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       # taz.de -- Proteste in Ecuador: „Vom ersten Tag an haben die Soldaten scharf geschossen“
       
       > Seit Wochen demonstrieren Indigene in Ecuador gegen die Politik des
       > rechten Präsidenten Daniel Noboa. Drei Menschen sind dabei bereits
       > gestorben.
       
   IMG Bild: Trauernde am Sarg von José Alberto Guamán Izama, der bei den Protesten durch einen Schuss starb
       
       Ecuador kommt nicht zur Ruhe. Der Dachverband der indigenen Nationalitäten
       Ecuadors (Conaie) hat seit Mitte September zum Generalstreik aufgerufen.
       Andere Basisorganisationen haben sich angeschlossen. Polizei und Militär
       schlagen brutal zurück.
       
       Mittlerweile sind drei Menschen in den Protesten gestorben. José Alberto
       Guamán Izama starb nach einem Schuss in die Brust. Efraín Fuérez wurde
       ebenfalls erschossen. Laut Conaie beide durch Sicherheitskräfte. Sie waren
       indigene Bauern. Rosa Elena Paqui (61) erlag einem
       Herz-Kreislauf-Stillstand, nachdem sie Tränengas eingeatmet hatte. Laut
       Interamerikanischer Kommission für Menschenrechte sollen Hunderte verletzt,
       gut ein Dutzend Menschen verschwunden und 172 festgenommen worden sein.
       
       „Vom ersten Tag an haben neben der Polizei Soldaten die Proteste
       unterdrückt und scharf geschossen“, sagt Simón Velasco, Sprecher von
       Conaie, der taz. Nicht nur mit Gummigeschossen und Tränengaskartuschen,
       sondern auch echten Kugeln. Die UN-Sonderberichterstatterin für
       Versammlungs- und Organisationsfreiheit, Gina Romero, kritisierte den
       Einsatz des Militärs gegen Demonstrierende. „Das widerspricht
       internationalen Standards“, schrieb Romero auf X. Protest sei ein
       Grundrecht und dürfe keine Menschenleben kosten.
       
       Auslöser für den Streik war die angekündigte Streichung der
       Dieselsubventionen. Die bringt in Ecuador quasi automatisch die Menschen
       auf die Straße – bedeutet sie doch höhere Produktionskosten für die
       Landbevölkerung und steigende Lebensmittelpreise. Neben der Rücknahme
       wollen die Indigenen, dass die Mehrwertsteuer gesenkt wird, Bergbaulizenzen
       zurückgenommen werden, sowie bessere Bildung und Gesundheit.
       
       Epizentrum der Proteste und Blockaden ist die Provinz Imbabura im Norden,
       mit ihrer Hauptstadt Otavalo. Doch auch in anderen Provinzen, in der
       größten Stadt Guayaquil und der Hauptstadt Quito protestieren Menschen.
       
       ## Mehr als nur der Diesel
       
       Adela Vargas aus Guayaquil ist Soziologin und engagiert sich im Netzwerk
       der Sozialorganisationen von Guayas, das sich am Streik beteiligt. Es liegt
       nicht nur am Diesel, betont sie. In Ecuador seien die Menschen seit Monaten
       ständig auf der Straße gewesen.
       
       Aus Protest, weil die Regierung sich nicht an Umwelt-Referenden hält und
       zum Beispiel im Yasuní-Regenwald [1][weiter Erdöl ausbeutet]. Weil der
       rechte Präsident Daniel Noboa mehrere [2][Ministerien zusammenstrich],
       wegen der desolaten Lage des Gesundheitssystems und der Bildung. Dass die
       Steuerschulden des Bananenimperiums der Präsidenten-Familie von 95
       Millionen Dollar auf mysteriöse Weise zusammenschrumpften, weckte ebenfalls
       Unmut.
       
       Ecuador befindet sich zudem im Dauerwahlkampfmodus. Neben den regulären
       Wahlen hat Präsident Noboa mehrere Volksentscheide angeschoben. Am 16.
       November steht ein Referendum an, mit dem er unter anderem die Verfassung
       ändern will. Über die zugelassenen Fragestellungen hat Noboa über Monate
       mit dem Verfassungsgericht gestritten. Nicht nur der Indigenenverband
       Conaie nutzt die Proteste jetzt auch, um für ein Nein beim Referendum zu
       mobilisieren.
       
       Die Regierung fahre seit Monaten eine Kampagne gegen das
       Verfassungsgericht, um dieses zu delegitimieren und die Richter:innen
       als „Volksfeinde“ hinzustellen, sagt Amnesty International. Die
       Menschenrechtsorganisation prangert auch an, dass Gerichte und
       Staatsanwaltschaft unter Druck gesetzt würden – während die
       Sicherheitskräfte deren Ermittlungen boykottierten.
       
       ## Indigene als „Terroristen“
       
       Die Regierung hat behauptet, hinter den Protesten stecke die Drogenmafia
       oder Benzin-Schmuggler. Die Indigenen brandmarkte sie als Terroristen,
       Drogenhändler, Kriminelle. „Dabei sind wir einfach nur soziale
       Organisationen, Gemeinschaften oder die Zivilgesellschaft, die ihre
       Ablehnung gegenüber einer sehr drastischen wirtschaftlichen Maßnahme der
       Regierung zum Ausdruck bringen“, sagt Simón Velasco mit Blick auf die
       Streichung der Dieselsubventionen.
       
       Ecuador ist eins der gewalttätigsten Länder Südamerikas – hauptsächlich
       wegen des Drogenhandels. Mit Ausnahmezuständen hat der Präsident das Land
       über die vergangenen Monate militarisiert und sich immer mehr Macht
       gesichert. Außerdem hat seine Regierung der [3][wirtschaftlichen Ausbeutung
       auf Kosten der Natur und ihrer Bewohner:innen] den Weg geebnet. Die
       wichtigsten Medien beherrscht sie ebenfalls.
       
       Parallel zu den Protesten erschüttern weiter Bombenattentate und Morde das
       Land, hinter denen die Drogenmafia stecken soll. Besonders prominent waren
       zuletzt der Mord an einem Richter – und die Autobombe vor einer
       Shoppingmall in Guayaquil mit mehreren Toten. Der Gouverneur der Provinz
       Guayas brachte das Attentat mit den Indigenen in Verbindung – ohne Beweise.
       
       Noboa hat wiederholt versichert, dass er an der Streichung der
       Dieselsubvention festhalten werde. Nur für die Transportindustrie gibt es
       mittlerweile eine Ausnahmeregelung.
       
       22 Oct 2025
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Wojczenko
       
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