# taz.de -- Gewerkschaft vs. Adidas: Lieferkettengesetz gilt für Vietnam – und Herzogenaurach
> Die Gewerkschaft IGBCE will das Lieferkettengesetz gegen Adidas
> auspacken. Der Dax-Konzern weist die Vorwürfe zurück.
IMG Bild: Adidas Produktion in Vietnam: das Unternehmen maximiert den Gewinn auf dem Rücken der Beschäftigten
taz | Auf ihrem 8. Gewerkschaftskongress diese Woche in Hannover hat die
Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) dem Textilkonzern
Adidas den Arbeitskampf angesagt – und hat dafür ein neues Instrument
entdeckt: [1][das Lieferkettengesetz.]
Hintergrund ist, dass der Dax-Konzern die Tarifbindung verlassen hat. Dabei
geht es um eine Fabrikverkaufsstätte im bayerischen Herzogenaurach. IGBCE
will diesen „Schutzschirm“ für die Beschäftigten zurück haben.
„Adidas rühmt sich, ein cooles, verantwortliches Markenunternehmen zu sein.
Für den Umgang mit seinen Beschäftigten gilt dies offenbar nicht“, sagte
der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis auf dem Kongress. IGBCE sei
Mitglied bei der internationalen Gewerkschaft Industriall Global und
befasse sich dort intensiv mit den globalen Lieferketten von Adidas. „An
vielen Stellen halten sie sich an gar nichts“.
Für den Arbeitskampf in Deutschland wolle die IGBCE nun mit diesem Wissen
Druck gegen Adidas aufbauen: „Wir werden alles nutzen: mit den NGOs, die da
schon lange dran sind, über Nachhaltigkeits-Ratings vom Kapitalmarkt und
die ganze Bandbreite, die das Lieferkettengesetz bietet, um dagegen
vorzugehen“, sagte Vassiliadis.
Zum Lieferkettengesetz sagte Vassiliadis: „Wir hatten den Eindruck, es ist
für Vietnam gemacht, aber es ist für Herzogenaurach.“
## Adidas weist Vorwürfe zurück
Auf Anfrage der taz erklärt Finanzvorstand und Arbeitsdirektor bei Adidas,
Harm Ohlmeyer, das Lieferkettengesetz gäbe keine Grundlage, „um
Tarifbindung zu erzwingen“. Außerdem seien die Vorwürfe von Vassiliadis
haltlos.
„Adidas stellt seit mehr als 25 Jahren mit eigenen Standards faire und
sichere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten seiner Lieferkette sicher
und überwacht diese auch durch externe, unabhängige Organisationen“, sagt
Ohlmeyer.
Gleichzeitig [2][steht Adidas auch immer wieder in der Kritik]. Der
Dachverband Kritische Aktionäre warf dem Textilkonzern auf dessen
Hauptversammlung im Mai strukturelle Arbeitsrechtsverletzungen vor:
„Verweigerung von Abfindungen, die Zahlung von Armutslöhnen und die
Unterdrückung gewerkschaftlicher Aktivitäten widersprechen fundamental dem
Anspruch eines sozialverantwortlichen Unternehmens“. Es ginge nicht um
Einzelfälle, betonte Hana Obser von der zivilgesellschaftlichen
Organisation.
In Myanmar zahle der adidas-Zulieferer Pou Chen Löhne, „die nicht einmal
ein Drittel eines existenzsichernden Einkommens erreichen“. Und
gewerkschaftliches Engagement würde unterdrückt.
Mauro Meggiolaro von der italienischen Banca Etica rechnete vor: Eine
Näherin, die in Kambodscha für Adidas arbeitet, verdient bei einem
10-Stunden-Tag 160 Euro im Monat. „Das ist ein Stundenlohn von 67 Cent. Der
gesetzliche Mindestlohn von 200 Euro im Monat, der in Kambodscha gilt, ist
da kaum höher“ – und reiche nicht für ihren Lebensunterhalt.
## IGBCE: Adidas verteile nur „Beruhigungspillen“
Zu den in Deutschland tariflich Beschäftigten erklärt Ohlmeyer, Adidas habe
„vergangene Woche mitgeteilt, die im Vergleich ohnehin bereits deutlich
höheren Gehälter stärker zu erhöhen, als in der aktuellen Tarifrunde
vereinbart“.
Lars Ruzic, Pressesprecher der IGBCE, nennt das „Beruhigungspillen“, mit
der die Tarifflucht heruntergespielt werden soll. „Der Schritt zeigt nur,
dass die Beschäftigten bei der Entwicklung ihrer Löhne und
Arbeitsbedingungen fortan der Willkür ihres Managements ausgesetzt sind.
Und die kann schnell in die entgegengesetzte Richtung gehen, wenn sich
beispielsweise die Geschäftszahlen verschlechtern“.
Zu Details, wie genau die Gewerkschaft ihre internationalen Netzwerke und
das Lieferkettengesetz nutzen wolle, gab Ruzic keine Einblicke.
22 Oct 2025
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## AUTOREN
DIR Leila van Rinsum
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