# taz.de -- Fördergeldaffäre der Berliner CDU: Verdacht auf Untreue
> Ein Untersuchungsausschuss wird sich mit der Vergabe von
> Antisemitismus-Fördergeldern beschäftigen. Ein Rechtsgutachten spricht
> von Rechtsverstößen.
IMG Bild: Ex-Kultursentaor Joe Chialo
Die [1][Vergabe von mehreren Millionen Euro aus einem Fördertopf für
Projekte gegen Antisemitismus], die vom früheren Kultursenator Joe Chialo
(CDU) und seiner Nachfolgerin Sarah Wedl-Wilson (parteilos, für die CDU)
ohne fachliche Prüfung und gegen den Willen der Verwaltung durchgedrückt
wurde, hat ein politisches Nachspiel. Die Fraktionen von Grünen und Linken
wollen bereits nächste Woche den Antrag für einen parlamentarischen
Untersuchungsausschuss einbringen, der die Vorgänge aufklären soll. Das
kündigten die Fraktionsvorsitzenden beider Parteien am Mittwoch auf einer
Pressekonferenz im Abgeordnetenhaus an.
„Wir halten die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur vollständigen
Aufklärung der Vorwürfe für unumgänglich“, so die Grünen-Fraktionschefin
Bettina Jarasch. Es gebe „erhebliche Anhaltspunkte, dass die politische
Leitung der Kulturverwaltung eine Vielzahl von Vorgaben verletzt hat“, hieß
es zur Begründung.
Und nicht nur das: Im Raum stehe der Verdacht, dass der „Straftatbestand
der Haushaltsuntreue“ erfüllt sei. Ihr Co-Vorsitzender Werner Graf sagte,
er sei „schockiert, mit welcher Selbstverständlichkeit einige Menschen den
Staat einfach als Beute nehmen“. Er forderte den Regierenden Bürgermister
Kai Wegner (CDU) auf, „persönlich dafür einzutreten, dass keine Akten
verschwinden oder vernichtet werden“.
Im Rahmen eines jährlichen 10-Millionen-Euro-Fonds für
Antisemitismusprojekte in der Kulturverwaltung war Anfang des Jahres eine
Fördersäule in Höhe von 3,4 Millionen Euro für „Projekte von besonderer
politischer Bedeutung“ geschaffen worden, entgegen geltenden Regeln ohne
transparente Förderbedingungen.
Wie aus einer Akteneinsicht der Grünen-Abgeordneten Susanne Kahlefeld und
Daniel Wesener hervorgeht, sorgten Chialo und Wedl-Wilson dafür, dass mit
dem Geld eine Reihe von Projekten bedacht wurden, die zuvor in der
CDU-Fraktion, namentlich von Fraktionschef Dirk Stettner und dem
haushaltspolitischen Sprecher Christian Goiny, ausgewählt wurden. Massive
rechtliche Bedenken aus der Verwaltung wurden dabei übergangen. Wedl-Wilson
hatte zudem angeordnet, auf den üblichen Eigenanteil der Projekte von zehn
Prozent der Fördersumme zu verzichten.
## Gutachten sieht mögliche Verstöße
Ein von der Grünen-Fraktion in Auftrag gegebenes und am Mittwoch
präsentiertes Gutachten der Hamburger Anwaltskanzlei Even sieht in dem
Vorgehen „erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass es bei der Vergabe der
Fördermittel durch die Senatsverwaltung für Kultur und gesellschaftlichen
Zusammenhalt zu einer Vielzahl von Verstößen gegen haushalts- und
förderrechtliche Vorgaben gekommen sein könnte“.
Weil auf eine Prüfung der Anträge verzichtet worden sei, stünden laut dem
Gutachten Verstöße gegen den Grundsatz der Sparsamkeit und
Wirtschaftlichkeit im Raum. Auch sei aufgrund eines fehlenden
Förderkonzeptes ein Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung möglich.
