# taz.de -- US-Diplomatie in Israel: US-Vize Vance glaubt noch an Frieden
> Hofft auf „Gottes Hilfe“: US-Vizepräsident Vance ist mit einer Delegation
> in Israel. Ziel ist, Druck auf beide Kriegsparteien auszuüben.
IMG Bild: Glaubt an Frieden: US-Vizepräsident JD Vance am 22. Oktober in Jerusalem
Tel Aviv taz | J.D. Vance gibt sich in Israel als Mann des Glaubens. Und
Glaube braucht der US-Vizepräsident tatsächlich: Sein Besuch dieser Tage in
Israel wird von vielen Beobachtern als Rettungsmission beschrieben. Denn
Anfang der Woche war die nur unter [1][massivem Druck der USA zustande
gekommen Waffenruhe] im Gazastreifen beinahe zerbrochen. Am Sonntag hatte
Israel rund zwei Dutzend Ziele in Gaza bombardiert und nach Angaben des von
der Hamas geleiteten Zivilschutzes 45 Menschen getötet. Zuvor waren bei
einem Angriff in Rafah zwei Soldaten gestorben. Die Hamas erklärte, nichts
mit der Attacke zu tun zu haben.
„Dies ist nicht das Ende des Friedensplans“, beteuerte Vance jedenfalls vor
Journalisten in Israel vor seinem Treffen mit Regierungschef Benjamin
Netanjahu am Mittwoch. Begleitet wurde er vom US-Sondergesandten Steve
Witkoff und Jared Kushner, der ebenfalls eine Vermittlerrolle hat.
Ausbrüche von Gewalt seien „genau was passiert, wenn man Menschen hat, die
sich hassen und lange bekämpft haben“. Die Umsetzung des Trump-Plans gehe
besser als gedacht. Zum Abschluss bat er alle Gläubigen, um ein Wunder zu
beten. „Wir haben wichtige Schritte gemacht, wir müssen noch viele weitere
machen, aber ich denke, mit Gottes Hilfe und einem sehr guten Team hinter
mir können wir es schaffen.“
Nach seinem Treffen mit Netanjahu war Vance' Glaube ungebrochen: „Ich bin
optimistisch“, sagte er. Dass nach Vance, Witkoff und Kushner am Donnerstag
auch noch US-Außenminister Marco Rubio in Israel landen soll, zeigt, dass
die US-Regierung für die Umsetzung des 20-Punkteplans von US-Präsident
Trump aktuell viel zu investieren bereit ist.
Zur Überwachung des Waffenstillstands haben rund 200 US-Soldaten ihren
Dienst im dafür eingerichteten zivilmilitärischen Koordinierungszentrum
(CMCC) in der israelischen Stadt Kiryat Gat aufgenommen. Ein weiteres
Novum: Die US-Vermittler Witkoff und Kushner sagten in einem Interview mit
dem US-Sender CBS, Trump habe ihnen genehmigt, direkt mit der von den USA
als Terrororganisation eingestuften Hamas zu sprechen.
Washington baut gerade Druck auf beide Seiten in diesem Krieg auf. Schon
Witkoff und Kushner hatten Netanjahu gedrängt, die Kämpfe in Gaza nicht
wieder aufzunehmen. Vance wies erneut Vorwürfe der israelischen Führung
zurück, die Hamas würde absichtlich die Rückgabe der sterblichen Überreste
israelischer Geiseln verzögern.
[2][Am Dienstagabend waren die Leichen von Arye Zalmanovich und Tamir Adar
übergeben] worden. Damit befinden sich noch 13 tote Geiseln im
Gazastreifen. „Manche dieser Geiseln sind unter Tonnen von Schutt
begraben“, sagte Vance, und warb für Geduld.
Die Hamas versicherte in einer Mitteilung, zu dem Abkommen zu stehen. Vance
drohte der radikalislamischen Palästinensergruppe, wenn sie ihre Waffen
nicht abgebe und aufhöre, Palästinenser zu töten, werde sie „zerstört“.
