# taz.de -- Tennis in der DDR: Der ungeliebte weiße Sport im Osten
> Die besten Tennisspieler der DDR durften keine Karriere machen,
> Preisgelder durften sie schon gar nicht annehmen. Eine Doku beleuchtet
> ihr Leben.
IMG Bild: DDR-Tennislegende Thomas Emmrich bei einen Showturnier 2002 in Berlin
Hätte auch er das schaffen können, so wie Boris Becker das Wimbledon-Finale
zu gewinnen und daraufhin ein ganzes Land in eine nie dagewesene
Tennisekstase zu versetzen? Konfrontiert mit diesem Gedankenspiel in der
vierteiligen Dokuserie „Großes Tennis – Made in East Germany“, die in der
ZDF-Mediathek zu sehen ist, wirkt Thomas Emmrich selbstbewusst genug, um
der Frage die Antwort Ja nahezulegen. Wimbledon, das wäre ganz sicher sein
Ding gewesen, sagt er, genau seine Spielweise sei hier gefragt gewesen.
Warum sollte er auch den Bescheidenen vor der Kamera geben? 48-maliger
DDR-Meister steht da unter seinem Namen eingeblendet. 16 Jahre lang blieb
er ungeschlagen und Martina Navratilova, eine der größten
Tennisspielerinnen aller Zeiten, sagt, sie hätte es ihm zugetraut, ein
Grand-Slam-Turnier zu gewinnen. Millionen hätte er verdienen können, glaubt
er selbst. Wenn man ihn denn gelassen hätte.
Die Dokuserie nimmt sich verdienstvoller Weise eines Themas an, das bislang
weitgehend unterbelichtet blieb, trotz all der Aufarbeitungen des Sports in
der DDR. Sie geht der Frage nach, warum die Funktionäre der DDR dem Sport
an sich eine solche Bedeutung beimaßen, Tennis aber klein hielten. So gab
das SED-Politbüro 1969 seinen sogenannten Leistungssportbeschluss heraus.
Der teilte den Sport in zwei Kategorien ein: in die förderungswürdigen
Disziplinen, mit denen sich bei Olympiaden Medaillen gewinnen ließen, und
dann den ganzen Rest, worunter auch das damals nicht olympische Tennis
fiel.
Kurz vor dem Beschluss wurde im internationalen Tennis die sogenannte Open
Era eingeläutet, die den weißen Sport professionalisierte. Eine
Entwicklung, die an den Tennisspielern und -spielerinnen der DDR nun völlig
vorbeiging. Sie bekamen so gut wie keine Genehmigungen für Reisen ins
Ausland und als Emmrich bei einem Turnier in Sofia Preisgelder erspielte,
durfte er diese nicht annehmen.
## Verpasste Chancen
So wie Emmrich der „Boris Becker der DDR“ war, gab es natürlich auch ein
[1][Steffi Graf]-Pendant im Osten, Grit Schneider. Sie erzählt, ähnlich wie
die Tennisspielerinnen Gabriele Lucke und Juliana Gorka, von ihren
damaligen Träumen, vielleicht auch mal gegen die echte Steffi Graf spielen
zu können. Für die angestrebte Profikarriere reichte es nach dem Fall der
Mauer dann bei keiner. Und Emmrich war da bereits zu alt, um es noch als
Tennisprofi zu versuchen.
Verfolgt werden die Lebensläufe von vier Tennisverrückten, die allesamt mit
ihrem Schicksal hadern, nicht bekommenen Chancen nachtrauern, auf das
Erreichte aber trotzdem stolz sind. Auch darauf, wie sie Widerständen
trotzten. Allein schon das nötige Equipment aufzutreiben, war für sie einst
nicht einfach. Die Schläger des DDR-Farbrikats Attache taugten nichts,
glücklich war, wer sich von der Verwandtschaft in der BRD einen
Westschläger schicken lassen konnte.
Und als [2][Boris Becker 1985 dann schließlich Wimbledon] gewann, sei es
mit der Ablehnung nur noch schlimmer geworden, so Emmrich. Tennis bekam in
der DDR nun endgültig das Image des dekadenten Westsports für reiche
Klassenfeinde verpasst.
Im Raum steht nach all diesen Schilderungen irgendwann eine Frage, um die
sich in der Doku komischerweise ständig herumgedrückt wird: Warum konnten
aus den anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks Tennisstars ohne Ende
hervorgehen, von Martina Navratilova bis hin zu Ivan Lendl – aber eben
nicht aus der DDR? Lag es an der im Vergleich besonders ausgeprägten Angst
vor Republikflucht? An einer Kontrollwut, die es zumindest beim Tennis in
Rumänien oder der Tschechoslowakei so nicht gab? Das ZDF sollte unbedingt
dran bleiben an dem Thema.
„Großes Tennis – Made in East Germany“, ZDF Mediathek
23 Oct 2025
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## AUTOREN
DIR Andreas Hartmann
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