# taz.de -- Aggressive Männer im Straßenverkehr: Männer sind ein Risiko
> Männer kaufen überdimensionierte Fahrzeuge, sie rasen häufiger und prägen
> die Verkehrspolitik. Es ist Zeit für eine feministisch inspirierte Wende.
IMG Bild: Männer, die Auto fahren
Vier von fünf Pkws in der motorstärksten und umweltschädlichsten Klasse ab
2.000 Kubikzentimeter Hubraum sind dem Flensburger Kraftfahrtbundesamt
zufolge [1][auf männliche Besitzer zugelassen.] Bei Verkehrsunfällen mit
dramatischen Folgen steigt die Beteiligung von Männern überproportional.
Gibt es schwerverletzte Opfer, sind Männer zu 65 Prozent
hauptverantwortlich. Werden Menschen getötet, wächst ihr Anteil unter den
Verursachern auf 78 Prozent. Zu ähnlich klaren Ergebnissen kommen auch
Autoversicherer.
Als Hauptgründe gelten Alkohol am Steuer und überhöhte Geschwindigkeit. 91
Prozent der Fahrer, die mit über 50 Kilometern pro Stunde innerhalb von
Ortschaften erwischt werden, sind Männer, 92 Prozent der eingezogenen
Führerscheine gehören Männern. Der Darmstädter Wirtschaftswissenschaftler
Boris von Heesen taxiert die Summe der Mehrkosten durch schädliches
männliches Verhalten im Straßenverkehr auf insgesamt 13 Milliarden Euro –
pro Jahr.
Einfach gestrickte, aber millionenfach verkaufte Sachbücher behaupteten
einst, weibliche Fahrerinnen könnten nicht einparken: „Frau am Steuer,
Ungeheuer“. Mit der Replik „Mann am Steuer“ spielt Buchautor von Heesen auf
derlei Klischees an. Ihn beschäftigt die Frage, warum Männer das Auto so
vergöttern – und entsprechend agieren: „Fest eingeschlossen in maskuline
Schutzräume gestikulieren sie wild und aggressiv, beleidigen und nötigen
andere Menschen, die ihnen auf asphaltierten Wegen in die Quere kommen.“
Kaum etwas eignet sich so sehr für die Fortschreibung männlicher
Stereotype: Sei der Fels in der Brandung, erlange Ansehen und unterdrücke
deine Gefühle. Wahnhafte Auswüchse dieses Kults sind die nur kurzfristig
angemieteten „Sportwagen“, die auf innerstädtischen Straßen [2][illegale
Rennen austragen] und dabei immer wieder Menschen verletzen und töten. In
dieser bizarren Parallelwelt beträgt der Männeranteil nahezu 100 Prozent.
## ADAC hat mehr Mitglieder als die katholische Kirche
Unterstützt wird die Autoliebe und das daraus resultierende Syndrom des
„patriarchalen Fahrens“ von einer mächtigen, maskulin geprägten Lobby. Der
ADAC, wichtigster Gegner des in allen Nachbarländern selbstverständlichen
Tempolimits auf Autobahnen, hat mehr Mitglieder als die katholische Kirche.
Das Verkehrsministerium leitete noch nie eine Frau, meist war es ein
autofixierter CSU-Mann, der sich wenig für Bahnkunden, Radfahrerinnen,
Fußgänger interessierte.
Männliche Politiker betrachten die Welt vorwiegend aus der Perspektive der
Erwerbsarbeit. Mit dieser ist oft das berufliche Pendeln mit dem Auto
verbunden. Diese Sichtweise befördert Investitionen in den Straßenbau und
blendet andere Formen der Fortbewegung aus. Frauen, die deutlich mehr
Care-Arbeit übernehmen, haben andere Wegemuster und Mobilitätsketten als
Männer.
Die Verkehrspolitik hat ihre Bedürfnisse stets vernachlässigt. Vorsitzende
des einflussreichen Verbandes der Automobilindustrie ist derzeit eine Frau:
die frühere CDU-Politikerin Hildegard Müller. Einen Kulturwandel hat die
einstige Vertraute Angela Merkels in der Branche allerdings nicht
ausgelöst. Eher ist sie ein Beispiel für weibliche Überanpassung an
männliche Denkmuster und traditionelle Strukturen. Mit ihrer einseitigen
Orientierung an Luxusmodellen und dem Bemühen, das Aus des
Verbrennungsmotors zu verhindern, hat die Autolobby wesentlich zur Krise
der deutschen Fahrzeugindustrie und ihrer Zulieferer beigetragen.
Buchautor von Heesen weist auf alternative Lösungen hin. Er plädiert für
Verkehrserziehung „vom Bobbycar zum Rollator“, entwirft die
Zukunftsperspektive einer „mobilen Befreiung zu Fuß und auf zwei Rädern“,
will Schluss machen mit dem üblichen männlichen Dreiklang „mein Haus, mein
Auto, meine Garage“. Das ist gut gemeint, aber einseitig aus städtischer
Perspektive gedacht. In abgehängten Regionen, in denen nur zweimal am Tag
ein Bus kommt, klingt das jedenfalls utopisch. Und es ist zu
schablonenhaft, sämtliche Hürden einer nachhaltigen Verkehrspolitik dem
meist männlichen Geschlecht der Akteure anzulasten.
## Die meisten Autos stehen nur rum
Schon lange beschäftigt sich eine [3][feministisch inspirierte Geografie
und Stadtplanung] mit wegweisenden Konzepten. Für die Wissenschaftlerinnen
Urmila Goel und Ulrike Mausolf kann eine konsequente Mobilitätswende nur
gelingen, wenn sich politisch Verantwortliche von der maskulinen
„Autonormativität“ verabschieden. Autonormativität äußert sich in
Wohnvierteln, in denen Fahrzeuge 23 von 24 Stunden nur herumstehen und Wege
blockieren. Autonormativität bewirkt, dass immer breitere Straßen und
größere Parkplätze gebaut werden. Gleichzeitig sind die Ampelphasen für zu
Fuß gehende Menschen häufig zu kurz, es gibt zu wenige und zu schmale
Radtrassen.
Um das zu ändern, bedarf es drastischerer Entscheidungen als nur ein
bisschen mehr Verkehrserziehung. Den Kauf von überdimensionierten SUVs und
erst recht von „Sportwagen“ sollte die Politik mit drastisch höheren
Steuern sanktionieren. Wo Behinderte und Mütter mit Kindern auf
Bürgersteigen kaum vorbeikommen, haben die Autos zu verschwinden – auch
wenn das Parkraum kostet und auf männlichen Protest stößt. Nach
vorsichtigen Schätzungen werden insgesamt bis zu 20 Prozent der
Gesamtfläche in den Großstädten von motorisierten Fahrzeugen beansprucht.
Aggression, Drängelei und Nötigung im Straßenverkehr – die statistische
Männerquote beträgt 99 Prozent – muss drastischer bestraft werden. Nach
Unfällen mit Todesfolge durch illegale Autorennen, ausgeführt mit Tatwaffen
wie BMW, Porsche, Ferrrari, gehören die Verursacher in Haft. Und nicht, wie
in zu milden Gerichtsurteilen üblich, mit niedrigen Geldbußen belegt oder
gar freigesprochen. Dauerhafter Führerscheinentzug sollte die Regel sein.
Nur der Vollständigkeit halber noch eine Forderung, die nach
jahrzehntelanger Debatte keiner mehr hören kann: Tempolimit auf Autobahnen!
28 Oct 2025
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Thomas Gesterkamp
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