# taz.de -- Die Wahrheit: Geklaute Juwelen
> Nicht der erste Fall, dass königliches Geschmeide wie im Louvre gestohlen
> wurde. In Irland kamen royale Schmuckstücke schon im Jahr 1907 abhanden.
Frankreichs napoleonische Kronjuwelen sind geklaut worden, und sie werden
wohl ebenso wenig wieder auftauchen wie die irischen Kronjuwelen. Die sind
bereits seit 1907 verschwunden. König William IV. hatte die Juwelen, die
seiner Mutter gehörten, 1831 dem St.-Patrick-Orden, einem in Irland
ansässigen britischen Elite-Ritterorden, geschenkt, damit der Lordleutnant
von Irland sie bei festlichen Anlässen tragen konnte.
Im Juni 1907 wurden sie aus dem Dublin Castle geklaut, was ziemlich
peinlich war, denn die historische Festungsanlage war der Stützpunkt der
britischen Regierung in Irland, und die verlorenen Juwelen waren das Symbol
für ihre Herrschaft über die Kolonie.
Da es keine Anzeichen für ein gewaltsames Eindringen gab, muss der Täter
einen Schlüssel gehabt haben. Davon gab es jedoch nur ein einziges
Exemplar, und das gehörte Arthur Vicars, der für die Sicherheit der Juwelen
verantwortlich war. Nach dem Raub wurde er gefeuert, und das Pech blieb ihm
treu: 1921 erschoss ihn die IRA im irischen Unabhängigkeitskrieg.
Vicars war bekannt für seinen recht sorglosen Umgang mit den Juwelen, die
er gern aus dem Tresor holte, wenn er betrunken war, um vor Freunden
anzugeben. Einmal entwendete jemand die Schlüssel, stahl die Juwelen und
schickte sie einige Tage später per Post zurück.
Diesmal wartete Vicars jedoch vergeblich auf den Postboten. Der
Sherlock-Holmes-Autor Arthur Conan Doyle, ein Cousin von Vicars, bot seine
Hilfe bei den Ermittlungen an. Er konnte zwar nichts zur Lösung des Falls
beitragen, schrieb aber trotzdem das Buch „Die Bruce-Partington-Pläne“
darüber.
Vicars beteuerte seine Unschuld und beschuldigte Francis Shackleton, den
Bruder des Entdeckers Ernest Shackleton, der den Südpol nie erreicht hatte.
Francis war dafür bekannt, dass er über seine Verhältnisse lebte und sich
regelmäßig Geld von Kredithaien borgte. Offenbar hat er mit seinem
Geliebten Richard Gorges die Juwelen entwendet, nachdem er Vicars mit so
viel Whiskey abgefüllt hatte, dass er bewusstlos war.
König Edward VII. und Königin Alexandra besuchten Dublin vier Tage nach dem
Raub. Der Monarch sollte die Juwelen während einer Veranstaltung auf der
irischen Weltausstellung tragen, musste die Zeremonie aber absagen, was bei
ihm einen Wutanfall auslöste. Dennoch ließ er die Ermittlungen einstellen.
Eine genauere Untersuchung des Verbleibs der Juwelen hätte die
Ausschweifungen im Dublin Castle ans Licht gebracht, darunter wilde Partys
mit exzessivem Alkoholgenuss sowie homo- und heterosexuellen Orgien. Edward
wollte den Skandal einer öffentlichen Enthüllung vermeiden.
Sein Nachfahre Charles III. hätte das gerade auch gern getan, aber im 21.
Jahrhundert ließen sich die kriminellen Aktivitäten seines Bruders Andrew
mit einer Minderjährigen nicht unter den Teppich kehren.
3 Nov 2025
## AUTOREN
DIR Ralf Sotscheck
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