# taz.de -- Vor der Präsidentschaftswahl in Irland: Ein Amt, zwei Kandidatinnen
> Am Freitag wählen die Iren aus zwei Bewerberinnen eine neue Präsidentin.
> Der dritte Bewerber musste sich nach einem Skandal zurückziehen.
IMG Bild: Heather Humphreys (links) und Catherine Connolly (rechts) – Jim Gavin hat sich verabschiedet
Wenn die Amtszeit des irischen Präsidenten Michael D. Higgins nach 14
Jahren im November zu Ende geht, wird Irland eine Präsidentin bekommen. Bei
der Wahl am 24. Oktober kandidieren Heather Humphreys, die stellvertretende
Chefin der konservativen Regierungspartei Fine Gael, und Catherine
Connolly, die von einem breiten linken Bündnis nominiert wurde.
Der Dritte im Bunde, der frühere Gaelic-Football-Trainer Jim Gavin von Fine
Gaels Koalitionspartner Fianna Fáil, warf Anfang Oktober wegen finanzieller
Unregelmäßigkeiten das Handtuch. Gavin sagte, er könne sich an den
verlorenen Rechtsstreit mit einem früheren Mieter „nicht erinnern“. Er
schuldet ihm seit 2009 die zu viel gezahlte Miete in Höhe von 3.300 Euro.
Erinnerungslücken haben bei Fianna Fáils Präsidentschaftskandidaten
offenbar System. Aus demselben Grund ist Brian Lenihan vor 35 Jahren
überraschend gegen die linke Feministin Mary Robinson gescheitert, deren
[1][Wahl] die rasanten [2][sozialen Veränderungen in Irland] einleitete.
Für Premierminister Micheál Martin ist Gavins Rückzug eine Katastrophe.
Viele Parteimitglieder kritisieren Martin offen dafür, dass es ihm an
Urteilsvermögen mangelte, als er Gavin als Kandidaten durchsetzte, ohne
dessen Eignung sorgfältig geprüft zu haben. Fianna Fáil steht nun ohne
Kandidaten da, weil die Meldefrist verstrichen ist.
## Amtierender Präsident legte sich mit allen an
Man wird den früheren Labour-Minister Michael D. Higgins vermissen, wenn er
weg ist. Der Hitzkopf und Dichter hat wiederholt die Grenzen des Amtes
überschritten.
Er hat während seiner Präsidentschaft EU-Beamte, die israelische Regierung,
internationale Ratingagenturen, die irische Akademie der
Wirtschaftswissenschaftler, die Nato, Kritiker von Fidel Castro,
revisionistische Historiker, nordirische Unionisten und zahlreiche
Regierungsminister [3][gegen sich aufgebracht].
Er ist in den vergangenen Jahren ein wenig geschrumpft und geht seit einem
Schlaganfall im vergangenen Februar mithilfe von Stöcken. Aber er hat vier
Premierminister überlebt und ist mit 83 Jahren so radikal unkonventionell
wie eh und je.
Die Iren lieben ihren Präsidenten. Er ist das Vorbild für gestrickte
Teekannenwärmer mit weißem Haarschopf und Brille, von denen mehr als eine
Million verkauft wurden.
## Die Sprachfrage
Die Nachfolgerin wird es nicht leicht haben. Für Humphreys spricht ihr
protestantisch-unionistischer Hintergrund, der den Unionisten Nordirlands
die irische Vereinigung schmackhaft machen soll. Gegen sie spricht ihr
protestantisch-unionistischer Hintergrund, der bei vielen Wählerinnen und
Wählern Misstrauen erregt. Und sie spricht kein Irisch, was offiziell
Irlands erste Landessprache ist.
Sie versicherte, dass sie es lernen werde, sollte sie gewählt werden.
Dasselbe hatte sie vor elf Jahren versprochen, als sie zur Ministerin für
Kunst und die irischsprachigen Gemeinden ernannt wurde. Eingelöst hat sie
das nicht.
Catherine Connolly ist im Irischen hingegen sattelfest. Die Abgeordnete aus
dem westirischen Galway wird von Labour, den Sozialdemokraten, People
Before Profit und Sinn Féin unterstützt.
Die 68-jährige Anwältin und klinische Psychologin wird von vielen in der
Politik respektiert, sie kann aber auch eine spaltende Figur sein. Im Mai
sagte sie, dass Irlands Neutralität „durch den kriegstreibenden
militärisch-industriellen Komplex“ in Europa bedroht sei. Und neulich
beschuldigte sie Israel im Parlament, ein „völkermordender Staat“ zu sein.
Bei Umfragen liegt sie derzeit vor Humphreys.
## Illustrer Bewerberpool
Es ist erstaunlich, wer sich alles als befähigt erachtete, das höchste Amt
im Staat auszufüllen. Da war der Mixed-Martial-Arts-Kämpfer Conor McGregor,
der im November 2024 in einem zivilrechtlichen Prozess wegen Vergewaltigung
und Körperverletzung schuldig gesprochen wurde. In den USA wäre er
vermutlich trotzdem gewählt worden, in Irland wollte niemand etwas mit ihm
zu tun haben.
Auch die US-Hupfdohle Michael Flatley, der mit dem Tanzspektakel
„Riverdance“ beim Eurovisionswettsingen 1994 berühmt geworden ist, glaubte,
er habe das Zeug zum Präsidenten – ebenso wie Bob Geldof von den Boomtown
Rats und der zwielichtige Unternehmer Gareth Sheridan mit Verbindungen zu
Russland.
Dankenswerterweise schreibt ein Gesetz vor, dass potenzielle Kandidaten
entweder von vier Bezirksverwaltungen oder 20 Parlamentariern nominiert
werden müssen.
24 Oct 2025
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## AUTOREN
DIR Ralf Sotscheck
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