Sollte aufgrund der fehlenden Prüfung der „mit der Zuwendung verfolgte
Zweck nicht erreicht“ werden und Berlin damit ein „Vermögensnachteil“
entstehen, käme auch eine strafbare „Haushaltsuntreue“ in Betracht, so die
Gutachter.
## Goiny im Gegenangriff
Der CDU-Parlamentarier Christian Goiny, der wiederholt direkten Druck auf
die Verwaltung ausgeübt hatte, äußerte sich in einem Statement auf Facebook
und sprach von Widerständen im Kampf gegen Antisemitismus, „nicht nur von
Linken und Grünen, sondern auch in der Verwaltung“. Die Einrichtung des
Sondertopfes sei Folge davon, dass im Haushaltsjahr 2024 vier der zur
Verfügung stehenden zehn Millionen Euro nicht ausgegeben wurden. Goiny
meint: „Leider hatte die Verwaltung kein Interesse an der konstruktiven
Begleitung dieses Fördertopfes.“ Also habe man interveniert. Goiny
verteidigte sein Recht, als Abgeordneter „derartige Entscheidungen zu
treffen“-.
Bei Daniel Wesener stößt die Verteidigung Goinys auf Unverständnis. Er
sagt: „Es gilt immer noch die Gewaltenteilung und das Haushaltsrecht.“ Auch
sei ein eigener unregulierter Fördertopf nicht nötig gewesen. Auf den
regulären Fonds habe es für die beiden Jahre 2024 und 2025 insgesamt 290
Förderanträge gegeben; nur 60 davon wurden bewilligt. Es wäre demnach
einfach möglich gewesen, auf regulärem Weg das zur Verfügung stehende Geld
auszugeben.
Linken-Fraktionschefin Anne Helm wies zurück, dass hinter der Forderung
nach Aufklärung ein mangelnder Wille im Kampf gegen Antisemitismus stecke.
Dagegen betonte sie auf der Pressekonferenz die „Krisensituation“ des
Antisemitismus in Berlin, insbesondere seit dem Hamas-Überfall auf Israel.
Helm sagt: „Es verbietet sich, dass der Eindruck entsteht, dass Menschen
sich an einer solchen Krisensituation bereichern.“
5 Nov 2025
## LINKS
DIR [1] /Projekte-gegen-Antisemitismus/!6122985
## AUTOREN
DIR Erik Peter
## TAGS
DIR CDU-Fördergeldaffäre
DIR Untersuchungsausschuss
DIR Joe Chialo
DIR Reden wir darüber
DIR Social-Auswahl
DIR CDU-Fördergeldaffäre
DIR Antisemitismus
DIR CDU-Fördergeldaffäre
DIR CDU Berlin
DIR Kultur in Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Fördergeld bei Antisemitismusprojekten: Es geht um Machtmissbrauch
CDU-Politiker betrachten den Staat als Selbstbedienungsladen. Den
notwendigen Kampf gegen Antisemitismus schwächen sie.
DIR CDU-Affäre um Antisemitismusprojekte: „Das ist hoch kriminell, was da passiert“
Der Vorsitzende der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus kritisiert
die Mittelvergabe des Senats. Etablierte Vereine blieben auf der Strecke.
DIR Geförderte Antisemitismusprojekte: Klüngel, Briefkästen und eine Immobilienfirma
Zwölf Projekte haben Geld aus dem Topf der Berliner Kulturverwaltung
erhalten. Eine Spurensuche der taz weckt Zweifel an der Kompetenz der
Empfänger.
DIR Projekte gegen Antisemitismus: Förderfilz der CDU
Die Berliner Kultursenatoren Chialo und Wedl-Wilson haben willkürlich
Millionen Euro Fördergelder vergeben – nach Druck aus der Fraktion.
DIR Berliner Kultursenatorin: „Zusammenarbeit hat es in diesem Sinne nie gegeben“
Sarah Wedl-Wilson, die neue parteilose Kultursenatorin, distanziert sich
deutlich vom politischen Stil ihres Vorgängers und Ex-Chefs Joe Chialo.