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       # taz.de -- Ausreisezentrum in Braunschweig: Neue niedersächsische Härte
       
       > Die rot-grüne Landesregierung will von Abschiebung bedrohte Geflüchtete
       > wieder in Lagern unterbringen – eine Praxis, die sie 2014 abgeschafft
       > hatte.
       
   IMG Bild: Nach Protesten wie dem im Osnabrücker Schlosspark 2012 hatte Rot-Grün die Lager-Unterbringung beendet – jetzt geht's wieder los
       
       Deutschland will kälter werden und Niedersachsen ist vorn mit dabei. Die
       rot-grüne Landesregierung will mehr von Abschiebung bedrohte Geflüchtete
       wieder in Lagern unterbringen – eine Praxis, die sie 2014 selbst
       abgeschafft hatte.
       
       Im Juli hat Innenministerin Daniela Behrens (SPD) einen Erlass
       herausgegeben, nach dem in Braunschweig wieder ein sogenanntes
       „Ausreisezentrum“ eröffnet wird. Darin sollen Menschen untergebracht
       werden, die abgeschoben werden sollen, aber aus Gründen nicht in
       Abschiebehaft gesteckt werden können.
       
       Wir sprechen also von Menschen, bei denen sogar deutsche Gerichte finden,
       dass Knast für sie zu hart ist.
       
       In Behördendeutsch betrifft das „vollziehbar Ausreisepflichtige, die den
       Vollzug ihrer Abschiebung schuldhaft zum Scheitern gebracht haben und bei
       denen die Beantragung von Abschiebungshaft bzw. Ausreisegewahrsam nicht
       erfolgreich war“.
       
       ## Wer zweimal nicht zu Hause war, kommt ins Lager
       
       Um jemanden in Abschiebehaft zu stecken, muss ein Gericht befinden, dass
       die Person untertauchen könnte. Um ins „Ausreisezentrum“ zu kommen, reicht
       es, wenn eine Person zweimal nicht zu Hause war, als die Polizei klingelte
       – bei einem Abschiebetermin, der Betroffenen per Gesetz nicht mal
       mitgeteilt werden darf.
       
       Das können alle möglichen Menschen sein. Auch Kinder, Alte, Schwangere,
       Menschen in psychischen oder physischen Ausnahmesituationen.
       
       Zum Glück ist ein „Ausreisezentrum“ kein Abschiebeknast. In
       Behördendeutsch: „Die Unterbringung hat keinen freiheitsbeschränkenden
       Charakter.“ Menschen können bloß verpflichtet werden, „geplante Abwesenheit
       innerhalb eines festgelegten Zeitraums und unter Angabe des Ortes
       rechtzeitig anzuzeigen“. Und eine noch nicht definierte „elektronische
       Erfassung der Anwesenheit“ ist geplant.
       
       Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert den Plan scharf.
       „Hier wird eine Politik der Drangsalierung und Zermürbung eingeführt“, sagt
       er. Er wird nicht müde. Vor dreizehn Jahren hat er etwas ganz Ähnliches
       schon mal geschrieben, in einer Broschüre über Lager in Niedersachsen.
       
       Denn das alles gab es schon mal. Das „Ausreisezentrum“ hatte eine
       CDU-geführte Landesregierung in den 1990er-Jahren eingeführt. Bundesländer
       können es einrichten, müssen es aber nicht. Niedersachsen wollte.
       
       2014 schaffte die damalige rot-grüne Landesregierung es wieder ab. Zuvor
       hatte es jahrelang Proteste gegeben. Gegen das „Ausreisezentrum“, aber auch
       gegen die Unterbringung in Lagern allgemein. 2006 boykottierten
       Bewohner*innen von Lagern in Oldenburg-Blankenburg und Bramsche-Hesepe
       aus Protest das Kantinenessen.
       
       Seit 2013 hat Niedersachsen Geflüchtete nicht mehr in Lagern untergebracht.
       Nur in Erstaufnahmeeinrichtungen, aber meist nicht länger als die
       vorgeschriebene Dauer von 6 Wochen bis zu 3 Monaten.
       
       Das ist Geschichte. Was vor elf Jahren zu menschenfeindlich war, geht heute
       wieder klar. Wie andernorts müssen Menschen im Durchschnitt wieder 18
       Monate in Massenunterkünften zur Erstaufnahme leben.
       
       Niedersachsen liegt im Trend. Bundesweit wird vorauseilend das gemeinsame
       europäische Asylsystem (Geas) umgesetzt. Die Bundesregierung schießt sogar
       über die Vorgaben hinaus, führt die Bezahlkarte ein, kürzt Leistungen,
       vereinfacht Abschiebungen und eröffnet einst abgeschaffte Lager neu – wie
       jetzt das in Braunschweig.
       
       Innenministerin Behrens hätte auch gern noch so ein Dublin-Zentrum wie in
       Eisenhüttenstadt und Hamburg, sagte sie im September. Der Bund lobte sie,
       will aber kein Geld geben. Jetzt hakt's an der Zustimmung der
       niedersächsischen Grünen.
       
       Mit dem Braunschweiger „Ausreisezentrum“ hatten die kein Problem.
       
       Kai Weber vom Flüchtlingsrat sieht darin die veränderte gesellschaftliche
       Stimmung. „Jahrelang hab ich gesagt, es mag Verschlechterungen geben, aber
       so schlimm wie in den 90ern wird es nicht mehr“, sagt er. Mittlerweile ist
       er sich da nicht mehr sicher.
       
       22 Oct 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Amira Klute
       
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