Eine Frist für die Entwaffnung wollte er nicht festlegen.
Derweil teilte das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium in
Gaza mit, dass bei 165 von Israel rücküberstellter Leichen
palästinensischer Gefangener Spuren von Folter und Hinrichtungen
festgestellt worden seien. Israels Armee und eine Sprecherin der Regierung
wiesen die Darstellungen zurück.
Vor den Verhandlern liegen schwierige Gespräche: Wer soll künftig in Gaza
die Macht ausüben? Welche internationalen Truppen werden in dem
Küstenstreifen die Ordnung aufrechterhalten? Wird die Hamas ihrer
Entwaffnung zustimmen, und wann werden sich Israels Truppen, die noch immer
50 Prozent des Gebietes besetzen, zurückziehen?
Geplant war laut Medienberichten zuletzt eine Beteiligung der Türkei an
einer internationalen Truppe in Gaza. Israel schließt das aus, weil sie die
türkische Führung ideologisch zu nahe an der Hamas sieht. Auch bei
Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten sorgt die enge
Einbindung der Türkei für Unmut.
Ein möglicher Plan scheint der schrittweise Wiederaufbau unter
internationaler Aufsicht in entweder von Israel oder von internationalen
Truppen kontrollierten Gebieten zu sein. So soll abseits der von der Hamas
kontrollierten Zonen ein Gegenmodell entstehen, das den Bewohnern des
Gazastreifens eine bessere Zukunft bringen soll. Auch ein solcher Plan aber
wirft diverse Fragen auf, nicht zuletzt die nach der Einbindung der
Palästinenser selbst. Vance wich Fragen dazu aus: Zunächst müsse es um
humanitäre Versorgung und Sicherheit gehen. „Wenn wir den Punkt erreichen,
über langfristige Regierungssysteme in Gaza zu sprechen, können wir uns
bereits auf die Schultern klopfen.“
## Mehrheit für Annexionen im Westjordanland
Israel verweigert laut den Vermittlern Katar und Ägypten bisher
Verhandlungen über die zweite Phase eines Friedensplans, bevor nicht alle
toten Geiseln zurück in Israel sind. Netanjahu verteidigt seinerseits die
Waffenruhe gegen Kritik aus seiner Koalition: Manche seiner Minister wollen
die Angriffe auf den Gazastreifen fortsetzen und das Gebiet besetzen. Am
Mittwoch stimmte eine knappe Mehrheit rechter Abgeordneter zudem in erster
Lesung für eine Annexion von Teilen des besetzten Westjordanlandes, trotz
Warnungen der US-Regierung und gegen den Widerstand Netanjahus und seiner
Likud-Partei.
Zudem muss Netanjahu sich aus den Reihen der Opposition Kritik gefallen
lassen, Israel durch die Abhängigkeit von den USA zu einem „Vasallenstaat“
gemacht zu haben. Und er wehrt sich gegen wachsende Rufe aus der
Bevölkerung, das Versagen der Sicherheitsbehörden im Vorfeld und am 7.
Oktober selbst durch eine staatliche Untersuchungskommission aufarbeiten zu
lassen.
Derweil mahnte ein Mittwoch veröffentlichtes Gutachten des Internationalen
Gerichtshofs, Israel müsse humanitäre Hilfe in den Gazastreifen lassen –
und dafür auch mit dem UN-Hilfswerk für Palästinenser (UNRWA)
zusammenarbeiten. Israel sei als Besatzungsmacht verpflichtet, für die
Bevölkerung zu sorgen, heißt es darin. Das Gutachten ist nicht bindend.
Israel untersagt dem UNRWA die Arbeit im Gazastreifen seit Januar.
Nach der ersten Euphorie über ein Ende der Gewalt, stehen nun also
kleinteilige Verhandlungen an. Auf viele Fragen gibt es bisher über
Optimismus und Gottvertrauen hinaus keine Antworten.
22 Oct 2025
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## AUTOREN
DIR Felix Wellisch
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