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       # taz.de -- Verteidigungsminister in Island: Pistorius besucht die friedlichste Nation der Welt
       
       > Island und Deutschland wollen künftig sicherheitspolitisch enger
       > zusammenarbeiten. Die Bundeswehr soll bei dem Run auf die Arktis nicht
       > nur zuschauen.
       
   IMG Bild: Die isländische Außenministerin Þorgerður Gunnarsdóttir und Verteidigungs-minister Boris Pistorius (SPD) in Reykjavík
       
       taz | Der Verteidigungsminister betritt Neuland – gleichzeitig schafft
       Boris Pistorius (SPD) mit seinem ersten Besuch in Island auch für die
       Bundeswehr ein neues Betätigungsfeld. Pistorius und Außenministerin
       Þorgerður Katrín Gunnarsdóttir unterzeichneten am späten Sonntagabend in
       Reykjavik eine Absichtserklärung zur stärkeren militärischen und
       strategischen Zusammenarbeit. Auch für Island öffnet die Übereinkunft ein
       neues Kapitel: Die Insel im Nordatlantik ist zwar Gründungsmitglied der
       Nato, versteht sich traditionell aber als „friedlichste Nation der Welt“.
       Island verfügt über keine eigene Armee und auch über kein
       Verteidigungsministerium.
       
       In Reykavik war es deshalb die Außenministerin, die Pistorius in Empfang
       nahm. „Diese Erklärung ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung unserer
       bilateralen Verteidigungskooperation“, sagte Gunnarsdóttir nach der
       Unterzeichnung. Bilaterale Abkommen seien wichtige Pfeiler der isländischen
       Verteidigungspolitik. Tatsächlich sind es die USA, die hier schon [1][seit
       der Hochphase des Kalten Kriegs stationiert sind]. In Kevlavik im Südwesten
       der Insel halten die Isländer eine große Basis für die militärischen Gäste
       vor, die von hier aus mit Poseidon-Flugzeugen ihre U-Boot-Aufklärung im
       Nordatlantik betreiben.
       
       Ansonsten stehen die Menschen in Island weiterem militärischen Engagement
       durchaus reserviert gegenüber. Noch vor wenigen Tagen bekräftigte Islands
       Ministerpräsidentin Kristrún Mjöll Frostadóttir, dass die
       sicherheitspolitischen Stärken der Insel in Diplomatie und internationaler
       Kooperation lägen. „Ich denke nicht, dass wir ein isländisches Militär
       sehen, so lange ich lebe“, sagte die 37-Jährige. 250 Beschäftigte der
       Küstenwache und etwa 70 für strategische Aufklärung zuständige
       Mitarbeiter*innen beim Außenministerium sind das, was Island im
       Zweifel aufzubieten hat.
       
       Wegen der steigenden militärischen Aktivitäten in der Arktis wächst aber
       auch in Island das Unbehagen. Vor drei Jahren kam es zu einem Zwischenfall
       mit russischen Fischtrawlern, die in der Nähe von zwei wichtigen
       Unterwasserkabeln gesichtet wurden. Den Isländern blieb nicht viel übrig,
       als mit ihrer Küstenwache an die Boote heranzufahren und sie zu beobachten.
       
       ## Vage Absicht zur Zusammenarbeit
       
       Deshalb zeigt man sich auch froh über die Luftraumüberwachung, die hier die
       Nato in unterschiedlichen Einsatz-Rotationen mit Kampfjets bestreitet.
       Außenministerin Gunnarsdóttir begrüßte bei einer Pressekonferenz mit
       Pistorius die Ankündigung Deutschlands, sich in Island militärisch mehr
       engagieren zu wollen. „Unsere Freunde aus Deutschland übernehmen eine
       führende Rolle in den europäischen Nato-Staaten“, sagte sie.
       
       Pistorius, der in Deutschland [2][von dem Streit um den neuen Wehrdienst
       geplagt] ist, hört diese Worte gern. Doch die Absichtserklärung zur
       intensiveren sicherheitspolitischen Zusammenarbeit bleibt vage. Dort heißt
       es, beide Länder wollten den „strategischen Dialog und Meinungsaustausch zu
       Verteidigungsfragen“ stärken. Dafür solle ausgelotet werden, wo vor allem
       im Marine- und Luftsektor tiefere Kooperationen eingegangen werden können.
       
       Der Verteidigungsminister bezeichnet Island als „das Tor zur Arktis“, der
       Schutz der Insel sei zentral für die Nordflanke der Nato. Die Frage, ob
       sich Deutschland mit einem stärkeren Engagement hier militärisch nicht
       übernehmen würde, weist er brüsk zurück. Es gelte, dort zu sein, wo es
       notwendig sei. Zudem bedeute die gemeinsame Absichtserklärung noch lange
       nicht, dass hier bald etwa mit einer permanenten deutschen Präsenz zu
       rechnen sei.
       
       Erst im Mai hatte die Bundeswehr eine Brigade in Litauen aufgestellt.
       Dorthin Soldat*innen abzukommandieren, hatte der Verteidigungsminister
       mehrfach als Kraftakt für die unterbesetzte Bundeswehr bezeichnet.
       Kritiker*innen bezeichnen die hohen Personal- und Materialbedarfe der
       Bundeswehr auch als Folge davon, dass man immer weiter neue Aufgaben für
       die Truppe suche.
       
       Dennoch möchte Deutschland bei dem Run auf die Arktis nicht mehr nur
       zuschauen. Erst vor Kurzem war der Inspekteur der Marine, Christian Kaack,
       in Island zu Besuch. Demnächst wird Außenminister Johann Wadephul hier
       erwartet. Während die USA und Russland sich hier schon seit Jahrzehnten
       tummeln, macht [3][auch China], mit der Selbstbezeichnung „Arktis-naher
       Staat“, hier Ansprüche geltend.
       
       Dass es dabei nicht nur auf militärische Fähigkeiten ankommt, führt Island
       seit Jahrzehnten vor. Trotzdem antwortete Außenministerin Gunnarsdóttir
       ausweichend auf die Frage, was denn Deutschland im Bereich zivile
       Resilienzstrategien von Island lernen könne. Nur so viel: Beide Länder
       verbinde ein starker Sozialstaat und gemeinsame Werte von Freiheit und
       Demokratie. Diese Werte sollen auch die Grundlage für die künftige
       Zusammenarbeit sein.
       
       21 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Unmut-in-Island-ueber-USAbhaengigkeit/!1876631/
   DIR [2] /Debatte-um-neue-Wehrpflicht/!6121345
   DIR [3] /China-will-in-die-Arktis/!5477792/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Cem-Odos Gueler
       
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