# taz.de -- Wahlen in Tansania: „Diktatorin mit Samthandschuhen“
> Am Mittwoch will sich Samia Suluhu Hassan als Tansanias Staatschefin
> wiederwählen lassen. Sie hat vorgesorgt: Oppositionelle landen in Haft
> oder verschwinden.
IMG Bild: Fußgänger gehen an Werbetafel für die tansanische Präsidentschaftskandidatin Samia Suluhu Hassan von der Regierungspartei vorbei
Prominente Gegenkandidaten hat Tansanias Präsidentin Samia Suluhu Hassan
nicht, wenn das ostafrikanische Land mit 70 Millionen Einwohnern am
Mittwoch wählen geht. Die größte Herausforderung für ihre Legitimität wird
aus der jungen Generation kommen, bekannt als Gen Z (Generation Z), die
sich aus anderen afrikanischen Ländern inspirieren lässt. Je näher der
Wahltag rückt, desto offensichtlicher werden die
Menschenrechtsverletzungen. Als Suluhu 2021 Präsidentin wurde, waren die
Hoffnungen in sie als Reformerin groß – heute sagen manche, sie sei die
größte Autokratin in Tansanias Geschichte.
Die wichtigste Oppositionspartei Chadema (Chama cha Demokrasia na Maendeleo
– Partei für Demokratie und Fortschritt), die von den Wahlen ausgeschlossen
ist, hat das Verschwinden ihres Vizevorsitzenden John Heche gemeldet. Er
wurde am Mittwoch vergangener Woche festgenommen. Parteimitarbeiter haben
mehrere Polizeistationen und andere Behörden aufgesucht, um sich nach ihm
zu erkundigen, aber überall weiß angeblich niemand etwas über seinen
Verbleib.
Dabei wurde Heche in einem Gerichtssaal in Daressalam festgenommen, wo er
dem Prozess gegen seinen inhaftierten Parteichef Tundu Lissu beiwohnte.
Lissu sitzt seit Monaten unter dem Vorwurf des Landesverrats in Haft. Heche
soll in die über 1.300 Kilometer entfernte Stadt Tarime im Nordwesten des
Landes gebracht worden sein.
Es war schon Heches zweite Festnahme in zwei Wochen. Zuvor war er an der
Grenze zu Kenia unter dem Vorwurf des illegalen Grenzübertritts
festgenommen worden. Er wollte eigentlich in Kenia zur Beisetzung des
ehemaligen kenianischen Premierministers und historischen
Oppositionsführers Raila Odinga reisen. Als Heche nicht ausreisen durfte,
gab es Proteste an der Grenze. Junge Kenianer und Tansanier besetzten den
Grenzübergang Sirari–Isibania und erzwangen seine Freilassung.
## Hassan ist erste Frau an Tansanias Staatsspitze
Unklar ist weiterhin der Verbleib des ehemaligen tansanischen Botschafters
in Kuba, Humphrey Polepole, der vor einigen Monaten aus der
Regierungspartei CCM (Chama Cha Mapinduzi – Partei der Revolution) austrat
und am 6. Oktober aus seinem Haus in Daressalam entführt wurde. Laut
Amnesty International entdeckte seine Familie sein verwüstetes Haus, mit
aufgebrochenen Türen, gekappten Telefonleitungen und Blutspuren. Die
Polizei bestätigte, er sei wegen Äußerungen auf sozialen Medien vorgeladen
worden, aber nicht erschienen. Berichten zufolge lebt er nicht mehr.
Die Chadema-Opposition galt einst als Tansanias bisher aussichtsreichste
politische Alternative zur CCM, die Tansania seit der Unabhängigkeit 1961
regiert, bis 1977 noch unter einem anderen Namen, bis 1985 unter dem
sozialistischen Landesvater Julius Nyerere und bis 1992 in einem
Einparteisystem. Die CCM ist mittlerweile die älteste ununterbrochen
regierende Partei Afrikas.
Doch im April wurde Chadema von der Wahlkommission von den Wahlen
ausgeschlossen, weil sie einen Verhaltenskodex nicht unterschreiben wollte,
sondern stattdessen auf eine Wahlrechtsreform drängte. Daraufhin wurde
Tundu Lissu verhaftet, disqualifiziert und vor Gericht gestellt.
Samia Suluhu Hassan, die erste Frau an Tansanias Staatsspitze, folgte im
März 2021 auf den an Covid-19 verstorbenen John Magufuli, dessen
Vizepräsidentin sie zuvor gewesen war und der erst fünf Monate zuvor
wiedergewählt worden war. Magufuli, genannt „Bulldozer“, hatte Tansania
zunehmend diktatorisch regiert und der unerwartete Machtwechsel nach seinem
Tod erzeugte Hoffnungen. Die neue Präsidentin trat bescheidener und
versöhnlicher auf und versprach Reformen. Doch nun gibt es an der
65-Jährigen harte Kritik.
