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       # taz.de -- Verschärfungen beim Bürgergeld: Ein Grummeln geht durch die Basis der SPD
       
       > Politiker*innen fordern, das Bürgergeld nicht zu verschärfen. Die
       > Initiatorin eines Mitgliederbegehrens erinnert die SPD an ihre Werte.
       
   IMG Bild: Eva-Maria Weimann: In Bayern gibt es gefährdete Industrie-arbeitsplätze
       
       Die SPD diskutiert über die Ausrichtung ihrer Sozialpolitik. Am Dienstag
       forderten Dutzende Parteimitglieder ein Mitgliederbegehren gegen die
       geplanten Verschärfungen beim Bürgergeld. „Was in der gesamten Debatte
       fehlt, ist die positive Erzählung vom Sozialstaat“, sagte eine der drei
       Initiatorinnen der Unterschriftensammlung, die stellvertretende bayrische
       SPD-Landesvorsitzende, Eva-Maria Weimann, der taz. Die SPD solle Versuchen
       der Spaltung entgegentreten, heißt es seitens ihrer Initiative, die bis
       Dienstagnachmittag etwa 1.100 Unterschriften zählte.
       
       „Wir werden hier an der Basis ständig mit Menschen konfrontiert, die mit
       der Partei hadern“, sagte Weimann, die im fränkischen Kitzingen im Kreisrat
       sitzt. In ihrer Region gebe es gefährdete Industriearbeitsplätze. Weimann
       ärgert, dass die Auswirkungen der Bürgergeld-Reformen für die Menschen in
       diesen Jobs kaum diskutiert würden. „Nicht erzählt wird, dass ein Eigenheim
       weg sein kann, wenn die Grenzen beim Schonvermögen herabgesetzt werden wie
       angedacht.“ Mit dem Vermittlungsvorrang müssten außerdem auch ehemalige
       Facharbeiter dann jeden Job annehmen, der ihnen vorgeschlagen würde.
       
       „Die Geschichte wird nicht zu Ende erzählt“, so Weimann. Die ganze Zeit sei
       die Rede von Sozialschmarotzern und Totalverweigerern, obwohl es sich dabei
       nur um einen verschwindend geringer Anteil der Menschen im Leistungsbezug
       handele. „Wir müssen die SPD daran erinnern, dass sie die SPD ist“, sagte
       sie.
       
       An ihrer Seite weiß sie dabei Melissa Butt, Kommunalpolitikerin aus
       Thüringen und dort Teil des Landesvorstands, und [1][Franziska Drohsel] von
       der Berliner SPD – die drei Politikerinnen haben die Initiative gestartet.
       „Wir sind so eine Girl-Band geworden“, sagte Weimann.
       
       ## Ein Prozent der SPD-Mitglieder müssten dem Wunsch nach einem
       Mitgliederbegehren zustimmen
       
       Mit ihrem Engagement haben sie spontan Hunderte Fans erreicht. Unter den
       167 Erstunterzeichner*innen waren Juso-Chef [2][Philipp Türmer] sowie
       zahlreiche Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhaus und Vertreter*innen
       der Landesvorstände. Abgeordnete aus dem Bundestag gab es unter den ersten
       Unterzeichner*innen jedoch keine.
       
       Aus der Parteizentrale hieß es zunächst, dass beim SPD-Vorstand kein
       Mitgliederbegehren angezeigt worden sei. Normalerweise reichten Mitglieder,
       die eine solche Abstimmung initiieren wollten, sie zuerst beim
       Parteivorstand ein, der die Zulässigkeit prüfe. Dann würden auf einer
       bestimmten Onlineplattform Unterschriften gesammelt. „Anderweitig
       übermittelte Eintragungen sind ungültig“, sagte eine Sprecherin.
       
       Ein Prozent der SPD-Mitglieder müssten dem Wunsch nach einem
       Mitgliederbegehren zustimmen. Das entspricht etwa 3.570
       Sozialdemokrat*innen. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, wird eine
       Onlinebefragung gestartet. Bekunden dort innerhalb von drei Monaten
       mindestens 20 Prozent der SPD-Mitglieder ihre Zustimmung zu den
       Vorschlägen, muss der Parteivorstand entweder die Forderungen umsetzen oder
       einen Mitgliederentscheid darüber ansetzen.
       
       Vor zwei Wochen hatte die Bundesregierung Details zu einer [3][Verschärfung
       des Bürgergelds] hin zu einer „Grundsicherung“ vorgelegt. Die Pläne von
       Arbeitsministerin und SPD-Chefin Bärbel Bas sehen unter anderem vor,
       Leistungen inklusive der Mietzahlungen zu streichen, wenn Arbeitslose
       wiederholt nicht zu einem Termin im Jobcenter erscheinen. Bei manchen
       Pflichtverletzungen, etwa wenn eine Fördermaßnahme abgebrochen wird, sollen
       die Leistungen direkt um 30 Prozent für bis zu drei Monate gekürzt werden
       können.
       
       Die Regierung hatte sich vorgenommen, dass ihr Gesetzentwurf bis zum
       Jahresende das Kabinett passieren soll. Die Union pochte darauf, dass es
       dabei bleibt. Die Bürgergeldreform sei „gemeinsam im Koalitionsvertrag
       vereinbart“ worden, sagte der erste parlamentarische Geschäftsführer der
       Unionsfraktion, Steffen Bilger (CDU), am Dienstag der Nachrichtenagentur
       AFP. „Wir erwarten von der SPD, dass sie sich auch daran hält.“
       
       28 Oct 2025
       
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