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       # taz.de -- Prinzip Hoffnung: Hoffnung entsteht durch Beharrlichkeit
       
       > Die UN rügt Deutschland dafür, einen Geflüchteten auf die Straße gesetzt
       > zu haben. Das ist nicht nur ein juristischer Sieg.
       
   IMG Bild: Es lohnt sich, für die eigenen Rechte zu kämpfen: Demonstrierende von Sea Watch, Amnesty International und Pro Asyl am 9. 6. 2023
       
       In Deutschland, einem Land, das sich gern auf Menschenrechte beruft, musste
       ein junger Geflüchteter bis zu den Vereinten Nationen gehen, um sie
       einzuklagen. [1][Der UN-Sozialausschuss hat die Bundesregierung gerügt,
       weil sie Menschen auf die Straße setzt] – Geflüchtete, die im sogenannten
       Dublin-Verfahren sind, also in ein anderes EU-Land abgeschoben werden
       sollen. Ihnen dürfen laut Gesetz Unterkunft, Essen, Kleidung, medizinische
       Versorgung gestrichen werden.
       
       Der Fall, um den es jetzt ging, betrifft einen 20-jährigen Syrer im
       Thüringer Ilm-Kreis. Er wurde im Winter 2024 aus seiner Unterkunft
       geworfen. Unterstützt von Pro Asyl, dem Flüchtlingsrat Thüringen, einem
       Anwalt und der Gesellschaft für Freiheitsrechte, klagte er bis nach Genf
       und bekam Recht: Der UN-Sozialausschuss fordert, dass Deutschland ihn
       wieder unterbringt und mit dem Lebensnotwendigen versorgt. Zum ersten Mal
       in der Geschichte hat das Gremium Deutschland wegen eines Verstoßes gegen
       soziale Menschenrechte gerügt. Eine Ohrfeige für eine Regierung, die von
       sich behauptet, sie verteidige Humanität.
       
       Diese Entwürdigung ist politisch gewollt: [2][Im Oktober 2024 beschloss die
       Ampel (SPD, Grüne, FDP) ihr sogenanntes „Sicherheitspaket“.] Nach dem
       Anschlag von Solingen wollte die selbsternannte „Fortschrittskoalition“
       Deutschland sicherer machen, indem es Geflüchtete entrechtete und obdachlos
       machte. Eine menschliche Bankrotterklärung. Von Anfang an warnten
       Expert*innen, Jurist*innen, Menschenrechtsorganisationen, Sozialverbände,
       Kirchen – alle sagten: Das ist rechtswidrig. Das verstößt gegen die
       Menschenwürde. Doch die Regierung hört, wie so oft, nicht zu.
       
       Seither haben Pro Asyl zufolge mehr als 60 Gerichte in Deutschland den
       Betroffenen, die gegen den Leistungsausschluss geklagt hatten, Recht
       gegeben. Und nun auch die Vereinten Nationen. Das ist mehr als ein
       juristischer Sieg: Es ist ein Signal an unsere Gesellschaft, dass es sich
       lohnt, für die eigenen Rechte zu kämpfen. Wenn Ungerechtigkeit und
       Entrechtung politisch beschlossen wird, macht es Hoffnung, dass es eine
       Zivilgesellschaft gibt, Anwält*innen und Aktivist*innen, die
       Gerechtigkeit erkämpfen. Der Rechtsstaat wird von unten verteidigt.
       
       Es ist leicht, sich ohnmächtig zu fühlen in Zeiten, in denen selbst eine
       Regierung, die sich „progressiv“ nennt, Schutz zum Risiko erklärt. Vor
       allem jetzt, wenn mit Union und SPD eine Regierung an der Macht ist, die
       [3][bewiesen hat, dass sie sich über Gerichtsentscheidungen hinwegsetzt,
       beispielsweise mit den Zurückweisungen an der deutschen Grenze.] Aber dann
       sieht man Menschen, die nicht aufgeben und ihre Rechte einklagen, und man
       begreift: Hoffnung entsteht durch Beharrlichkeit.
       
       Was bleibt, ist eine Frage, die jede*r für sich selbst beantworten muss:
       Was tun, wenn Gesetze Menschen entrechten? Wegsehen oder widersprechen?
       Schweigen oder handeln? Aus Prinzip Hoffnung zu haben bedeutet, in der
       Ungerechtigkeit nicht zu verharren, sondern sich seiner Rechte bewusst zu
       sein und für sie zu streiten.
       
       3 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.proasyl.de/pressemitteilung/un-sozialausschuss-ruegt-menschenrechtsverletzung-in-deutschland-pro-asyl-und-fluechtlingsrat-thueringen-fordern-sofortiges-ende-der-leistungsstreichungen-fuer-gefluechtete/
   DIR [2] /Sicherheitspaket-der-Ampel/!6042384
   DIR [3] /Zurueckweisungen-an-der-Grenze/!6088781
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniela Sepehri
       
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