## Gen-Z-Proteste werden erwartet
„Die Diktatorin mit Samthandschuhen, die nach dem mysteriösen Tod von John
‚Bulldozer‘ Magufuli an die Macht gleitete, öffnet die Tore der Hölle für
die Opposition“, sagt der Menschenrechtsaktivist Gavriel Toviel. Tansania
verwandele sich unter ihr in einen „autoritären Schlachthof“.
Dass nach Berichten Uganda Soldaten nach Tansania geschickt hat, um die
Regierung gegen befürchtete Gen-Z-Jugendproteste zu schützen, steigert die
Sorge. „Samia Suluhu bereitet ein Massaker an friedlichen
Gen-Z-Demonstranten vor, die am 29. Oktober Demokratie, Rechtsstaatlichkeit
und Gerechtigkeit fordern“, sagt ein Aktivist. Erst vor wenigen Wochen rief
ein Armeekapitän öffentlich die Streitkräfte dazu auf, Schießbefehle im
Falle von Demonstrationen nicht auszuführen. Dies folgte auf Drohungen
radikaler jugendlicher Regierungsgegner. „Keine Reformen, keine Wahlen“,
lautete ihre Parole.
„Die Gerüchte über ugandische Söldner, die über die Grenze geschlichen
kommen, um ihre (Präsidentin Suluhus) Killer gegen die Massen zu
unterstützen, sind beängstigend, aber unbestätigt“, relativiert Toviel.
„Aber eines ist klar: Gen-Z-Hitzköpfe machen für landesweite friedliche
Märsche am Wahltag mobil, um dieser Farce ein Ende zu setzen. Sie verlangen
ein Ende von Verschwindenlassen, Wahlfälschung und Tötungen.“ Der
Menschenrechtsaktivist warnt: „Wenn Suluhu Samias schießwütiges Regime
darauf mit einem Blutbad reagiert, sollte die Welt aufwachen. Dann wird
nicht nur Tansania begraben, sondern Afrikas Demokratie.“
Gen-Z-Proteste haben schon mehrere ostafrikanische Länder erschüttert.
Zuletzt stürzte vor zwei Wochen in Madagaskar der Militär-Präsident Andry
Rajoelina nach wochenlangen Gen-Z-Kundgebungen gegen schlechte Wasser- und
Stromversorgung. In Kenia erzwangen Gen-Z-Proteste 2024 die Rücknahme eines
wegen Steuererhöhungen kontroversen Haushaltsentwurfs der Regierung von
Präsident William Ruto.
## Mehr als 60 Prozent der Menschen unter 30 Jahre alt
Die Proteste an der tansanisch-kenianischen Grenze für den festgesetzten
Oppositionspolitiker Heche vor einigen Wochen sieht der Kommentator Horri
Hassan als Vorbote, dass diese Art von Protest auch Tansania erreichen
könnte. „Der Aufstand der ostafrikanischen Gen Z krempelt die Politik der
Region um und stellt eine Herausforderung für autoritäre Politik dar“,
sagte er.
Als Gen-Z-Vorbild in Tansania sehen manche den Geschäftsmann Hancy
Machemba, Direktor eines Importunternehmens. Er hat Tansanias Polizei im
Zusammenhang mit Heche vorgeworfen, „unnötigen Lärm“ zu machen und „die
Leute grundlos aufzuregen“.
In Tansania, wie in vielen afrikanischen Ländern, sind über 60 Prozent der
Bevölkerung unter 30 Jahre alt. Sie kommunizieren meist über soziale
Medien. Tansania hat dieses Jahr X (ehemals Twitter) blockiert und die
beliebte Onlinediskussionsplattform Jamii Forums suspendiert – als
Begründung wurde die Verbreitung von Desinformation und Nacktheit sowie
Verleumdung der Präsidentin genannt.
[1][Die Präsidentin] und [2][die regierende CCM] posten aber weiter auf X.
So etwa, als sie ihren Wahlkampf in Temeke und Kigamboni in Daressalam
abschloss und ihren zahlreichen Anhängern zurief: „Wie in allen Distrikten
unterstreicht eure große Zahl die Macht, Größe und Stärke von CCM. Lasst
uns alle am 29. Oktober friedlich und ruhig zur Wahl gehen und
CCM-Kandidaten wählen.“
28 Oct 2025
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DIR [2] https://x.com/ccm_tanzania
## AUTOREN
DIR Alloyce Kimbunga
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