein dass das Gegenteil für ihn einmal denkbar war,
entlarvt ihn.
Ebenso wie die Tatsache, dass er 2006 als einer von nur 18 CDU-Abgeordneten
gegen das Gleichbehandlungsgesetz stimmte. Das soll Menschen vor
Diskriminierung im Alltag, Beruf oder bei der Wohnungssuche schützen – auch
vor Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts.
Dass er seine Sorge um das Wohlergehen von Frauen instrumentalisiert, um
die eigene Agenda zu pushen, beweist auch sein Votum gegen die Reform des
Paragrafen 218, mit der Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche
entkriminalisiert werden sollte. [5][Dabei hielten es sogar 77,5 Prozent
der Unions-Wähler_innen laut einer repräsentativen Umfrage für falsch, dass
solche Schwangerschaftsabbrüche rechtswidrig seien.]
## Er propagiert das Bild des gefährlichen Ausländers
Seinen Wunsch, Frauen zu schützen, hätte Merz da wunderbar realisieren
können. Offensichtlich folgt er aber einer Logik, wie man zuletzt prominent
bei den [6][rechtsextremen „Unite the Kingdom“-Demonstrationen gegen
Migration in Großbritannien] beobachten konnte: Der Schutz von Frauen ist
nur dann ein Anliegen, wenn er gegen eine andere marginalisierte Gruppe
ausgespielt werden kann.
Im aktuellen Fall sind es Menschen, die migrantisch gelesen werden –
[7][auch in England sah man Dutzende „Protect our women“-Banner]. In
anderen Fällen waren es etwa trans Frauen, die cis Frauen angeblich auf
Toiletten belästigen oder im Sport keine Chance ließen.
Würde Merz tatsächlich auf die Töchter des Landes hören, würde er bemerken,
dass sein Narrativ ins Leere läuft. Nicht umsonst wählen gerade junge
Frauen seltener Union. Doch er hört ihnen nicht zu, er nutzt sie lediglich
als rhetorische Figur aus.
Merz meint außerdem nicht alle Töchter. Gleichgültig sind ihm
wahrscheinlich jene Töchter, die jetzt Rassismuserfahrungen machen, weil
seine Aussagen das Bild des gefährlichen Ausländers weiter propagieren.
Oder die Töchter, die nach Deutschland kommen, weil sie vielleicht vor
einem Krieg fliehen und in ihren Unterkünften dann rechte Angriffe
aushalten müssen. Egal sind ihm auch die Töchter, die unrechtmäßig
abgeschoben werden. Und die Töchter, deren Brüder, Söhne und Väter er als
potenzielle Bedrohung der weißen Frau stigmatisiert.
21 Oct 2025
## LINKS
DIR [1] https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2025-02-23-BT-DE/umfrage-alter.shtml
DIR [2] /Stadtbild-Aeusserung-des-Kanzlers/!6121879
DIR [3] https://www.n-tv.de/politik/Weniger-Vertrauen-in-Frauen-Merz-hat-selber-eine-er-hat-mehrere-Toechter-article25789455.html
DIR [4] https://www.zeit.de/news/2024-11/30/merz-zu-vergewaltigung-in-ehe-wuerde-heute-anders-stimmen
DIR [5] /Umfrage-zu-Abtreibungen-in-Deutschland/!6004352
DIR [6] https://www.theguardian.com/politics/2025/sep/15/who-were-the-key-figures-at-the-unite-the-kingdom-rally-in-london
DIR [7] /Film-This-Is-England-wird-real/!6110356
## AUTOREN
DIR Valérie Catil
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